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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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in der Adresse so stark betonten tiroler "Landesrechte" wußte er nicht bessern
Bescheid. Auf die wiederholte Frage mehrer Redner, was er darunter verstehe,
gab er zur Antwort: "Mir steht jene Detaittenntmß unsrer Rechts^ustände nicht
zu Gebote, die nöthig wäre, um die ganze Neide von öffentlichen althergebrachte"
, Rechten vorzuführen." Da es aber nicht unsere Aufgebe ist ein Bauernspiel
zu schreiben, müssen wir es unsern biedern Rechtsherolden selbst überlassen, für
solche famose Offenherzigkeiten Reclame zu machen.

Dem schon oben Gesagten nach vermögen wir uns leider nicht jene ideale
Anschauung anzueignen, die in der Initiative des Ministers Beust ein neues
Morgenroth des Liberalismus erblickt. Möglich, daß man aus Furcht vor der
völligen Zersetzung des Kaiserreichs in seine mittelalterliche Gestaltung noch ein
Bindemittel für die Länder diesseits der Leitha. ein Stück Februarverfassung
gewährt, weil "darin für die Pflege der conservativen Interessen so viel und
Durchgreifendes geschehen ist" wie in keiner anderen, die politische Freiheit wird
aber jedenfalls das Letzte sein, was in Rechnung kommt; dafür sorgen schon die
alten Traditionen, der Klerus und andere Auserwählte. Den "Verfassungs¬
treuen" in Tirol bleibt nur der Trost, in ihrem redlichen Kampfe ausgeharrt zu
haben, ohne Scheu vor jenen Ehrenmännern, welche tie Lumpen, die ihre
Blöße nicht einmal decken, als Fahnentuch des Patriotismus verwerthen. "Ist
es dahin gekommen -- warf ihnen Geyer entgegen -- daß die Deutschen
Tirols sich zu Schleppenträgern der Czechen machen, dann muß künftig auf die
Anklage geschwiegen werden, daß der Ultramontanismus eindeutschend wirke!"
-- Am Schluß der Debatte legte Dr. v. Grebmer für sich und seine Gesinnungs¬
genossen schriftlich Verwahrung ein gegen "die Anschauungen, Voraussetzungen
und Ansprüche der Adresse" und wies jede Betheiligung an derselben zurück.

Hierauf schritt der Landeshauptmann zur Wahl der Reichsrathe. Die Ultra¬
montanen entschieden durch ihre Mehrheit für fünf Geistliche, nämlich den
Probst von Arco Heliodor Degara, der kaum deutsch versteht, den Abt von
Fleche Pirmir Pockstaller, dessen Stimme noch unbekannt war, den Abt von
Marienberg Peter Wiesler. ebenfalls einen stillen Denker, Pater Albert Jäger,
den Anwalt des specifischen Tirolerthums. und den Reügionslebrer Greuter.
Daran reihte sich selbstverständlich Ignaz v. Giovanelli und Dr. Pläner, ein
feiner Kenner der bnxener Weine. Den beiden zur Linken zählenden Wälsch-
tirolern Dr. Leonardi und Baron Prato war nicht auszuweichen, da die Ge- .
meinten wälscher Zunge nur durch drei Abgeordnete vertreten waren, und der
liberale Pfarrer von Rentema Johann Paisolli schon im voraus die Annahme
jeder Wahl abgelehnt hatte. Zum Schluß sprach der Landeshauptmann
or. Haßlwcmter Sr. Excellenz dem Herrn Statthalter seinen Dank aus "für
die offenen, nie einen Zweifel übrig lassenden Erklärungen, die er dem Hause
machte -- so wünscht es der Tiroler!" Es freute ihn, daß in den Reichsrath


in der Adresse so stark betonten tiroler „Landesrechte" wußte er nicht bessern
Bescheid. Auf die wiederholte Frage mehrer Redner, was er darunter verstehe,
gab er zur Antwort: „Mir steht jene Detaittenntmß unsrer Rechts^ustände nicht
zu Gebote, die nöthig wäre, um die ganze Neide von öffentlichen althergebrachte»
, Rechten vorzuführen." Da es aber nicht unsere Aufgebe ist ein Bauernspiel
zu schreiben, müssen wir es unsern biedern Rechtsherolden selbst überlassen, für
solche famose Offenherzigkeiten Reclame zu machen.

Dem schon oben Gesagten nach vermögen wir uns leider nicht jene ideale
Anschauung anzueignen, die in der Initiative des Ministers Beust ein neues
Morgenroth des Liberalismus erblickt. Möglich, daß man aus Furcht vor der
völligen Zersetzung des Kaiserreichs in seine mittelalterliche Gestaltung noch ein
Bindemittel für die Länder diesseits der Leitha. ein Stück Februarverfassung
gewährt, weil „darin für die Pflege der conservativen Interessen so viel und
Durchgreifendes geschehen ist" wie in keiner anderen, die politische Freiheit wird
aber jedenfalls das Letzte sein, was in Rechnung kommt; dafür sorgen schon die
alten Traditionen, der Klerus und andere Auserwählte. Den „Verfassungs¬
treuen" in Tirol bleibt nur der Trost, in ihrem redlichen Kampfe ausgeharrt zu
haben, ohne Scheu vor jenen Ehrenmännern, welche tie Lumpen, die ihre
Blöße nicht einmal decken, als Fahnentuch des Patriotismus verwerthen. „Ist
es dahin gekommen — warf ihnen Geyer entgegen — daß die Deutschen
Tirols sich zu Schleppenträgern der Czechen machen, dann muß künftig auf die
Anklage geschwiegen werden, daß der Ultramontanismus eindeutschend wirke!"
— Am Schluß der Debatte legte Dr. v. Grebmer für sich und seine Gesinnungs¬
genossen schriftlich Verwahrung ein gegen „die Anschauungen, Voraussetzungen
und Ansprüche der Adresse" und wies jede Betheiligung an derselben zurück.

Hierauf schritt der Landeshauptmann zur Wahl der Reichsrathe. Die Ultra¬
montanen entschieden durch ihre Mehrheit für fünf Geistliche, nämlich den
Probst von Arco Heliodor Degara, der kaum deutsch versteht, den Abt von
Fleche Pirmir Pockstaller, dessen Stimme noch unbekannt war, den Abt von
Marienberg Peter Wiesler. ebenfalls einen stillen Denker, Pater Albert Jäger,
den Anwalt des specifischen Tirolerthums. und den Reügionslebrer Greuter.
Daran reihte sich selbstverständlich Ignaz v. Giovanelli und Dr. Pläner, ein
feiner Kenner der bnxener Weine. Den beiden zur Linken zählenden Wälsch-
tirolern Dr. Leonardi und Baron Prato war nicht auszuweichen, da die Ge- .
meinten wälscher Zunge nur durch drei Abgeordnete vertreten waren, und der
liberale Pfarrer von Rentema Johann Paisolli schon im voraus die Annahme
jeder Wahl abgelehnt hatte. Zum Schluß sprach der Landeshauptmann
or. Haßlwcmter Sr. Excellenz dem Herrn Statthalter seinen Dank aus „für
die offenen, nie einen Zweifel übrig lassenden Erklärungen, die er dem Hause
machte — so wünscht es der Tiroler!" Es freute ihn, daß in den Reichsrath


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/145>, abgerufen am 05.02.2025.