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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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finde er es, die Negierung zu bekämpfen und ihr doch dienen. Die Regierung
werde unter keinen Umständen von offener moralischer Beeinflussung der
Wahlen abstellen, es sei dies ihr natürliches Recht, und er glaube, daß es
keine Regierung auf der Welt gebe, die sich in dem Momente schlafen lege, wo
das politische Leben im Lande glühe. Bei diesen Worten glitt ihm die Hand
so unsanft auf den Tisch, daß man es im ganzen Saale hörie, und von der
Rechtnr erscholl ein stürmisches Bravo.

Die Erbitterung zwischen den Parteien wuchs bei solchen Reibungen mit
jedem Tage, bei jeder Frage standen wenigstens 29 gegen 21. Dies erstreckte
sich nicht blos auf alle wichtigeren Gegenstände, sondern selbst auf jene von
untergeordnetem Belange, wie z.B. die Bildung der Gruppen, wobei einige
Etschländer zur Vertretung von Nordtirol und Pusterthal gezogen wurden, um
die Liberalen in allen Abtheilungen in die Minorität zu bringen. Parlamen¬
tarischer Brauch galt den Ultramontanen als Versündigung an ihrem Princip,
so zwar, daß Professor Harum, der ein Comite für die Anträge zu den
Reichsrathswahlcn vorgeschlagen hatte, als Mitglied der Linken davon aus-
geschlossen blieb.

' Der schwarze Club, als dessen Großmeister jener harmlose Freiherr Ignaz
v. Giovanelli fungirte, den ich Ihnen früher charakterisiert habe, hatte den
Streich, den er hierbei auszuführen gedachte, schon lange beschlossen. In der
That war er nur eine neue Auflage jener ^beim vorigen Landtage durchgefallenen
Adresse, woran nun die Vornahme der Reichsrathswahlen geknüpft werden
sollte. Man stand diesmal nicht mehr allein, auch die Landtage von Böhmen,
Mähren und Krain drängten zur Schilderhebung für die alte Selbständigkeit
der einzelnen Königreiche und Länder. Graf Leo Thun reichte den tiroler Ultra¬
montanen seine hilfreiche Hand und Graf Brandis, ein Sohn des ehemaligen
jesuitischen Gouverneurs von Tirol, vertrat die alpenhaften Sonderbündlcr auf
dem Slawencongresse in Wien, wo man sich über das gemeinschaftliche Vor¬
gehen einigte. Seitdem war dem Telegraphen zwischen Prag und Innsbruck
die Ruhe hin.

Was die Zukunftspolitiker im Lande der Glaubenseinheit wollten, besagte
ganz unverhohlen ein Programm, das im innsbrucker Pfarrhof und unter
anderen geweihten Händen umlief. Entfernung des lucherischen Ministers Beust
und Einsetzung eines Erzherzogs zum erblichen Statthalter von Tirol, das
beteten diese frommen Herzen. Die Adresse an den Kaiser, die Pater Albert
Jäger für den Landtag verfaßte, drückte sich freilich etwas zurückhaltender aus,
ihren wahren Sinn und Zweck deuteten aber schon die absichtliche Umgehung
der ministeriellen Zuschrift und einige kernige Schlagwörter an.

Zum Beweise, daß die Vornahme der Wahlen in den Reichsrath mit dieser
Adresse nicht nur eng verbunden, sondern schlechtweg durch sie bedingt war,


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finde er es, die Negierung zu bekämpfen und ihr doch dienen. Die Regierung
werde unter keinen Umständen von offener moralischer Beeinflussung der
Wahlen abstellen, es sei dies ihr natürliches Recht, und er glaube, daß es
keine Regierung auf der Welt gebe, die sich in dem Momente schlafen lege, wo
das politische Leben im Lande glühe. Bei diesen Worten glitt ihm die Hand
so unsanft auf den Tisch, daß man es im ganzen Saale hörie, und von der
Rechtnr erscholl ein stürmisches Bravo.

Die Erbitterung zwischen den Parteien wuchs bei solchen Reibungen mit
jedem Tage, bei jeder Frage standen wenigstens 29 gegen 21. Dies erstreckte
sich nicht blos auf alle wichtigeren Gegenstände, sondern selbst auf jene von
untergeordnetem Belange, wie z.B. die Bildung der Gruppen, wobei einige
Etschländer zur Vertretung von Nordtirol und Pusterthal gezogen wurden, um
die Liberalen in allen Abtheilungen in die Minorität zu bringen. Parlamen¬
tarischer Brauch galt den Ultramontanen als Versündigung an ihrem Princip,
so zwar, daß Professor Harum, der ein Comite für die Anträge zu den
Reichsrathswahlcn vorgeschlagen hatte, als Mitglied der Linken davon aus-
geschlossen blieb.

' Der schwarze Club, als dessen Großmeister jener harmlose Freiherr Ignaz
v. Giovanelli fungirte, den ich Ihnen früher charakterisiert habe, hatte den
Streich, den er hierbei auszuführen gedachte, schon lange beschlossen. In der
That war er nur eine neue Auflage jener ^beim vorigen Landtage durchgefallenen
Adresse, woran nun die Vornahme der Reichsrathswahlen geknüpft werden
sollte. Man stand diesmal nicht mehr allein, auch die Landtage von Böhmen,
Mähren und Krain drängten zur Schilderhebung für die alte Selbständigkeit
der einzelnen Königreiche und Länder. Graf Leo Thun reichte den tiroler Ultra¬
montanen seine hilfreiche Hand und Graf Brandis, ein Sohn des ehemaligen
jesuitischen Gouverneurs von Tirol, vertrat die alpenhaften Sonderbündlcr auf
dem Slawencongresse in Wien, wo man sich über das gemeinschaftliche Vor¬
gehen einigte. Seitdem war dem Telegraphen zwischen Prag und Innsbruck
die Ruhe hin.

Was die Zukunftspolitiker im Lande der Glaubenseinheit wollten, besagte
ganz unverhohlen ein Programm, das im innsbrucker Pfarrhof und unter
anderen geweihten Händen umlief. Entfernung des lucherischen Ministers Beust
und Einsetzung eines Erzherzogs zum erblichen Statthalter von Tirol, das
beteten diese frommen Herzen. Die Adresse an den Kaiser, die Pater Albert
Jäger für den Landtag verfaßte, drückte sich freilich etwas zurückhaltender aus,
ihren wahren Sinn und Zweck deuteten aber schon die absichtliche Umgehung
der ministeriellen Zuschrift und einige kernige Schlagwörter an.

Zum Beweise, daß die Vornahme der Wahlen in den Reichsrath mit dieser
Adresse nicht nur eng verbunden, sondern schlechtweg durch sie bedingt war,


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[0143] finde er es, die Negierung zu bekämpfen und ihr doch dienen. Die Regierung werde unter keinen Umständen von offener moralischer Beeinflussung der Wahlen abstellen, es sei dies ihr natürliches Recht, und er glaube, daß es keine Regierung auf der Welt gebe, die sich in dem Momente schlafen lege, wo das politische Leben im Lande glühe. Bei diesen Worten glitt ihm die Hand so unsanft auf den Tisch, daß man es im ganzen Saale hörie, und von der Rechtnr erscholl ein stürmisches Bravo. Die Erbitterung zwischen den Parteien wuchs bei solchen Reibungen mit jedem Tage, bei jeder Frage standen wenigstens 29 gegen 21. Dies erstreckte sich nicht blos auf alle wichtigeren Gegenstände, sondern selbst auf jene von untergeordnetem Belange, wie z.B. die Bildung der Gruppen, wobei einige Etschländer zur Vertretung von Nordtirol und Pusterthal gezogen wurden, um die Liberalen in allen Abtheilungen in die Minorität zu bringen. Parlamen¬ tarischer Brauch galt den Ultramontanen als Versündigung an ihrem Princip, so zwar, daß Professor Harum, der ein Comite für die Anträge zu den Reichsrathswahlcn vorgeschlagen hatte, als Mitglied der Linken davon aus- geschlossen blieb. ' Der schwarze Club, als dessen Großmeister jener harmlose Freiherr Ignaz v. Giovanelli fungirte, den ich Ihnen früher charakterisiert habe, hatte den Streich, den er hierbei auszuführen gedachte, schon lange beschlossen. In der That war er nur eine neue Auflage jener ^beim vorigen Landtage durchgefallenen Adresse, woran nun die Vornahme der Reichsrathswahlen geknüpft werden sollte. Man stand diesmal nicht mehr allein, auch die Landtage von Böhmen, Mähren und Krain drängten zur Schilderhebung für die alte Selbständigkeit der einzelnen Königreiche und Länder. Graf Leo Thun reichte den tiroler Ultra¬ montanen seine hilfreiche Hand und Graf Brandis, ein Sohn des ehemaligen jesuitischen Gouverneurs von Tirol, vertrat die alpenhaften Sonderbündlcr auf dem Slawencongresse in Wien, wo man sich über das gemeinschaftliche Vor¬ gehen einigte. Seitdem war dem Telegraphen zwischen Prag und Innsbruck die Ruhe hin. Was die Zukunftspolitiker im Lande der Glaubenseinheit wollten, besagte ganz unverhohlen ein Programm, das im innsbrucker Pfarrhof und unter anderen geweihten Händen umlief. Entfernung des lucherischen Ministers Beust und Einsetzung eines Erzherzogs zum erblichen Statthalter von Tirol, das beteten diese frommen Herzen. Die Adresse an den Kaiser, die Pater Albert Jäger für den Landtag verfaßte, drückte sich freilich etwas zurückhaltender aus, ihren wahren Sinn und Zweck deuteten aber schon die absichtliche Umgehung der ministeriellen Zuschrift und einige kernige Schlagwörter an. Zum Beweise, daß die Vornahme der Wahlen in den Reichsrath mit dieser Adresse nicht nur eng verbunden, sondern schlechtweg durch sie bedingt war, 18»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/143>, abgerufen am 22.07.2024.