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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Vorschlägen zur Begründung eines neuen Wehrsystems, dessen Grundzüge, all¬
gemeine Dienstpflicht, Adoption des Cantonnirungssystems und 12jährige Dienst¬
zeit (3V, Jahre activen Dienstes und ^jährigen Zuzählung zur Reserve) sind.
Nach Ansicht des Autors ist dieses System das einzige, durch welches Rußland
eine seiner politischen Bedeutung und geographischen Ausdehnung entsprechende
Wehrkraft erhalten könne; ein der Größe der Armeen Preußens, Frankreichs,
Oestreichs u. s. w. entsprechendes stehendes Heer im alten Sinne des Worts
zu erhalten, sei für Nußland aus wirthschaftlichen wie finanziellen Grün¬
den nicht möglich, es gebe keine andere Zuflucht, als die zu dem Institut der
Milizen. Nach einer Berechnung des Autors, deren Einzelheiten wir übersehen,
bedarf Nußland im Kriegsfall zur Deckung seiner Grenzen 400,000 Mann
und zwar: zum Schutz der Ostseeküste 9 Divisionen (zu je 12 Bataillone), für
Polen und die (ehemals polnischen) Wcstprovinzen 13V- Divisionen (für Warschau
allein ist 1 Diviston gerechnet) -- zum Schutz der Küsten des schwarzen Meeres
6 Divisionen, für den Kaukasus 5, zur Deckung des weißen Meeres eine halbe
Division; circa 80,000 Mann wären außerdem für den Dienst im Innern des
Reiches nothwendig. Um Rußlands Heerwesen so zu erhöhen, daß es alleil
Anforderungen genüge, schlägt der Verf. eine (mit Hilfe des Milizsystems ver¬
mittelte) Erhöhung in nachstehendem Maßstabe vor:


[Beginn Spaltensatz]
Es sind vorhanden:
Infanterie S60 Bataillons.
Grenadiere 76 "
Schützen 28 "
Reguläre Reiterei 260 Schwadronen.
Miliz

[Spaltenumbruch]
Es sollten sein:
729 Bataillons.
81 "
69 "
328 Schwadronen.
497 Bataillons.
[Ende Spaltensatz]

Diese Ziffern reichen hin, eine Vorstellung von dem Umfang des Plans
zu ermöglichen,' auf welchen der Verfasser es absieht; beigelegt ist demselben
eine umständliche, aber etwas gewagte Berechnung, nach welcher die Erhöhung
des Militärbudgets eine unbedeutende wäre. Außerdem macht der General
Fadejew eine Anzahl Borschläge zur Veränderung der Bewaffnung und Beklei¬
dung der Truppen; indem er den Hinterladern, deren Einführung bereits be¬
trieben wird, alle Anerkennung zollt, wünscht er, daß der nationalen Neigung
zum EinHauen mit dem Kolben möglichst Rechnung getragen werde; da der
Kolben dem russischen Soldaten lieber sei als das Vajonnet, müsse er möglichst
schwer und solid gearbeitet werden. Das Pistol will er dagegen (für den Gemei¬
nen, auch der Kavallerie) vollständig abgeschafft und durch eine gezogene Büchse
ersetzt sehen, da der Russe sich niemals an die erstere Waffe, welche ein großes
Maß von Geschicklichkeit erfordere, gewöhnen werde. Die Artilleristen sollen
nicht mit Säbeln, sondern mit langen Dolchen, nach dem Muster des lesgiru.
schen, bewaffnet werden. Was das schwere Geschütz anlangt, so hat bezüglich


62*

Vorschlägen zur Begründung eines neuen Wehrsystems, dessen Grundzüge, all¬
gemeine Dienstpflicht, Adoption des Cantonnirungssystems und 12jährige Dienst¬
zeit (3V, Jahre activen Dienstes und ^jährigen Zuzählung zur Reserve) sind.
Nach Ansicht des Autors ist dieses System das einzige, durch welches Rußland
eine seiner politischen Bedeutung und geographischen Ausdehnung entsprechende
Wehrkraft erhalten könne; ein der Größe der Armeen Preußens, Frankreichs,
Oestreichs u. s. w. entsprechendes stehendes Heer im alten Sinne des Worts
zu erhalten, sei für Nußland aus wirthschaftlichen wie finanziellen Grün¬
den nicht möglich, es gebe keine andere Zuflucht, als die zu dem Institut der
Milizen. Nach einer Berechnung des Autors, deren Einzelheiten wir übersehen,
bedarf Nußland im Kriegsfall zur Deckung seiner Grenzen 400,000 Mann
und zwar: zum Schutz der Ostseeküste 9 Divisionen (zu je 12 Bataillone), für
Polen und die (ehemals polnischen) Wcstprovinzen 13V- Divisionen (für Warschau
allein ist 1 Diviston gerechnet) — zum Schutz der Küsten des schwarzen Meeres
6 Divisionen, für den Kaukasus 5, zur Deckung des weißen Meeres eine halbe
Division; circa 80,000 Mann wären außerdem für den Dienst im Innern des
Reiches nothwendig. Um Rußlands Heerwesen so zu erhöhen, daß es alleil
Anforderungen genüge, schlägt der Verf. eine (mit Hilfe des Milizsystems ver¬
mittelte) Erhöhung in nachstehendem Maßstabe vor:


[Beginn Spaltensatz]
Es sind vorhanden:
Infanterie S60 Bataillons.
Grenadiere 76 „
Schützen 28 „
Reguläre Reiterei 260 Schwadronen.
Miliz

[Spaltenumbruch]
Es sollten sein:
729 Bataillons.
81 „
69 „
328 Schwadronen.
497 Bataillons.
[Ende Spaltensatz]

Diese Ziffern reichen hin, eine Vorstellung von dem Umfang des Plans
zu ermöglichen,' auf welchen der Verfasser es absieht; beigelegt ist demselben
eine umständliche, aber etwas gewagte Berechnung, nach welcher die Erhöhung
des Militärbudgets eine unbedeutende wäre. Außerdem macht der General
Fadejew eine Anzahl Borschläge zur Veränderung der Bewaffnung und Beklei¬
dung der Truppen; indem er den Hinterladern, deren Einführung bereits be¬
trieben wird, alle Anerkennung zollt, wünscht er, daß der nationalen Neigung
zum EinHauen mit dem Kolben möglichst Rechnung getragen werde; da der
Kolben dem russischen Soldaten lieber sei als das Vajonnet, müsse er möglichst
schwer und solid gearbeitet werden. Das Pistol will er dagegen (für den Gemei¬
nen, auch der Kavallerie) vollständig abgeschafft und durch eine gezogene Büchse
ersetzt sehen, da der Russe sich niemals an die erstere Waffe, welche ein großes
Maß von Geschicklichkeit erfordere, gewöhnen werde. Die Artilleristen sollen
nicht mit Säbeln, sondern mit langen Dolchen, nach dem Muster des lesgiru.
schen, bewaffnet werden. Was das schwere Geschütz anlangt, so hat bezüglich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/501>, abgerufen am 15.01.2025.