Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.schlägt, wollen wir versuchen, ein flüchtig skizzirtes Bild der Vergangenheit und Wie alle übrigen Zweige der Administration Rußlands, so hat auch der 61*
schlägt, wollen wir versuchen, ein flüchtig skizzirtes Bild der Vergangenheit und Wie alle übrigen Zweige der Administration Rußlands, so hat auch der 61*
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schlägt, wollen wir versuchen, ein flüchtig skizzirtes Bild der Vergangenheit und
Gegenwart der russischen Armee zu entwerfen.
Wie alle übrigen Zweige der Administration Rußlands, so hat auch der
militärische seine erste bestimmte Organisation durch Peter den Großen erhallen.
Freilich beschränkte dieselbe sich auf eine rein äußerliche Nachahmung der In¬
stitutionen, welche der Reformator im Westen kennen gelernt hatte. — von
einem lebendigen Zusammenhang der militärischen Einrichtungen mit den bür¬
gerlichen, einer Berücksichtigung der Gewohnheiten und Eigenthümlichkeiim der
Nation, welcher man das Material für die zu bildende Armee entnahm, war
nicht die Rede. Wo diese natürlichen Bedingungen sich dennoch geltend machten,
geschah das vorzugsweise in negativer Weise d.h. die unberücksichtigt gebliebenen
nationalen und politischen Eigenthümlichkeiten der Nüssen (z. B, die Leibeigen¬
schaft) kreuzten und hemmten die Konsolidation aus dem Westen importirter
Hinrichtungen, welche für sie nicht paßten. Erst in der zweiten Hälfte
des achtzehnten Jahrhunderts, nach den langjährigen Kämpfen gegen
Türken und Polen, welche während der Regierung Elisabeths und Ka-
tharinens der Zweiten geführt worden waren, gewannen unter bedeutenden
Führern wie Rumjänzow und Suworow die nationalen Elemente einen gewissen
Einfluß, bildete sich eine bestimmte Tradition der russischen Armee heraus.
Aber schon in den neunziger Jahren gerieth diese in Stocken; Kaiser Paul, der
in allem dem Beispiele seines Vaters Peter des Dritten folgte, führte die
inzwischen längst veralteten Militäreinrichtungen Preußens aus der Zeit Fried¬
richs des Großen wieder ein, ahmte in pedantischester Weise all die Details
nach, auf welche sein großes Vorbild dreißig Jahre früher Gewicht gelegt
hatte und erstickte die Anfänge eines nationalen Heerwesens im Keime, ohne etwas
Lebensfähiges an ihre Stelle zu setzen. Die sogenannte preußische Schule hat
die russische Armee, bis in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts beherrscht;
ihre charakteristische Eigenthümlichkeit war der blinde Glaube an die Allmacht
des Reglements und der Jnstructionen, die Unfähigkeit, das Kriegswesen nach
seinem organischen Zusammenhang mit den übrigen Einrichtungen des Staats
und den Eigenthümlichkeiten der Nation zu erfassen. Man gewöhnte sich daran,
den Hauptwerth aus gleichgiltige Äußerlichkeiten zu legen und die Armee zum
Object von Experimenten zu machen, die den zweideutigen Borzug hatten, in
kmiwa vüi vorgenommen zu werden. Das ungeheuerlichste dieser Experimente,
jener Versuch des General Araktschejew, die russischen Soldaten „nach Art der
Meder und Aegypter" in Militärcolonien anzusiedeln, scheiterte zwar an dem
Passiver Widerstände der unglücklichen Opfer dieses widersinnigen, in Rußland
noch heute unvergessenen Unternehmens, das in der That typisch war für die
Barbarei und den Unverstand des russischen imoieu r6Al'M«z, aber das System,
dem er entsprungen war, dauerte noch lange fort. Während nahezu eine Mil-
61*
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