Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Neservebataillone, die in Friedenszeiten den Dienst der früheren "inneren Wache" Hand in Hand mit den Maßregeln, welche diese neue Ordnung begründete, Der Haupttheil des Werks, über welches diese Blätter berichten, hat es Neservebataillone, die in Friedenszeiten den Dienst der früheren „inneren Wache" Hand in Hand mit den Maßregeln, welche diese neue Ordnung begründete, Der Haupttheil des Werks, über welches diese Blätter berichten, hat es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0500" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191730"/> <p xml:id="ID_1491" prev="#ID_1490"> Neservebataillone, die in Friedenszeiten den Dienst der früheren „inneren Wache"<lb/> verrichten und nur in Kriegszeiten vollständig completirt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1492"> Hand in Hand mit den Maßregeln, welche diese neue Ordnung begründete,<lb/> gingen verschiedene Bestimmungen, welche auf die Verbesserung der materiellen<lb/> und moralischen Stellung des russischen Soldaten abzielten. Die relative Kürze<lb/> der Dienstzeit, die sichere Aussicht darauf, bei guter Führung schon nach wenigen<lb/> Jahren als Reservist beurlaubt zu werden, minderten die Schrecken, welche bis<lb/> dahin das Loos, als Gemeiner in die russische Armee gesteckt zu werden, um¬<lb/> geben hatten. Die Decentralisation der Verwaltung ermöglichte eine sorgfäl¬<lb/> tigere Verpflegung und Beköstigung, so daß die Sterblichkeit in der Armee, die<lb/> im Jahre 18SL 66Vs von je 1000 Mann betragen hatte, binnen wenigen Jahren auf<lb/> 19'/- sank. Von großer Wichtigkeit war es endlich, daß die bereits früher we¬<lb/> sentlich eingeschränkte Körperstrafe im Jahre 1863 fast vollständig abgeschafft d.h.<lb/> auf die Strafclasse beschränkt wurde. — Im ersten Feuer des Enthusiasmus<lb/> für eine möglichst rasche Besserung der russischen Militärzustände bildeten sich<lb/> in der Zeit der Hochfluth des Petersburger Liberalismus in zahlreichen Regi¬<lb/> mentern Sonntagsschulen, an deren Spitze sich die Offiziere stellten. Wie ver¬<lb/> sichert wird, sind dieselben nicht ganz ohne Nutzen gewesen; nach einem Tages¬<lb/> befehl des Obercommandirenden der Garde, vom 20. März 1861, kamen nach<lb/> zweijähriger Wirksamkeit jener Anstalten auf je 100 Gardesoldaten in der<lb/> Artillerie 84 des Lesens und Schreibens Kundige, in der Infanterie 68, in der<lb/> Kavallerie 58. In dem'Corps der finnländischen Scharfschützen und der Gardeflott¬<lb/> equipage konnten (wie derselbe Tagesbefehl angab) alle Soldaten schreiben und<lb/> lesen; für besonders bildungseifrig gelten die Offiziere des Garde-Sappeur-<lb/> nnd Pionnicrcorps. Diese hatten ihre gesammte Truppe in Classen getheilt und<lb/> nicht nur im Lesen und Schreiben, sondern in der Arithmetik, Geometrie, Geo¬<lb/> graphie, allgemeinen Geschichte u. s. w. unterrichtet. Die bekannten Maifeuers¬<lb/> brünste vom Jahre 1862 machten diesen Bestrebungen ein plötzliches Ende.<lb/> Da es sich herausstellte, daß in verschiedenen Sonntagsschulen und namentlich<lb/> in der Schule der reitenden Gardepionniere Planmäßig socialistische Lehren ver¬<lb/> breitet worden waren, wurden dieselben ausnahmslos für Militär- wie für<lb/> Civilpersonen verboten und — so viel uns bekannt — nicht wieder hergestellt.<lb/> Immerhin steht es fest, daß die moralische Stellung des russischen Soldaten<lb/> eine gegen früher vollständig veränderte ist. seitdem die Befugniß jedes Lieute¬<lb/> nants zur Decretirung von Körperstrafen aufgehört hat und die Ideen des<lb/> Liberalismus und der Humanität auch in die russischen Offiziercorps gedrungen<lb/> sind, freilich sehr häufig zu socialistischen Ueberschwänglichkeiten verzerrt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1493" next="#ID_1494"> Der Haupttheil des Werks, über welches diese Blätter berichten, hat es<lb/> nicht mit der Darstellung der Vergangenheit der russischen Armee und der<lb/> jüngsten mit derselben vorgenommenen Veränderungen zu thun, sondern mit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0500]
Neservebataillone, die in Friedenszeiten den Dienst der früheren „inneren Wache"
verrichten und nur in Kriegszeiten vollständig completirt werden.
Hand in Hand mit den Maßregeln, welche diese neue Ordnung begründete,
gingen verschiedene Bestimmungen, welche auf die Verbesserung der materiellen
und moralischen Stellung des russischen Soldaten abzielten. Die relative Kürze
der Dienstzeit, die sichere Aussicht darauf, bei guter Führung schon nach wenigen
Jahren als Reservist beurlaubt zu werden, minderten die Schrecken, welche bis
dahin das Loos, als Gemeiner in die russische Armee gesteckt zu werden, um¬
geben hatten. Die Decentralisation der Verwaltung ermöglichte eine sorgfäl¬
tigere Verpflegung und Beköstigung, so daß die Sterblichkeit in der Armee, die
im Jahre 18SL 66Vs von je 1000 Mann betragen hatte, binnen wenigen Jahren auf
19'/- sank. Von großer Wichtigkeit war es endlich, daß die bereits früher we¬
sentlich eingeschränkte Körperstrafe im Jahre 1863 fast vollständig abgeschafft d.h.
auf die Strafclasse beschränkt wurde. — Im ersten Feuer des Enthusiasmus
für eine möglichst rasche Besserung der russischen Militärzustände bildeten sich
in der Zeit der Hochfluth des Petersburger Liberalismus in zahlreichen Regi¬
mentern Sonntagsschulen, an deren Spitze sich die Offiziere stellten. Wie ver¬
sichert wird, sind dieselben nicht ganz ohne Nutzen gewesen; nach einem Tages¬
befehl des Obercommandirenden der Garde, vom 20. März 1861, kamen nach
zweijähriger Wirksamkeit jener Anstalten auf je 100 Gardesoldaten in der
Artillerie 84 des Lesens und Schreibens Kundige, in der Infanterie 68, in der
Kavallerie 58. In dem'Corps der finnländischen Scharfschützen und der Gardeflott¬
equipage konnten (wie derselbe Tagesbefehl angab) alle Soldaten schreiben und
lesen; für besonders bildungseifrig gelten die Offiziere des Garde-Sappeur-
nnd Pionnicrcorps. Diese hatten ihre gesammte Truppe in Classen getheilt und
nicht nur im Lesen und Schreiben, sondern in der Arithmetik, Geometrie, Geo¬
graphie, allgemeinen Geschichte u. s. w. unterrichtet. Die bekannten Maifeuers¬
brünste vom Jahre 1862 machten diesen Bestrebungen ein plötzliches Ende.
Da es sich herausstellte, daß in verschiedenen Sonntagsschulen und namentlich
in der Schule der reitenden Gardepionniere Planmäßig socialistische Lehren ver¬
breitet worden waren, wurden dieselben ausnahmslos für Militär- wie für
Civilpersonen verboten und — so viel uns bekannt — nicht wieder hergestellt.
Immerhin steht es fest, daß die moralische Stellung des russischen Soldaten
eine gegen früher vollständig veränderte ist. seitdem die Befugniß jedes Lieute¬
nants zur Decretirung von Körperstrafen aufgehört hat und die Ideen des
Liberalismus und der Humanität auch in die russischen Offiziercorps gedrungen
sind, freilich sehr häufig zu socialistischen Ueberschwänglichkeiten verzerrt.
Der Haupttheil des Werks, über welches diese Blätter berichten, hat es
nicht mit der Darstellung der Vergangenheit der russischen Armee und der
jüngsten mit derselben vorgenommenen Veränderungen zu thun, sondern mit
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