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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Kleinstaaterei tausend Umstände und Ereignisse auffinden, die uns klarmachen,
wie alles so kommen mußte, weil de> Begriff des Staates längst auf diese
staatenähniichen Gebilde nicht mehr anzuwenden war. Und mit seltenem Ge¬
schicke haben kleine deutsche Fürsten und Staatsmänner in diesem Kampfe gegen
die Windmühlen immer dahin gestochen, wo kein Feind stand. Die äußere
Politik, das Recht des Kriegs und des Friedens, die Gesetzgebung in Handels¬
und Verkehrssachcn, war den Prärogativen dieser Kronen abhanden gekommen,
desto gewaltiger meinte man in der Verwaltung zu sein. bis auch hier gemein¬
same Maßregeln aller, widerwillig eingegangen, der Willkür gewisse Schranken
setzten. Man hatte sich stets in dem Wahn erhalten, daß nur eine kleine Zahl
von Leuten, Gegner jedes Staatswesens, Demokraten und gleiche Menschen,
beständig an dem Staate bohrten, um seinen Untergang zu beschleunigen und
sah nicht, wie die ganze Richtung der Zeit, wie Cultur und Sitte, Bildung
und Wissen. Handel und Verkehr einträchtig an den bunten Grenzpfählen un¬
serer vielen Vaterländer rüttelten.

Wo war da die Souveränität geblieben, als man nicht einmal mehr eine
Eisenbahn nach eigenem Belieben bauen konnte, weil der böse Nachbar anders
wollte und diese Eisenbahn nun doch innerhalb der Landesgrenzen nicht existi-
ren konnte? Wo war die Machtvollkommenheit, wenn man Zünfte und der¬
gleichen Zopf abschaffen mußte, weil die benachbarten Städte und Städtchen
unter dem Schutze der Gewerbefreiheit die Kundschaft des ganzen Ländchens
gewonnen hatten?

Und gar, wo war die Souveränität hingekommen, als man nicht mehr
seine eigenen Münzen schlagen sollte, sondern in Schrot und Korn, in Durch¬
messer und Dicke, in Avers und Revers sich bestimmten Vorschriften beugen
mußte?

Dafür konnte auch das Symbol der Münzhoheit, der Kopf des Regen¬
ten auf dem Avers nicht entschädigen. Der Untnschied war einmal ver¬
schwunden zwischen dem großherzoglich hessischen rend dem herzoglich nassauischen
Gulden.

Und endlich, das ist die Ironie der Geschichte, mußte der souveräne Her¬
zog von Nassau sein eigenes Bildniß auf den Avers des preußischen Thalers
setzen. Das war die Eroberung, die der preußische Thaler gemacht hat.

Bei weitem der größte Theil der Grenzen des ehemaligen Herzogthums
Nassau stößt aus altpreußische Lande, und es war natürlich, daß sein Handel
und Verkehr dahin ging; wenn das kleine Land seine Producte bei dem großen
Nachbar absetzen wollte, so mußte es sich naturgemäß diesem bequemen, sonst
hätte der Nachbar andere Bezugsquellen aufgesucht. Darum geschah es ohne
Wunder, daß man bald in allen Landestheilen, mehr oder weniger, je nach der
Lage, viel ja fast ausschließlich preußisches Geld im Verkehr sah, zumal ein Nassau-


Kleinstaaterei tausend Umstände und Ereignisse auffinden, die uns klarmachen,
wie alles so kommen mußte, weil de> Begriff des Staates längst auf diese
staatenähniichen Gebilde nicht mehr anzuwenden war. Und mit seltenem Ge¬
schicke haben kleine deutsche Fürsten und Staatsmänner in diesem Kampfe gegen
die Windmühlen immer dahin gestochen, wo kein Feind stand. Die äußere
Politik, das Recht des Kriegs und des Friedens, die Gesetzgebung in Handels¬
und Verkehrssachcn, war den Prärogativen dieser Kronen abhanden gekommen,
desto gewaltiger meinte man in der Verwaltung zu sein. bis auch hier gemein¬
same Maßregeln aller, widerwillig eingegangen, der Willkür gewisse Schranken
setzten. Man hatte sich stets in dem Wahn erhalten, daß nur eine kleine Zahl
von Leuten, Gegner jedes Staatswesens, Demokraten und gleiche Menschen,
beständig an dem Staate bohrten, um seinen Untergang zu beschleunigen und
sah nicht, wie die ganze Richtung der Zeit, wie Cultur und Sitte, Bildung
und Wissen. Handel und Verkehr einträchtig an den bunten Grenzpfählen un¬
serer vielen Vaterländer rüttelten.

Wo war da die Souveränität geblieben, als man nicht einmal mehr eine
Eisenbahn nach eigenem Belieben bauen konnte, weil der böse Nachbar anders
wollte und diese Eisenbahn nun doch innerhalb der Landesgrenzen nicht existi-
ren konnte? Wo war die Machtvollkommenheit, wenn man Zünfte und der¬
gleichen Zopf abschaffen mußte, weil die benachbarten Städte und Städtchen
unter dem Schutze der Gewerbefreiheit die Kundschaft des ganzen Ländchens
gewonnen hatten?

Und gar, wo war die Souveränität hingekommen, als man nicht mehr
seine eigenen Münzen schlagen sollte, sondern in Schrot und Korn, in Durch¬
messer und Dicke, in Avers und Revers sich bestimmten Vorschriften beugen
mußte?

Dafür konnte auch das Symbol der Münzhoheit, der Kopf des Regen¬
ten auf dem Avers nicht entschädigen. Der Untnschied war einmal ver¬
schwunden zwischen dem großherzoglich hessischen rend dem herzoglich nassauischen
Gulden.

Und endlich, das ist die Ironie der Geschichte, mußte der souveräne Her¬
zog von Nassau sein eigenes Bildniß auf den Avers des preußischen Thalers
setzen. Das war die Eroberung, die der preußische Thaler gemacht hat.

Bei weitem der größte Theil der Grenzen des ehemaligen Herzogthums
Nassau stößt aus altpreußische Lande, und es war natürlich, daß sein Handel
und Verkehr dahin ging; wenn das kleine Land seine Producte bei dem großen
Nachbar absetzen wollte, so mußte es sich naturgemäß diesem bequemen, sonst
hätte der Nachbar andere Bezugsquellen aufgesucht. Darum geschah es ohne
Wunder, daß man bald in allen Landestheilen, mehr oder weniger, je nach der
Lage, viel ja fast ausschließlich preußisches Geld im Verkehr sah, zumal ein Nassau-


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[0471] Kleinstaaterei tausend Umstände und Ereignisse auffinden, die uns klarmachen, wie alles so kommen mußte, weil de> Begriff des Staates längst auf diese staatenähniichen Gebilde nicht mehr anzuwenden war. Und mit seltenem Ge¬ schicke haben kleine deutsche Fürsten und Staatsmänner in diesem Kampfe gegen die Windmühlen immer dahin gestochen, wo kein Feind stand. Die äußere Politik, das Recht des Kriegs und des Friedens, die Gesetzgebung in Handels¬ und Verkehrssachcn, war den Prärogativen dieser Kronen abhanden gekommen, desto gewaltiger meinte man in der Verwaltung zu sein. bis auch hier gemein¬ same Maßregeln aller, widerwillig eingegangen, der Willkür gewisse Schranken setzten. Man hatte sich stets in dem Wahn erhalten, daß nur eine kleine Zahl von Leuten, Gegner jedes Staatswesens, Demokraten und gleiche Menschen, beständig an dem Staate bohrten, um seinen Untergang zu beschleunigen und sah nicht, wie die ganze Richtung der Zeit, wie Cultur und Sitte, Bildung und Wissen. Handel und Verkehr einträchtig an den bunten Grenzpfählen un¬ serer vielen Vaterländer rüttelten. Wo war da die Souveränität geblieben, als man nicht einmal mehr eine Eisenbahn nach eigenem Belieben bauen konnte, weil der böse Nachbar anders wollte und diese Eisenbahn nun doch innerhalb der Landesgrenzen nicht existi- ren konnte? Wo war die Machtvollkommenheit, wenn man Zünfte und der¬ gleichen Zopf abschaffen mußte, weil die benachbarten Städte und Städtchen unter dem Schutze der Gewerbefreiheit die Kundschaft des ganzen Ländchens gewonnen hatten? Und gar, wo war die Souveränität hingekommen, als man nicht mehr seine eigenen Münzen schlagen sollte, sondern in Schrot und Korn, in Durch¬ messer und Dicke, in Avers und Revers sich bestimmten Vorschriften beugen mußte? Dafür konnte auch das Symbol der Münzhoheit, der Kopf des Regen¬ ten auf dem Avers nicht entschädigen. Der Untnschied war einmal ver¬ schwunden zwischen dem großherzoglich hessischen rend dem herzoglich nassauischen Gulden. Und endlich, das ist die Ironie der Geschichte, mußte der souveräne Her¬ zog von Nassau sein eigenes Bildniß auf den Avers des preußischen Thalers setzen. Das war die Eroberung, die der preußische Thaler gemacht hat. Bei weitem der größte Theil der Grenzen des ehemaligen Herzogthums Nassau stößt aus altpreußische Lande, und es war natürlich, daß sein Handel und Verkehr dahin ging; wenn das kleine Land seine Producte bei dem großen Nachbar absetzen wollte, so mußte es sich naturgemäß diesem bequemen, sonst hätte der Nachbar andere Bezugsquellen aufgesucht. Darum geschah es ohne Wunder, daß man bald in allen Landestheilen, mehr oder weniger, je nach der Lage, viel ja fast ausschließlich preußisches Geld im Verkehr sah, zumal ein Nassau-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/471>, abgerufen am 15.01.2025.