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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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behandelte der Landeshauptmann die über beide Gegenstände gestellten Anträge
als einen und eröffnete darüber die allgemeine Debatte. Erst als sich nie¬
mand zum Worte meldete, ging er auf jede einzelne Frage und zwar zuerst
jene der Wahl ein, worauf I)r. Rautcnkranz verbessernd vorschlug, die Rückkehr
in die verfassungsmäßigen Bahnen sei zur befriedigenden Kenntniß zu nehmen
und mit Bezug auf selbe die Wahl zum verfassungsmäßigen Reichsrath zu be¬
wirken. Es würde zu weit führen, wenn wir den Streit im Einzelnen ver¬
folgen wollten, wir werden uns daher beschränken die Standpunkte zu bezeichnen,
die sich beide Theile aneigneten. Auf der Rechten glänzten als Chorführer die
beiden Giovanelli und Pater Jäger. Paul v. Giovanelli erklärte' sich als
Freund des wahren Verfassungsrechtes und Feind des Absolutismus, worunter
er die Negation der bestehenden Rechte verstand. Als solche galt ihm das
Februarpatent, das durch Aufhebung der Autonomie der Länder und ihrer Ver¬
tretungskörper, Centralisation der Verwaltung, Hebung der Bö.rse und parla¬
mentarisches Machtgebot den Sta.it an den Rand des Abgrundes gebracht habe.
Das Patent vom 2. Jänner pries er als Rückkehr zum Weg des Rechtes, die
kaiserliche Entschließung vom 4. Februar als vollständiges Linksum in die alten
absolutistischen Bahnen. Die nun in Aussicht gestellte Erweiterung der Auto¬
nomie der Länder und der engere Reichsrath verhielten sich wie Feuer und
Wasser. Ohngefähr denselben Ton schlug sein Bruder Ignaz an. Als Beamter,
nämlich als k. k. Oberlandesgerichtsrath, stilisirte er zwar seine Angriffe auf die
Negierung etwas glimpflicher, doch konnte er es nicht über sich bringen, war¬
nend anzudeuten, daß durch eine Constituante das ganze öffentliche Recht der
einzelnen Länder diesseits der Lcitha, die Existenz der Landtage, das Vermögen
und die verschiedenen Fonds, alle bestehenden Rechte und Gewohnheiten in
Gefahr kämen. Noch weit mehr sei aber die Krone selbst gefährdet. "Die
Selbständigkeit und Individualität, der Länder, ihre altcrerbte Treue und An¬
hänglichkeit, das Bewußtsein, an den Stufen des Thrones Schuh zu finden
gegen Uebergriffe der Centralisation, das ist," betheuerte er, "der mächtigste
Damm gegen die Revolution/' Seltsam, daß immer die Gottseligen am
eifrigsten sind, den Teufel an die Wand zu malen.

Der Berichterstatter Pater Jäger vertrat die wiener Camarilla. Das
Wort "verfassungsmäßig" erschien ihm im Ministenalrescripte "offenbar nur als
Wort, nicht als eine Sache". Die authentische Auslegung ergebe sich aus der
Stelle, daß es Aufgabe des Reichsraths sei "die nur allzulange andauernde
Verfassungskrisis auf einer dem Einverständnisse aller Betheiligten entsprechenden
Grundlage zu beenden". Der einzuberufende Reichsrath sei nicht jener des
Februarpatents, sondern ein erst zu constituirender, "aus dem ein neuer her¬
vorgehen wird". Jedenfalls eine sehr schwankende Bürgschaft für die Zukunft,
die mit dem Systeme der "freien Bahn" zusammenfällt. Aber auch über die


behandelte der Landeshauptmann die über beide Gegenstände gestellten Anträge
als einen und eröffnete darüber die allgemeine Debatte. Erst als sich nie¬
mand zum Worte meldete, ging er auf jede einzelne Frage und zwar zuerst
jene der Wahl ein, worauf I)r. Rautcnkranz verbessernd vorschlug, die Rückkehr
in die verfassungsmäßigen Bahnen sei zur befriedigenden Kenntniß zu nehmen
und mit Bezug auf selbe die Wahl zum verfassungsmäßigen Reichsrath zu be¬
wirken. Es würde zu weit führen, wenn wir den Streit im Einzelnen ver¬
folgen wollten, wir werden uns daher beschränken die Standpunkte zu bezeichnen,
die sich beide Theile aneigneten. Auf der Rechten glänzten als Chorführer die
beiden Giovanelli und Pater Jäger. Paul v. Giovanelli erklärte' sich als
Freund des wahren Verfassungsrechtes und Feind des Absolutismus, worunter
er die Negation der bestehenden Rechte verstand. Als solche galt ihm das
Februarpatent, das durch Aufhebung der Autonomie der Länder und ihrer Ver¬
tretungskörper, Centralisation der Verwaltung, Hebung der Bö.rse und parla¬
mentarisches Machtgebot den Sta.it an den Rand des Abgrundes gebracht habe.
Das Patent vom 2. Jänner pries er als Rückkehr zum Weg des Rechtes, die
kaiserliche Entschließung vom 4. Februar als vollständiges Linksum in die alten
absolutistischen Bahnen. Die nun in Aussicht gestellte Erweiterung der Auto¬
nomie der Länder und der engere Reichsrath verhielten sich wie Feuer und
Wasser. Ohngefähr denselben Ton schlug sein Bruder Ignaz an. Als Beamter,
nämlich als k. k. Oberlandesgerichtsrath, stilisirte er zwar seine Angriffe auf die
Negierung etwas glimpflicher, doch konnte er es nicht über sich bringen, war¬
nend anzudeuten, daß durch eine Constituante das ganze öffentliche Recht der
einzelnen Länder diesseits der Lcitha, die Existenz der Landtage, das Vermögen
und die verschiedenen Fonds, alle bestehenden Rechte und Gewohnheiten in
Gefahr kämen. Noch weit mehr sei aber die Krone selbst gefährdet. „Die
Selbständigkeit und Individualität, der Länder, ihre altcrerbte Treue und An¬
hänglichkeit, das Bewußtsein, an den Stufen des Thrones Schuh zu finden
gegen Uebergriffe der Centralisation, das ist," betheuerte er, „der mächtigste
Damm gegen die Revolution/' Seltsam, daß immer die Gottseligen am
eifrigsten sind, den Teufel an die Wand zu malen.

Der Berichterstatter Pater Jäger vertrat die wiener Camarilla. Das
Wort „verfassungsmäßig" erschien ihm im Ministenalrescripte „offenbar nur als
Wort, nicht als eine Sache". Die authentische Auslegung ergebe sich aus der
Stelle, daß es Aufgabe des Reichsraths sei „die nur allzulange andauernde
Verfassungskrisis auf einer dem Einverständnisse aller Betheiligten entsprechenden
Grundlage zu beenden". Der einzuberufende Reichsrath sei nicht jener des
Februarpatents, sondern ein erst zu constituirender, „aus dem ein neuer her¬
vorgehen wird". Jedenfalls eine sehr schwankende Bürgschaft für die Zukunft,
die mit dem Systeme der „freien Bahn" zusammenfällt. Aber auch über die


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[0144] behandelte der Landeshauptmann die über beide Gegenstände gestellten Anträge als einen und eröffnete darüber die allgemeine Debatte. Erst als sich nie¬ mand zum Worte meldete, ging er auf jede einzelne Frage und zwar zuerst jene der Wahl ein, worauf I)r. Rautcnkranz verbessernd vorschlug, die Rückkehr in die verfassungsmäßigen Bahnen sei zur befriedigenden Kenntniß zu nehmen und mit Bezug auf selbe die Wahl zum verfassungsmäßigen Reichsrath zu be¬ wirken. Es würde zu weit führen, wenn wir den Streit im Einzelnen ver¬ folgen wollten, wir werden uns daher beschränken die Standpunkte zu bezeichnen, die sich beide Theile aneigneten. Auf der Rechten glänzten als Chorführer die beiden Giovanelli und Pater Jäger. Paul v. Giovanelli erklärte' sich als Freund des wahren Verfassungsrechtes und Feind des Absolutismus, worunter er die Negation der bestehenden Rechte verstand. Als solche galt ihm das Februarpatent, das durch Aufhebung der Autonomie der Länder und ihrer Ver¬ tretungskörper, Centralisation der Verwaltung, Hebung der Bö.rse und parla¬ mentarisches Machtgebot den Sta.it an den Rand des Abgrundes gebracht habe. Das Patent vom 2. Jänner pries er als Rückkehr zum Weg des Rechtes, die kaiserliche Entschließung vom 4. Februar als vollständiges Linksum in die alten absolutistischen Bahnen. Die nun in Aussicht gestellte Erweiterung der Auto¬ nomie der Länder und der engere Reichsrath verhielten sich wie Feuer und Wasser. Ohngefähr denselben Ton schlug sein Bruder Ignaz an. Als Beamter, nämlich als k. k. Oberlandesgerichtsrath, stilisirte er zwar seine Angriffe auf die Negierung etwas glimpflicher, doch konnte er es nicht über sich bringen, war¬ nend anzudeuten, daß durch eine Constituante das ganze öffentliche Recht der einzelnen Länder diesseits der Lcitha, die Existenz der Landtage, das Vermögen und die verschiedenen Fonds, alle bestehenden Rechte und Gewohnheiten in Gefahr kämen. Noch weit mehr sei aber die Krone selbst gefährdet. „Die Selbständigkeit und Individualität, der Länder, ihre altcrerbte Treue und An¬ hänglichkeit, das Bewußtsein, an den Stufen des Thrones Schuh zu finden gegen Uebergriffe der Centralisation, das ist," betheuerte er, „der mächtigste Damm gegen die Revolution/' Seltsam, daß immer die Gottseligen am eifrigsten sind, den Teufel an die Wand zu malen. Der Berichterstatter Pater Jäger vertrat die wiener Camarilla. Das Wort „verfassungsmäßig" erschien ihm im Ministenalrescripte „offenbar nur als Wort, nicht als eine Sache". Die authentische Auslegung ergebe sich aus der Stelle, daß es Aufgabe des Reichsraths sei „die nur allzulange andauernde Verfassungskrisis auf einer dem Einverständnisse aller Betheiligten entsprechenden Grundlage zu beenden". Der einzuberufende Reichsrath sei nicht jener des Februarpatents, sondern ein erst zu constituirender, „aus dem ein neuer her¬ vorgehen wird". Jedenfalls eine sehr schwankende Bürgschaft für die Zukunft, die mit dem Systeme der „freien Bahn" zusammenfällt. Aber auch über die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/144>, abgerufen am 24.08.2024.