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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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daß dieselbe in England bereits mehr als 45,000, in andern Ländern mehr als
60,000 Theilnehmer habe. England zähle täglich neue Cooperativgesellschaften.
Manchester habe sich bis jetzt allein feindselig gegen die internationale Uffo.
ciation gezeigt, der es übrigens mehrfach gelungen sei, bei Arbeitslosigkeit und
Arbeitseinstellung entscheidend ein- und durchzugreifen.

In dem Bericht der anwesenden deutschen Mitglieder heißt eS unter an¬
derem: "Die Arbeit, im Alterthum von Sklaven, im Mittelalter von Leibeigenen
ausgeführt, ist in der modernen Zeit der Capitalmacht auf Gnade und Un-
gnade überliefert, im Namen der Freiheit und Gleichheit gesetzlich zur unter-
thänigen Lohndienerin gemacht worden. Die moderne Arbeit schmiedet täglich
ein neues Glied ihrer Sklaventette. Denn je mehr Privatcapital sie erzeugt,
je mehr Reichthümer sie für andere aufhäufen hilft, desto schwerer wird ihr Joch
und desto größer ihr Elend. Die Arbeit, die berufen ist, jede Noth zu ver¬
tilgen, die Menschheit zum Lichte der Wahrheit, zur höchsten Stufe der Sitt¬
lichkeit zu heben, die Erde zum Paradiese umzuschaffen, ist bisher zum Fluche
des Fleißes der Arbeiterclasse und zum Segen des Müssigganges bevorzugter
Stände ausgefallen, und sie wird dies bleiben, so lange nicht an die Stelle
des Arbeiterlohnes der Arbeitsertrag, an die Stelle der Capitalmacht die Arbeits¬
kraft getreten sein wird, so lange sie sich nicht selbst gehört, selbst Unternehmerin
wird. Mit dem Lohndienste der Arbeit wird die letzte Form menschlicher Skla¬
verei abgeschafft und werden die Symbole der Arbeit auch die Symbole aller
Moral sein. An die Stelle der freien Concurrenz des Capitals muß die sreie
Concurrenz der Befähigung und Arbeitskraft, an die Stelle des Privatunter¬
nehmens die genossenschaftliche und gemeinschaftliche Arbeit als Unternehmerin
treten!"

Es kann nicht befremden, wenn wir in Borgängen dieser Art ernste
Krankheitserscheinungen erblicken, die um so gefährlicher werden, je mehr die
ausgesprochenen Zwecke der internationalen Association erreicht, je vollständiger
die angestrebte Gemeinschaft und Berbrüderung der sämmtlichen Arbeiter in
allen Ländern hergestellt wird.

Auf dem Programm des genfer Kongresses vom 3. September 1866
standen auch die nachstehenden, in das Gebiet der Politik hineingreifender
Fragen:

Z) Die stehenden Heere und ihr Einfluß auf die Production. 2) Die
Arbeit der Frauen und der Kinder in den Fabriken. 3) Directe und indirecte
Steuern. 4) Die Nothwendigkeit der Beseitigung des imperialistischen Einflusses
Rußlands in Europa durch Aufrechthaltung des Princips der Selbstbestimmung
des Volkes und die Herstellung eines socialdemokratischen Polen. 5) Poli¬
tisch" Macht zu erobern ist die große Pflicht der Arbeiterclassen.

Die Grundsätze, welche der allgemeine Arbeitercongreß in Genf ausqesplochen,


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daß dieselbe in England bereits mehr als 45,000, in andern Ländern mehr als
60,000 Theilnehmer habe. England zähle täglich neue Cooperativgesellschaften.
Manchester habe sich bis jetzt allein feindselig gegen die internationale Uffo.
ciation gezeigt, der es übrigens mehrfach gelungen sei, bei Arbeitslosigkeit und
Arbeitseinstellung entscheidend ein- und durchzugreifen.

In dem Bericht der anwesenden deutschen Mitglieder heißt eS unter an¬
derem: „Die Arbeit, im Alterthum von Sklaven, im Mittelalter von Leibeigenen
ausgeführt, ist in der modernen Zeit der Capitalmacht auf Gnade und Un-
gnade überliefert, im Namen der Freiheit und Gleichheit gesetzlich zur unter-
thänigen Lohndienerin gemacht worden. Die moderne Arbeit schmiedet täglich
ein neues Glied ihrer Sklaventette. Denn je mehr Privatcapital sie erzeugt,
je mehr Reichthümer sie für andere aufhäufen hilft, desto schwerer wird ihr Joch
und desto größer ihr Elend. Die Arbeit, die berufen ist, jede Noth zu ver¬
tilgen, die Menschheit zum Lichte der Wahrheit, zur höchsten Stufe der Sitt¬
lichkeit zu heben, die Erde zum Paradiese umzuschaffen, ist bisher zum Fluche
des Fleißes der Arbeiterclasse und zum Segen des Müssigganges bevorzugter
Stände ausgefallen, und sie wird dies bleiben, so lange nicht an die Stelle
des Arbeiterlohnes der Arbeitsertrag, an die Stelle der Capitalmacht die Arbeits¬
kraft getreten sein wird, so lange sie sich nicht selbst gehört, selbst Unternehmerin
wird. Mit dem Lohndienste der Arbeit wird die letzte Form menschlicher Skla¬
verei abgeschafft und werden die Symbole der Arbeit auch die Symbole aller
Moral sein. An die Stelle der freien Concurrenz des Capitals muß die sreie
Concurrenz der Befähigung und Arbeitskraft, an die Stelle des Privatunter¬
nehmens die genossenschaftliche und gemeinschaftliche Arbeit als Unternehmerin
treten!"

Es kann nicht befremden, wenn wir in Borgängen dieser Art ernste
Krankheitserscheinungen erblicken, die um so gefährlicher werden, je mehr die
ausgesprochenen Zwecke der internationalen Association erreicht, je vollständiger
die angestrebte Gemeinschaft und Berbrüderung der sämmtlichen Arbeiter in
allen Ländern hergestellt wird.

Auf dem Programm des genfer Kongresses vom 3. September 1866
standen auch die nachstehenden, in das Gebiet der Politik hineingreifender
Fragen:

Z) Die stehenden Heere und ihr Einfluß auf die Production. 2) Die
Arbeit der Frauen und der Kinder in den Fabriken. 3) Directe und indirecte
Steuern. 4) Die Nothwendigkeit der Beseitigung des imperialistischen Einflusses
Rußlands in Europa durch Aufrechthaltung des Princips der Selbstbestimmung
des Volkes und die Herstellung eines socialdemokratischen Polen. 5) Poli¬
tisch« Macht zu erobern ist die große Pflicht der Arbeiterclassen.

Die Grundsätze, welche der allgemeine Arbeitercongreß in Genf ausqesplochen,


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[0469] daß dieselbe in England bereits mehr als 45,000, in andern Ländern mehr als 60,000 Theilnehmer habe. England zähle täglich neue Cooperativgesellschaften. Manchester habe sich bis jetzt allein feindselig gegen die internationale Uffo. ciation gezeigt, der es übrigens mehrfach gelungen sei, bei Arbeitslosigkeit und Arbeitseinstellung entscheidend ein- und durchzugreifen. In dem Bericht der anwesenden deutschen Mitglieder heißt eS unter an¬ derem: „Die Arbeit, im Alterthum von Sklaven, im Mittelalter von Leibeigenen ausgeführt, ist in der modernen Zeit der Capitalmacht auf Gnade und Un- gnade überliefert, im Namen der Freiheit und Gleichheit gesetzlich zur unter- thänigen Lohndienerin gemacht worden. Die moderne Arbeit schmiedet täglich ein neues Glied ihrer Sklaventette. Denn je mehr Privatcapital sie erzeugt, je mehr Reichthümer sie für andere aufhäufen hilft, desto schwerer wird ihr Joch und desto größer ihr Elend. Die Arbeit, die berufen ist, jede Noth zu ver¬ tilgen, die Menschheit zum Lichte der Wahrheit, zur höchsten Stufe der Sitt¬ lichkeit zu heben, die Erde zum Paradiese umzuschaffen, ist bisher zum Fluche des Fleißes der Arbeiterclasse und zum Segen des Müssigganges bevorzugter Stände ausgefallen, und sie wird dies bleiben, so lange nicht an die Stelle des Arbeiterlohnes der Arbeitsertrag, an die Stelle der Capitalmacht die Arbeits¬ kraft getreten sein wird, so lange sie sich nicht selbst gehört, selbst Unternehmerin wird. Mit dem Lohndienste der Arbeit wird die letzte Form menschlicher Skla¬ verei abgeschafft und werden die Symbole der Arbeit auch die Symbole aller Moral sein. An die Stelle der freien Concurrenz des Capitals muß die sreie Concurrenz der Befähigung und Arbeitskraft, an die Stelle des Privatunter¬ nehmens die genossenschaftliche und gemeinschaftliche Arbeit als Unternehmerin treten!" Es kann nicht befremden, wenn wir in Borgängen dieser Art ernste Krankheitserscheinungen erblicken, die um so gefährlicher werden, je mehr die ausgesprochenen Zwecke der internationalen Association erreicht, je vollständiger die angestrebte Gemeinschaft und Berbrüderung der sämmtlichen Arbeiter in allen Ländern hergestellt wird. Auf dem Programm des genfer Kongresses vom 3. September 1866 standen auch die nachstehenden, in das Gebiet der Politik hineingreifender Fragen: Z) Die stehenden Heere und ihr Einfluß auf die Production. 2) Die Arbeit der Frauen und der Kinder in den Fabriken. 3) Directe und indirecte Steuern. 4) Die Nothwendigkeit der Beseitigung des imperialistischen Einflusses Rußlands in Europa durch Aufrechthaltung des Princips der Selbstbestimmung des Volkes und die Herstellung eines socialdemokratischen Polen. 5) Poli¬ tisch« Macht zu erobern ist die große Pflicht der Arbeiterclassen. Die Grundsätze, welche der allgemeine Arbeitercongreß in Genf ausqesplochen, 58*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/469>, abgerufen am 15.01.2025.