Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Tüchtigkeit im Gefecht, sondern schmuckes Aussehen und maschinale Manoeuvri" Daß es mit diesen Neformversuchen, wenn überhaupt, nur sehr langsam Tüchtigkeit im Gefecht, sondern schmuckes Aussehen und maschinale Manoeuvri» Daß es mit diesen Neformversuchen, wenn überhaupt, nur sehr langsam <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0497" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191727"/> <p xml:id="ID_1484" prev="#ID_1483"> Tüchtigkeit im Gefecht, sondern schmuckes Aussehen und maschinale Manoeuvri»<lb/> fähigkcit bei der Parade gewesen war. Die Folgen des Eigensinns, mit wel¬<lb/> chem man bei der alten Soldatenspiclerei verharrt war, lagen für alle, welche<lb/> die Krimfeldzüge mitgemacht hatten, so direct aus der Hand, daß man sofort<lb/> nach Abschluß des Friedens und lange bevor an die Emancipation und die<lb/> übrigen großen Reformen gegangen wurde, eine Umgestaltung des Heerwesens<lb/> vornahm, insoweit dieselbe bei dem Fortbestehen der übrigen verrotteten Uebel<lb/> des russischen Staatslebens möglich war: neben der Reorganisation der acht<lb/> Armeecorps des activen Heeres, von denen einzelne fast ausschließlich aus in<lb/> der Eile zusammengereihten Nescrvcbatailloncn bestanden hatten, war auch die<lb/> Vermehrung derselben nothwendig geworden, da .es vor der Hand nicht möglich<lb/> war, mit der größeren Beweglichkeit der auf kleinere Terrains beschränkten, von<lb/> Eisenbahnen unterstützten Armeen der übrigen europäischen Staaten anders, als<lb/> durch numerische Überlegenheit über dieselben, zu concurriren. Verpflegung und<lb/> Bewaffnung, Organisation und Exercierrcglement, alles sollte anders werden,<lb/> denn alles hatte sich unbrauchbar bewiesen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1485" next="#ID_1486"> Daß es mit diesen Neformversuchen, wenn überhaupt, nur sehr langsam<lb/> und allmälig vorwärts ging, versteht sich von selbst. Die Hauptschwierigkeit<lb/> bestand darin, Offiziere und Mannschaften, welche im alten Schlendrian ergraut<lb/> waren, ihr Leben lang das Schultern des Gewehrs für wichtiger gehalten hatten,<lb/> als die Benutzung desselben zur Schußwaffe, denen ein kunstrecht ausgeführter<lb/> Ceremonialmarsch wichtiger gewesen war als die Uebung in Schlachtmanveuvern,<lb/> — diese an ein neues, aus praktische Zwecke und auf Entwickelung der Schlag¬<lb/> fertigkeit gerichtetes System zu gewöhnen. Man mußte sich lange Zeit hindurch<lb/> zufrieden geben, wenn neben dem alten das neue Reglement überhaupt in<lb/> Uebung kam, wenn die Offiziere von den Übeln Gewohnheiten des alten Systems,<lb/> das die Mannschaften ohne allen Nutzen geplagt hatte, allmälig ließen; aus<lb/> den einzelnen Regimentern lebendige, von einem Geist geleitete und doch nicht<lb/> zu todten Maschinen herabgesunkcne Organismen mit individuellem Gepräge zu<lb/> machen, konnte erst möglich werden, als die Generation der alten Gamaschen¬<lb/> diener ausstarb oder verabschiedet wurde, bildungsfähige jüngere Offiziere an ihre<lb/> Stelle treten und die Subalternoffiziere, welche im Krimkriege etwas gelernt<lb/> hatten, allmälig zu Regiments- und Bataillonscommandeuren hinaufrückten.<lb/> Nicht besser ging es mit den Versuchen zur Umgestaltung der Heereseintheilung<lb/> und zur Bildung neuer Truppenkörper, welche den Uebergang vom Fnedens-<lb/> zum Kriegspräsenzstande vermitteln sollten. Jedem Regiment wurde ein Ne-<lb/> Wvebataillon beigegeben, das sich, sobald der Kriegszustand eintrat, zu einem<lb/> neuen Regiment desselben Namens umformen und erweitern sollte, um den<lb/> Präsenzstand der activen Armee auf diese Weise zu verdoppeln. Man sah in¬<lb/> dessen bald ein, daß mit diesen Auskunftsmitteln wenig gewonnen sei, daß die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0497]
Tüchtigkeit im Gefecht, sondern schmuckes Aussehen und maschinale Manoeuvri»
fähigkcit bei der Parade gewesen war. Die Folgen des Eigensinns, mit wel¬
chem man bei der alten Soldatenspiclerei verharrt war, lagen für alle, welche
die Krimfeldzüge mitgemacht hatten, so direct aus der Hand, daß man sofort
nach Abschluß des Friedens und lange bevor an die Emancipation und die
übrigen großen Reformen gegangen wurde, eine Umgestaltung des Heerwesens
vornahm, insoweit dieselbe bei dem Fortbestehen der übrigen verrotteten Uebel
des russischen Staatslebens möglich war: neben der Reorganisation der acht
Armeecorps des activen Heeres, von denen einzelne fast ausschließlich aus in
der Eile zusammengereihten Nescrvcbatailloncn bestanden hatten, war auch die
Vermehrung derselben nothwendig geworden, da .es vor der Hand nicht möglich
war, mit der größeren Beweglichkeit der auf kleinere Terrains beschränkten, von
Eisenbahnen unterstützten Armeen der übrigen europäischen Staaten anders, als
durch numerische Überlegenheit über dieselben, zu concurriren. Verpflegung und
Bewaffnung, Organisation und Exercierrcglement, alles sollte anders werden,
denn alles hatte sich unbrauchbar bewiesen.
Daß es mit diesen Neformversuchen, wenn überhaupt, nur sehr langsam
und allmälig vorwärts ging, versteht sich von selbst. Die Hauptschwierigkeit
bestand darin, Offiziere und Mannschaften, welche im alten Schlendrian ergraut
waren, ihr Leben lang das Schultern des Gewehrs für wichtiger gehalten hatten,
als die Benutzung desselben zur Schußwaffe, denen ein kunstrecht ausgeführter
Ceremonialmarsch wichtiger gewesen war als die Uebung in Schlachtmanveuvern,
— diese an ein neues, aus praktische Zwecke und auf Entwickelung der Schlag¬
fertigkeit gerichtetes System zu gewöhnen. Man mußte sich lange Zeit hindurch
zufrieden geben, wenn neben dem alten das neue Reglement überhaupt in
Uebung kam, wenn die Offiziere von den Übeln Gewohnheiten des alten Systems,
das die Mannschaften ohne allen Nutzen geplagt hatte, allmälig ließen; aus
den einzelnen Regimentern lebendige, von einem Geist geleitete und doch nicht
zu todten Maschinen herabgesunkcne Organismen mit individuellem Gepräge zu
machen, konnte erst möglich werden, als die Generation der alten Gamaschen¬
diener ausstarb oder verabschiedet wurde, bildungsfähige jüngere Offiziere an ihre
Stelle treten und die Subalternoffiziere, welche im Krimkriege etwas gelernt
hatten, allmälig zu Regiments- und Bataillonscommandeuren hinaufrückten.
Nicht besser ging es mit den Versuchen zur Umgestaltung der Heereseintheilung
und zur Bildung neuer Truppenkörper, welche den Uebergang vom Fnedens-
zum Kriegspräsenzstande vermitteln sollten. Jedem Regiment wurde ein Ne-
Wvebataillon beigegeben, das sich, sobald der Kriegszustand eintrat, zu einem
neuen Regiment desselben Namens umformen und erweitern sollte, um den
Präsenzstand der activen Armee auf diese Weise zu verdoppeln. Man sah in¬
dessen bald ein, daß mit diesen Auskunftsmitteln wenig gewonnen sei, daß die
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