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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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war die Schrift doch zu Anfang des IM es 1764 vollendet. Sie sollte -- cha-
rakteristisch genug -- Mengs dedicirt werden als Gegengabe für dessen
"Gedanken über die Schönheit" (1762), welche Winckelmann gewidmet worden
waren. Den Plan, sie lieber italienisch herauszugeben, der durch die Verstim¬
mung über den langsamen Druck der Kunstgeschichte veranlaßt war, ließ er bald
fallen; im April 1764 ward sie dem Dresdner Verleger Walther zugesagt, jedoch
war Winckelmanns Liebe zu der Arbeit so groß, "daß er sie noch einige Zeit
für sich allein genießen wollte, um etwas für sich zu behalten." Dieser Auf¬
schub gab den Anlaß zu einer völligen Umarbeitung. Den Sommer jenes Jahres
brachte Winckelmann wie gewöhnlich in der herrlichen Villa des Kardinals Al<
bani zu. Es herrschte ein tolles Treiben um ihn her; trotz eines Unwohlseins
des Kardinals ward die Villa nie leer, oft blieben über sechzig Personen zum
Abendessen da und "die Fresserei, das Tanzen, Spielen und Singen" ward
endlich so arg, daß der Papst selbst ein Einsehen haben mußte. Mitten in
dieser tobenden Umgebung, von der sich Winckelmann ganz fern hielt, schrieb
er nicht blos seine "Nachrichten von den neuesten herkulgnischen Entdeckungen",
sondern brachte.nun auch die Allegorie in eine ganz neue Form. Die Anord¬
nung ward zum Theil geändert, namentlich kam ein allgemeines, einleitendes
Capitel hinzu, der Umfang ward beträchtlich erweitert, und die Dedication an
Mengs aufgegeben, da eine vorübergehende Erkältung der Freundschaft einge¬
treten war; die neugestifiete sächsische Akademie der schönen Künste sollte an
seine Stelle treten. Indessen auch letztere Absicht ließ Winckelmann wieder
fallen; er wollte nun die Schuft ohne Dedication und ohne Namen des Ver¬
fassers herausgeben. Grade als die Arbeit endlich abgeschlossen war und nach
Dresden abgehen sollte, im December 1764, erhielt Winckelmann von Heyne
die Nachricht, daß die göttinger Societät der Wissenschaften ihn zu ihrem Mit-
gliede gemacht habe. So entstand der Plan, die Lieblingsarbeit aus Dankbar¬
keit dieser Gesellschaft zu widmen. Da Winckelmann hoffte bis zum Herbst den
Druck vollendet zu sehen, sandte er am 30. März 1765 nach Göttingen ein
lateinisches Danksagungs- und Widmungsschreiben, weiches Otto Jahr kürzlich
in seinen biographischen Aulsätzen herausgegeben und Tischendorf danach hat
abdrucken lassen. Er begleitete dies mit einem Schreiben an den Secretär der
Gesellschaft Johann Philipp Murrey, welches in den gedruckten Briefsammlun-
gen fehlt; es wird erlaubt sein dasselbe nach einem von Ad. Michaelis kürzlich
herausgegebenen fliegenden Blatt hier mitzutheilen. Es lautet:


Wrci'jboten III. 1867.6?

war die Schrift doch zu Anfang des IM es 1764 vollendet. Sie sollte — cha-
rakteristisch genug — Mengs dedicirt werden als Gegengabe für dessen
„Gedanken über die Schönheit" (1762), welche Winckelmann gewidmet worden
waren. Den Plan, sie lieber italienisch herauszugeben, der durch die Verstim¬
mung über den langsamen Druck der Kunstgeschichte veranlaßt war, ließ er bald
fallen; im April 1764 ward sie dem Dresdner Verleger Walther zugesagt, jedoch
war Winckelmanns Liebe zu der Arbeit so groß, „daß er sie noch einige Zeit
für sich allein genießen wollte, um etwas für sich zu behalten." Dieser Auf¬
schub gab den Anlaß zu einer völligen Umarbeitung. Den Sommer jenes Jahres
brachte Winckelmann wie gewöhnlich in der herrlichen Villa des Kardinals Al<
bani zu. Es herrschte ein tolles Treiben um ihn her; trotz eines Unwohlseins
des Kardinals ward die Villa nie leer, oft blieben über sechzig Personen zum
Abendessen da und „die Fresserei, das Tanzen, Spielen und Singen" ward
endlich so arg, daß der Papst selbst ein Einsehen haben mußte. Mitten in
dieser tobenden Umgebung, von der sich Winckelmann ganz fern hielt, schrieb
er nicht blos seine „Nachrichten von den neuesten herkulgnischen Entdeckungen",
sondern brachte.nun auch die Allegorie in eine ganz neue Form. Die Anord¬
nung ward zum Theil geändert, namentlich kam ein allgemeines, einleitendes
Capitel hinzu, der Umfang ward beträchtlich erweitert, und die Dedication an
Mengs aufgegeben, da eine vorübergehende Erkältung der Freundschaft einge¬
treten war; die neugestifiete sächsische Akademie der schönen Künste sollte an
seine Stelle treten. Indessen auch letztere Absicht ließ Winckelmann wieder
fallen; er wollte nun die Schuft ohne Dedication und ohne Namen des Ver¬
fassers herausgeben. Grade als die Arbeit endlich abgeschlossen war und nach
Dresden abgehen sollte, im December 1764, erhielt Winckelmann von Heyne
die Nachricht, daß die göttinger Societät der Wissenschaften ihn zu ihrem Mit-
gliede gemacht habe. So entstand der Plan, die Lieblingsarbeit aus Dankbar¬
keit dieser Gesellschaft zu widmen. Da Winckelmann hoffte bis zum Herbst den
Druck vollendet zu sehen, sandte er am 30. März 1765 nach Göttingen ein
lateinisches Danksagungs- und Widmungsschreiben, weiches Otto Jahr kürzlich
in seinen biographischen Aulsätzen herausgegeben und Tischendorf danach hat
abdrucken lassen. Er begleitete dies mit einem Schreiben an den Secretär der
Gesellschaft Johann Philipp Murrey, welches in den gedruckten Briefsammlun-
gen fehlt; es wird erlaubt sein dasselbe nach einem von Ad. Michaelis kürzlich
herausgegebenen fliegenden Blatt hier mitzutheilen. Es lautet:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/507>, abgerufen am 15.01.2025.