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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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der ganze Pulsschlag in den Reden und Debatten merklich lebhafter geworden,
als während der Verhandlungen der vorangegangenen Wochen.

Der erste Tag dieses Monats wurde durch eine parlamentarische Scene
von besonderer Feierlichkeit eingeleitet: die Jnterpellation Bennigsens wegen
der luxemburger Angelegenheit. Sie erfolgte in der würdigen und nachdrück¬
lichen Weise, die man bei dem Führer der Nationalpartei ebenso zu erwarten
berechtigt war, als sie zumal bei einer solchen Veranlassung unerläßlich ist, wo
wirklich einmal die. man muß es zugeben, bereits ziemlich abgebrauchte Redens¬
art, daß "die Augen Europas auf diese Tribüne gerichtet sind", eine buchstäb¬
liche Wahrheit einschloß. Wenn oft genug Zweifel erhoben worden sind an der
gleich großen Geneigtheit aller Mitglieder dieses Hauses und ihrer Committenten,
den norddeutschen Bund, wie ihn der Rcgierungscntwurf vorzeichnet, verwirk¬
lichen zu helfen, so mochte die Art, wie die Versammlung Bennigsens Rede
aufnahm, wenigstens den Beweis liefern, daß in der Liebe des Rutschen Vater¬
landes, in stolzem Naüonalgefühl und in der festen Entschlossenheit, jeden An¬
griff auf Ehre und Besitz unsers Volks mit allen Kräften desselben zurückzuweisen,
keine Partei im Parlament von der andern überboten wird. Die Antwort des
Grafen Bismarck, der diesem mit so lebhafter Begeisterung laut gewordenen
Patriotismus seine herzliche Anerkennung nicht versagte, war, wie es derartige
Erklärungen von solcher Stelle in solchem Stadium einer noch nicht zum Ab¬
schluß gelangten internationalen Frage zu sein Pflegen, nichts direct entscheidend,
das Geheimniß der schwebenden Verhandlungen discret genug wahrend, aber
sie erweckte doch bei aller Schonung der französischen Empfindlichkeit die Zu¬
versicht, daß in jedem Fall Interessen und Ehre Deutschlands in d.r preußischen
Regierung ihren wachsamen starken Schützer und Wahrer finden würden.

Damit war diese Episode erledigt. Daß es auch die Frage selbst sei, welche
dieselbe hervorrief, wer wollte es mit Gewißheit zu behaupten wagen, sieht
doch alles weit mehr nach einem Vertagen und Hinausschieben einer schließlich
unvermeidlich werdenden ernsten Lösung aus. al<> nach einem wirtlichen ehrlichen
Verzicht von Seite derjenigen, welche sie heraufbeschworen hatten. Die Ver¬
sammlung aber ging wieder an die Fortsetzung des Tagewerks, zu dem sie
speciell berufen ist: zunächst an die Berathung der Artikel vom Zollgebiet des
Bundes, vom Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwescn, von der Kriegsmarine,
der Schiffahrt und den Konsulaten. In allen diesen Dingen fand die prin¬
cipielle Opposition eigentlich keine rechte Gelegenheit, gegen die Bestimmungen
des Entwurfs vorzugehen. Die vorläufige Wahrung der Freihafcnstellung der
Hansestädte, wie sie in diesem enthalten ist, fand in Sloman von Hamburg,
in Meier von Bremen und besonders in dem Bundescommissar für letztere
Stadt, Herrn Krüger, beredte und überzeugende Vertheidiger, gegen welche sich


der ganze Pulsschlag in den Reden und Debatten merklich lebhafter geworden,
als während der Verhandlungen der vorangegangenen Wochen.

Der erste Tag dieses Monats wurde durch eine parlamentarische Scene
von besonderer Feierlichkeit eingeleitet: die Jnterpellation Bennigsens wegen
der luxemburger Angelegenheit. Sie erfolgte in der würdigen und nachdrück¬
lichen Weise, die man bei dem Führer der Nationalpartei ebenso zu erwarten
berechtigt war, als sie zumal bei einer solchen Veranlassung unerläßlich ist, wo
wirklich einmal die. man muß es zugeben, bereits ziemlich abgebrauchte Redens¬
art, daß „die Augen Europas auf diese Tribüne gerichtet sind", eine buchstäb¬
liche Wahrheit einschloß. Wenn oft genug Zweifel erhoben worden sind an der
gleich großen Geneigtheit aller Mitglieder dieses Hauses und ihrer Committenten,
den norddeutschen Bund, wie ihn der Rcgierungscntwurf vorzeichnet, verwirk¬
lichen zu helfen, so mochte die Art, wie die Versammlung Bennigsens Rede
aufnahm, wenigstens den Beweis liefern, daß in der Liebe des Rutschen Vater¬
landes, in stolzem Naüonalgefühl und in der festen Entschlossenheit, jeden An¬
griff auf Ehre und Besitz unsers Volks mit allen Kräften desselben zurückzuweisen,
keine Partei im Parlament von der andern überboten wird. Die Antwort des
Grafen Bismarck, der diesem mit so lebhafter Begeisterung laut gewordenen
Patriotismus seine herzliche Anerkennung nicht versagte, war, wie es derartige
Erklärungen von solcher Stelle in solchem Stadium einer noch nicht zum Ab¬
schluß gelangten internationalen Frage zu sein Pflegen, nichts direct entscheidend,
das Geheimniß der schwebenden Verhandlungen discret genug wahrend, aber
sie erweckte doch bei aller Schonung der französischen Empfindlichkeit die Zu¬
versicht, daß in jedem Fall Interessen und Ehre Deutschlands in d.r preußischen
Regierung ihren wachsamen starken Schützer und Wahrer finden würden.

Damit war diese Episode erledigt. Daß es auch die Frage selbst sei, welche
dieselbe hervorrief, wer wollte es mit Gewißheit zu behaupten wagen, sieht
doch alles weit mehr nach einem Vertagen und Hinausschieben einer schließlich
unvermeidlich werdenden ernsten Lösung aus. al<> nach einem wirtlichen ehrlichen
Verzicht von Seite derjenigen, welche sie heraufbeschworen hatten. Die Ver¬
sammlung aber ging wieder an die Fortsetzung des Tagewerks, zu dem sie
speciell berufen ist: zunächst an die Berathung der Artikel vom Zollgebiet des
Bundes, vom Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwescn, von der Kriegsmarine,
der Schiffahrt und den Konsulaten. In allen diesen Dingen fand die prin¬
cipielle Opposition eigentlich keine rechte Gelegenheit, gegen die Bestimmungen
des Entwurfs vorzugehen. Die vorläufige Wahrung der Freihafcnstellung der
Hansestädte, wie sie in diesem enthalten ist, fand in Sloman von Hamburg,
in Meier von Bremen und besonders in dem Bundescommissar für letztere
Stadt, Herrn Krüger, beredte und überzeugende Vertheidiger, gegen welche sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/121>, abgerufen am 22.07.2024.