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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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vielmehr seinerseits die fundamentale Destructiv" des mecklenburgischen
Feudalstaats übernehmen wird.

In der Ueberzeugung von der umbildenden Kraft, welche die Bundesver¬
fassung auf die staatlichen Institutionen Mecklenburgs ausüben werde, begegnen
sich die feudale Opposition auf dem mecklenburgischen Landtage und die mecklen¬
burgische liberale Partei. Die Einwirkung der Bundesverfassung auf Mecklen¬
burg und deren Konsequenzen sind in einem Vortrage, mit welchem ein Mit¬
glied dieser letzteren Partei, der Vertreter des sechsten mecklenburg-schwerinschcn
Neichswahlkreises. Dr. Julius Wiggers, am 1. Juni zu Rostock seine Be-
richterstattung über den Reichstag abschloß, eingehend erörtert worden. Die
Hoffnungen, welche die liberale Partei in Mecklenburg an die Bundesverfassung
bezüglich der inneren Verhältnisse dieses Landes knüpft, werden in folgender
auszüglichen Mittheilung aus dem bezeichneten Vortrage, die wir dem Bericht
der "Rostocker Zeitung" entnehmen, ausgesprochen und begründet:

"Schon der Umstand, daß Mecklenburg mit den übrigen Bundesländern
in eine engere Gemeinschaft getreten und an der Volksvertretung im Reichstage
betheiligt ist, trägt den Keim weittragender Umgestaltungen in sich. Es hat
schon auf dem berathenden Reichstage durch gewählte Abgeordnete seine Stimme
erhoben, seine Klagen und Beschwerden vorbringen und dadurch die Aufmerk¬
samkeit auf dieselben lenken können. Was in dieser Richtung bereits auf dem
ersten Reichstage geschehen ist. wird seine Früchte tragen, auch wenn dieselben
zur Zeit noch nicht in sichtbarer und greifbarer Gestalt vor uns liegen. Von
der Thatsache, daß Mecklenburg an der Gesetzgebung, der Besteuerung und der
Feststellung des Haushalts des Bundesstaates durch gewählte Abgeordnete be¬
theiligt ist, daß die mecklenburgische Bevölkerung also als reif anerkannt wird,
bei diesen gemeinsamen Angelegenheiten durch Männer ihrer freien Wahl mit¬
zuwirken, wird sodann die Logik dahin führen, daß man der Bevölkerung auch
die Befähigung zuspricht, in gleicher Weise auf die Angelegenheiten des Landes
einen Einfluß zu üben. Das allgemeine gleiche Wahlrecht wird auch bei der
Landes- und der Gemeindevertretung zur Geltung gelangen. Hat man dieser
Bevölkerung das Grundrecht der Wahl ihrer Vertreter im Reichstage ge¬
währt, so wird man schwerlich umhin können, auch die Bedingungen zu gewäh¬
ren, welche von einer angemessenen Ausübung dieses Rechts unzertrennlich sind,
das Recht der Erörterung politischer Fragen in Vereinen und Versammlungen.
Die rege politische Gemeinschaft mit den Bevölkerungen der anderen Bundesstaaten
legt auch die Vergleichung der beiderseitigen politischen Rechte sehr nahe. Was
in den übrigen Ländern an politischen Freiheiten und Rechten vorhanden ist,
kann uns nicht mehr vorenthalten werden. Sollten wir in Bezug hierauf
schlechter gestellt werden, so würde darin ein ungünstiges Urtheil über unsern
gesetzlichen Sinn und unsere politische Reife liegen, welches niemand und am


vielmehr seinerseits die fundamentale Destructiv« des mecklenburgischen
Feudalstaats übernehmen wird.

In der Ueberzeugung von der umbildenden Kraft, welche die Bundesver¬
fassung auf die staatlichen Institutionen Mecklenburgs ausüben werde, begegnen
sich die feudale Opposition auf dem mecklenburgischen Landtage und die mecklen¬
burgische liberale Partei. Die Einwirkung der Bundesverfassung auf Mecklen¬
burg und deren Konsequenzen sind in einem Vortrage, mit welchem ein Mit¬
glied dieser letzteren Partei, der Vertreter des sechsten mecklenburg-schwerinschcn
Neichswahlkreises. Dr. Julius Wiggers, am 1. Juni zu Rostock seine Be-
richterstattung über den Reichstag abschloß, eingehend erörtert worden. Die
Hoffnungen, welche die liberale Partei in Mecklenburg an die Bundesverfassung
bezüglich der inneren Verhältnisse dieses Landes knüpft, werden in folgender
auszüglichen Mittheilung aus dem bezeichneten Vortrage, die wir dem Bericht
der „Rostocker Zeitung" entnehmen, ausgesprochen und begründet:

„Schon der Umstand, daß Mecklenburg mit den übrigen Bundesländern
in eine engere Gemeinschaft getreten und an der Volksvertretung im Reichstage
betheiligt ist, trägt den Keim weittragender Umgestaltungen in sich. Es hat
schon auf dem berathenden Reichstage durch gewählte Abgeordnete seine Stimme
erhoben, seine Klagen und Beschwerden vorbringen und dadurch die Aufmerk¬
samkeit auf dieselben lenken können. Was in dieser Richtung bereits auf dem
ersten Reichstage geschehen ist. wird seine Früchte tragen, auch wenn dieselben
zur Zeit noch nicht in sichtbarer und greifbarer Gestalt vor uns liegen. Von
der Thatsache, daß Mecklenburg an der Gesetzgebung, der Besteuerung und der
Feststellung des Haushalts des Bundesstaates durch gewählte Abgeordnete be¬
theiligt ist, daß die mecklenburgische Bevölkerung also als reif anerkannt wird,
bei diesen gemeinsamen Angelegenheiten durch Männer ihrer freien Wahl mit¬
zuwirken, wird sodann die Logik dahin führen, daß man der Bevölkerung auch
die Befähigung zuspricht, in gleicher Weise auf die Angelegenheiten des Landes
einen Einfluß zu üben. Das allgemeine gleiche Wahlrecht wird auch bei der
Landes- und der Gemeindevertretung zur Geltung gelangen. Hat man dieser
Bevölkerung das Grundrecht der Wahl ihrer Vertreter im Reichstage ge¬
währt, so wird man schwerlich umhin können, auch die Bedingungen zu gewäh¬
ren, welche von einer angemessenen Ausübung dieses Rechts unzertrennlich sind,
das Recht der Erörterung politischer Fragen in Vereinen und Versammlungen.
Die rege politische Gemeinschaft mit den Bevölkerungen der anderen Bundesstaaten
legt auch die Vergleichung der beiderseitigen politischen Rechte sehr nahe. Was
in den übrigen Ländern an politischen Freiheiten und Rechten vorhanden ist,
kann uns nicht mehr vorenthalten werden. Sollten wir in Bezug hierauf
schlechter gestellt werden, so würde darin ein ungünstiges Urtheil über unsern
gesetzlichen Sinn und unsere politische Reife liegen, welches niemand und am


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/81>, abgerufen am 15.01.2025.