Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

haben mit den gegenwärtig in Sheffield wie überhaupt in England ans Tages¬
licht gekommenen Verbrechen allerdings noch nichts zu thun; nichts desto weniger
sind sie schon jetzt als Gefahren anzusehen, welche die normale wirthschaftliche
Entwickelung unseres Welttheils zu stören drohen. Pflicht auch der deutschen
Presse wird es sein, die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Gefahren zu lenken.




Der Preußische Thaler als Eroberer.

Vor den glorreichen Feldzügen des Jahres 1866, die dem deutschen Staate
Preußen so schöne Länder und vor allem die nöthige Achtung erworben haben,
lange vor dieser Zeit war schon der preußische Thaler still und geräusch¬
los ausgezogen auf Eroberungen gegen Osten und Westen, nördlich und süd¬
lich und von einem dieser Siegeszuge, dessen Geschichte mir näher liegt, will
ich dem verehrten Leser erzählen. Es ist grade kein merkwürdiges Ereigniß,
dessen Darstellung ich beabsichtige, aber doch ein kleiner Beitrag zum Verständ¬
niß der deutschen Entwicklungsgeschichte.

Was im Jahre 1866 geschehen, erscheint Vielen heute noch als ein uner¬
warteter Schlag des Schicksals, den niemand von sich hätte abwehren können,
unberechnet und unberechenbar, ein Sturm, der daher gefahren kam und alles
vor sich niederwarf. Aber was bestehen will, das muß auch schon einen Sturm
aushalten können, man habe es denn aufgerichtet in der Region ewiger Wind¬
stille. Wenn der Apfel vom Baume fällt, ist er entweder reif oder wurm¬
stichig, der Wind hat seinen Sturz beschleunigt; der Fall selbst aber war na¬
turnothwendig!

Die 1866 gefallenen deutschen Souveränitäten -- es dürften darunter auch
solche zu rechnen sein, die anscheinend noch stehen -- hatten schon lange vor
diesem gesegneten Sturm sehr harte Kämpfe bestanden um ihre Souveränität
und waren nicht unverletzt daraus hervorgegangen. Der Mantel staatlicher
Selbständigkeit und fürstlicher Souveränität hatte schon lange arge Löcher erhalten
und die Lappen, die man darauf klebte, reichten nicht aus. um die defecten
Stellen unsichtbar zu machen. Wir werden, wenn wir alles objectiver und ru¬
higer betrachten, vielleicht noch lange, lange Zeit in der Geschichte deutscher


haben mit den gegenwärtig in Sheffield wie überhaupt in England ans Tages¬
licht gekommenen Verbrechen allerdings noch nichts zu thun; nichts desto weniger
sind sie schon jetzt als Gefahren anzusehen, welche die normale wirthschaftliche
Entwickelung unseres Welttheils zu stören drohen. Pflicht auch der deutschen
Presse wird es sein, die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Gefahren zu lenken.




Der Preußische Thaler als Eroberer.

Vor den glorreichen Feldzügen des Jahres 1866, die dem deutschen Staate
Preußen so schöne Länder und vor allem die nöthige Achtung erworben haben,
lange vor dieser Zeit war schon der preußische Thaler still und geräusch¬
los ausgezogen auf Eroberungen gegen Osten und Westen, nördlich und süd¬
lich und von einem dieser Siegeszuge, dessen Geschichte mir näher liegt, will
ich dem verehrten Leser erzählen. Es ist grade kein merkwürdiges Ereigniß,
dessen Darstellung ich beabsichtige, aber doch ein kleiner Beitrag zum Verständ¬
niß der deutschen Entwicklungsgeschichte.

Was im Jahre 1866 geschehen, erscheint Vielen heute noch als ein uner¬
warteter Schlag des Schicksals, den niemand von sich hätte abwehren können,
unberechnet und unberechenbar, ein Sturm, der daher gefahren kam und alles
vor sich niederwarf. Aber was bestehen will, das muß auch schon einen Sturm
aushalten können, man habe es denn aufgerichtet in der Region ewiger Wind¬
stille. Wenn der Apfel vom Baume fällt, ist er entweder reif oder wurm¬
stichig, der Wind hat seinen Sturz beschleunigt; der Fall selbst aber war na¬
turnothwendig!

Die 1866 gefallenen deutschen Souveränitäten — es dürften darunter auch
solche zu rechnen sein, die anscheinend noch stehen — hatten schon lange vor
diesem gesegneten Sturm sehr harte Kämpfe bestanden um ihre Souveränität
und waren nicht unverletzt daraus hervorgegangen. Der Mantel staatlicher
Selbständigkeit und fürstlicher Souveränität hatte schon lange arge Löcher erhalten
und die Lappen, die man darauf klebte, reichten nicht aus. um die defecten
Stellen unsichtbar zu machen. Wir werden, wenn wir alles objectiver und ru¬
higer betrachten, vielleicht noch lange, lange Zeit in der Geschichte deutscher


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0470" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191700"/>
          <p xml:id="ID_1390" prev="#ID_1389"> haben mit den gegenwärtig in Sheffield wie überhaupt in England ans Tages¬<lb/>
licht gekommenen Verbrechen allerdings noch nichts zu thun; nichts desto weniger<lb/>
sind sie schon jetzt als Gefahren anzusehen, welche die normale wirthschaftliche<lb/>
Entwickelung unseres Welttheils zu stören drohen. Pflicht auch der deutschen<lb/>
Presse wird es sein, die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Gefahren zu lenken.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Preußische Thaler als Eroberer.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1391"> Vor den glorreichen Feldzügen des Jahres 1866, die dem deutschen Staate<lb/>
Preußen so schöne Länder und vor allem die nöthige Achtung erworben haben,<lb/>
lange vor dieser Zeit war schon der preußische Thaler still und geräusch¬<lb/>
los ausgezogen auf Eroberungen gegen Osten und Westen, nördlich und süd¬<lb/>
lich und von einem dieser Siegeszuge, dessen Geschichte mir näher liegt, will<lb/>
ich dem verehrten Leser erzählen. Es ist grade kein merkwürdiges Ereigniß,<lb/>
dessen Darstellung ich beabsichtige, aber doch ein kleiner Beitrag zum Verständ¬<lb/>
niß der deutschen Entwicklungsgeschichte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1392"> Was im Jahre 1866 geschehen, erscheint Vielen heute noch als ein uner¬<lb/>
warteter Schlag des Schicksals, den niemand von sich hätte abwehren können,<lb/>
unberechnet und unberechenbar, ein Sturm, der daher gefahren kam und alles<lb/>
vor sich niederwarf. Aber was bestehen will, das muß auch schon einen Sturm<lb/>
aushalten können, man habe es denn aufgerichtet in der Region ewiger Wind¬<lb/>
stille. Wenn der Apfel vom Baume fällt, ist er entweder reif oder wurm¬<lb/>
stichig, der Wind hat seinen Sturz beschleunigt; der Fall selbst aber war na¬<lb/>
turnothwendig!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1393" next="#ID_1394"> Die 1866 gefallenen deutschen Souveränitäten &#x2014; es dürften darunter auch<lb/>
solche zu rechnen sein, die anscheinend noch stehen &#x2014; hatten schon lange vor<lb/>
diesem gesegneten Sturm sehr harte Kämpfe bestanden um ihre Souveränität<lb/>
und waren nicht unverletzt daraus hervorgegangen. Der Mantel staatlicher<lb/>
Selbständigkeit und fürstlicher Souveränität hatte schon lange arge Löcher erhalten<lb/>
und die Lappen, die man darauf klebte, reichten nicht aus. um die defecten<lb/>
Stellen unsichtbar zu machen. Wir werden, wenn wir alles objectiver und ru¬<lb/>
higer betrachten, vielleicht noch lange, lange Zeit in der Geschichte deutscher</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0470] haben mit den gegenwärtig in Sheffield wie überhaupt in England ans Tages¬ licht gekommenen Verbrechen allerdings noch nichts zu thun; nichts desto weniger sind sie schon jetzt als Gefahren anzusehen, welche die normale wirthschaftliche Entwickelung unseres Welttheils zu stören drohen. Pflicht auch der deutschen Presse wird es sein, die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Gefahren zu lenken. Der Preußische Thaler als Eroberer. Vor den glorreichen Feldzügen des Jahres 1866, die dem deutschen Staate Preußen so schöne Länder und vor allem die nöthige Achtung erworben haben, lange vor dieser Zeit war schon der preußische Thaler still und geräusch¬ los ausgezogen auf Eroberungen gegen Osten und Westen, nördlich und süd¬ lich und von einem dieser Siegeszuge, dessen Geschichte mir näher liegt, will ich dem verehrten Leser erzählen. Es ist grade kein merkwürdiges Ereigniß, dessen Darstellung ich beabsichtige, aber doch ein kleiner Beitrag zum Verständ¬ niß der deutschen Entwicklungsgeschichte. Was im Jahre 1866 geschehen, erscheint Vielen heute noch als ein uner¬ warteter Schlag des Schicksals, den niemand von sich hätte abwehren können, unberechnet und unberechenbar, ein Sturm, der daher gefahren kam und alles vor sich niederwarf. Aber was bestehen will, das muß auch schon einen Sturm aushalten können, man habe es denn aufgerichtet in der Region ewiger Wind¬ stille. Wenn der Apfel vom Baume fällt, ist er entweder reif oder wurm¬ stichig, der Wind hat seinen Sturz beschleunigt; der Fall selbst aber war na¬ turnothwendig! Die 1866 gefallenen deutschen Souveränitäten — es dürften darunter auch solche zu rechnen sein, die anscheinend noch stehen — hatten schon lange vor diesem gesegneten Sturm sehr harte Kämpfe bestanden um ihre Souveränität und waren nicht unverletzt daraus hervorgegangen. Der Mantel staatlicher Selbständigkeit und fürstlicher Souveränität hatte schon lange arge Löcher erhalten und die Lappen, die man darauf klebte, reichten nicht aus. um die defecten Stellen unsichtbar zu machen. Wir werden, wenn wir alles objectiver und ru¬ higer betrachten, vielleicht noch lange, lange Zeit in der Geschichte deutscher

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/470
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/470>, abgerufen am 15.01.2025.