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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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die Angriffe derer nicht als besonders mächtig erwiesen, die wie Grundrecht
von Harburg und Niggers (Berlin) jener bedeutungsvollen Sonderstellung
schon jetzt zu Gunsten der norddeutschen unbedingten Zollcinheit ein Ende ge¬
macht sehen wollten. Andererseits hat die von demokratischer Seite (Becker
und Schraps) ausgehende und unterstützte Bekämpfung der Vereinigung und
Monopolisirung des Post- und Telegraphenwesens in der Hand der Präsidial-
macht nicht den geringsten praktischen Erfolg zu erzielen vermocht. Über¬
raschender als die hierbei von den Gegnern des Entwurfs zu Tage geförderten
Anschauungen waren freilich diejenigen, welche grade von Seiten einiger Ver¬
treter unserer norddeutschen Küstenlande, von den Herren Schleiden und Chapeau-
rouge, gegen eine so populäre Einrichtung von so zweifelloser Wichtigkeit für
Größe und materielles Wohl der Nation, wie die Bundesmarine es ist, vor¬
gebracht wurden. Sie blieben damit natürlich sehr vereinsamt und der einzige
Effect ihrer seltsamen Ausführungen war eine allgemeine Verwunderung. --
Daß der Besitzer der Volkszeitung, Herr Franz Duncker, der "von seines Daches
Zinnen" bei jeder findbarc" Gelegenheit ein kolossales schwarzrotgoldenes
Banner wehen läßt, ruht versäumen würde, gelegentlich der zur Bundes-,
Handels- und Kriegsflagge gewählten neuen norddeutschen Tricolore, eine Lanze
für die geliebten "ehrwürdigen Farben des deutschen Reichs" einzulegen, war
sicher vorauszusehen. Seit letztere aber die Käppis der Italiener des neipperg-
schen Corps geschmückt haben, ist ihnen bei uns so viel von der ehemaligen
Bolkethümlichkcit verloren gegangen, daß es Herrn Dunckcrs begeisterter Befür¬
wortung nicht gelingen wollte, die Herzen in dieser Versammlung für sie zu
erwärmen und wir es uns gefallen lassen müssen, künftighin das Schwarzweiß-
roth von unseren Masten wehen zu sehen, jedenfalls eine sehr angenehme und
bedeutungsvolle, wenn auch weniger prächtige Farbencombination.

In anderthalb Sitzungen war diese ganze Masse von Verhandlungs-
arbeitsstoff aufgeräumt und beseitigt. Das Haus konnte am Mittwoch bereits
an das Hauptstück des Ganzen Herangehen und in die Generaldebatte über
den Abschnitt vom Bundeskriegswesen eintreten. Seiner Natur nach mußte
dieser Gegenstand die besten Kräfte der Parteien zu Widerstand und Ver¬
theidigung wachrufen. Die Führung der letztern, welche in den vorangegangenen
Wochen fast ausschließlich dem Grafen Bismarck zugefallen war, übernahm nun
Herr v. Roon und auch seine Gegner werden ihm zugestehen, daß er diese Rolle
mit nicht geringerer Energie, Geschicklichkeit und Talent durchführte, als sein
College die seine. Eine Unterstützung, welche den. Debatten dieser Tage eine
ganz originelle und charakteristische Färbung gab, wurde dem Kriegsminister
dabei durch die berühmten Feldherren, welche uns das allgemeine Wahlrecht in
den Reichstag gesandt hat. Daß Generale, und haben sie auch die größten


die Angriffe derer nicht als besonders mächtig erwiesen, die wie Grundrecht
von Harburg und Niggers (Berlin) jener bedeutungsvollen Sonderstellung
schon jetzt zu Gunsten der norddeutschen unbedingten Zollcinheit ein Ende ge¬
macht sehen wollten. Andererseits hat die von demokratischer Seite (Becker
und Schraps) ausgehende und unterstützte Bekämpfung der Vereinigung und
Monopolisirung des Post- und Telegraphenwesens in der Hand der Präsidial-
macht nicht den geringsten praktischen Erfolg zu erzielen vermocht. Über¬
raschender als die hierbei von den Gegnern des Entwurfs zu Tage geförderten
Anschauungen waren freilich diejenigen, welche grade von Seiten einiger Ver¬
treter unserer norddeutschen Küstenlande, von den Herren Schleiden und Chapeau-
rouge, gegen eine so populäre Einrichtung von so zweifelloser Wichtigkeit für
Größe und materielles Wohl der Nation, wie die Bundesmarine es ist, vor¬
gebracht wurden. Sie blieben damit natürlich sehr vereinsamt und der einzige
Effect ihrer seltsamen Ausführungen war eine allgemeine Verwunderung. —
Daß der Besitzer der Volkszeitung, Herr Franz Duncker, der „von seines Daches
Zinnen" bei jeder findbarc» Gelegenheit ein kolossales schwarzrotgoldenes
Banner wehen läßt, ruht versäumen würde, gelegentlich der zur Bundes-,
Handels- und Kriegsflagge gewählten neuen norddeutschen Tricolore, eine Lanze
für die geliebten „ehrwürdigen Farben des deutschen Reichs" einzulegen, war
sicher vorauszusehen. Seit letztere aber die Käppis der Italiener des neipperg-
schen Corps geschmückt haben, ist ihnen bei uns so viel von der ehemaligen
Bolkethümlichkcit verloren gegangen, daß es Herrn Dunckcrs begeisterter Befür¬
wortung nicht gelingen wollte, die Herzen in dieser Versammlung für sie zu
erwärmen und wir es uns gefallen lassen müssen, künftighin das Schwarzweiß-
roth von unseren Masten wehen zu sehen, jedenfalls eine sehr angenehme und
bedeutungsvolle, wenn auch weniger prächtige Farbencombination.

In anderthalb Sitzungen war diese ganze Masse von Verhandlungs-
arbeitsstoff aufgeräumt und beseitigt. Das Haus konnte am Mittwoch bereits
an das Hauptstück des Ganzen Herangehen und in die Generaldebatte über
den Abschnitt vom Bundeskriegswesen eintreten. Seiner Natur nach mußte
dieser Gegenstand die besten Kräfte der Parteien zu Widerstand und Ver¬
theidigung wachrufen. Die Führung der letztern, welche in den vorangegangenen
Wochen fast ausschließlich dem Grafen Bismarck zugefallen war, übernahm nun
Herr v. Roon und auch seine Gegner werden ihm zugestehen, daß er diese Rolle
mit nicht geringerer Energie, Geschicklichkeit und Talent durchführte, als sein
College die seine. Eine Unterstützung, welche den. Debatten dieser Tage eine
ganz originelle und charakteristische Färbung gab, wurde dem Kriegsminister
dabei durch die berühmten Feldherren, welche uns das allgemeine Wahlrecht in
den Reichstag gesandt hat. Daß Generale, und haben sie auch die größten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/122>, abgerufen am 24.08.2024.