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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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einer andern für das Nein bedeutende Majoritäten erzielt, so ist klar, daß die
bestimmende Gewalt der Gründe für Ja und Nein durch provinzielle Eigen¬
thümlichkeiten, durch verschiedene Religionsansichten. Beschäftigungen, Bildungs¬
stufen und Beeinflussungen, bedingt ist. Erhält aber, wie dies bei den Wahlen
zum norddeutschen Parlament der Fall war, keine Fraction eine bedeutende Majo¬
rität, liegen auf der Landkarte die Wahlbezirke der verschiedenen Fractionen
ziemlich bunt durch einander und sind die Wahlen trotzdem mit höheren Majo¬
ritäten als die berechneten erzielt, so ist dafür ein anderer Grund als die eben
berührten zu suchen, und hier, glaube ich. kommt die Mathematik wieder zu
Hilfe. Sie lehrt nämlich Folgendes: sind die einzelnen Wähler nicht unab¬
hängig von einander, sondern bilden sie einzelne Gruppen zusammenhängender,
gleichsam von einem Einzelwillen beherrschter Gruppen, so wächst die Durch¬
schnittsmajorität mit der Größe der Gruppen. Ein Beispiel wird das Be¬
hauptete genauer zeigen und die Art des Beweises andeuten. Bei 11997
unabhängigen Mahlen beträgt der Durchschnittsunterschied zwischen Majorität
und Minorität 87 Stimmen; denke ich mir dagegen statt der 11997 Wähler
1333 Gruppen von je 9 Wählern, die nur einen Willen haben, oder was das¬
selbe ist, 1333 Wähler, die stimmen, deren Stimmen aber je 9 Points gelten,
so ist bei diesen 1333 Wählern der Durchschnittsunterschied allerdings scheinbar
nur 29; da aber jede Stimme 9fach zählt, in der That 261, das Dreifache von
87; nimmt man die Gruppen 25 Mann stark an. so wächst der Unterschied
auf S X 87 oder 436 u. f. f. Wer wollte aber läugnen, daß derartige Grup¬
pen vielfach existirt haben? Man denke nur an die Arbeiter dieser und jener
Fabrik oder Eisenbahn, an die Dorf-, Familien- und Bezirksorakel, mit deren
ihnen blind folgenden Hintermännern, an Ober- und Unterbeamte, an den
starken Kitt, mit dem die gleiche Nationalität oder Religion zusammenbindet,
an die Vielen, welche den Unterschied zwischen den aufgestellten Hauptcandidaten
nicht zu erkennen vermochten, die geführt zu werden wünschten und Führer fanden.

Gehen wir mit der Bemerkung, daß bei einer geraden Zahl von Maklern,
infolge der nicht selten eintretenden Stimmengleichheit, die Durchscbnittsmajo-
u>at noch etwas kleiner ist als bei einer ungeraden Wählerzahl, die wir bisher
stets im Auge hatten, -- über zu den indirecten Wahlen.

Wir setzen wie bei den directen voraus, daß die ganze Wahl sich um 2
bestimmte Parteiansichten oder Personen dreht, ferner daß die Stellung der
Äuhlmännercandidaten zu diesen Gegensätzen vor der Wahl bekannt ist. --
Das Wählen der Wahlmänner ist ein directes. jeder der Wahlmänner hat also
^ Durchschnitt die oben berechnete Majorität hinter sich, -- von dem Classen-
shstcm. Census :c. sehe ich ab. Der Abgeordnete wird von den Wahlmä'mern
^eichfglls direct gewählt, er kann mithin auch nur auf eine entsprechende Wahl-
^anncrmajorität rechnen und das Product aus dieser und den im Durchschnitt


einer andern für das Nein bedeutende Majoritäten erzielt, so ist klar, daß die
bestimmende Gewalt der Gründe für Ja und Nein durch provinzielle Eigen¬
thümlichkeiten, durch verschiedene Religionsansichten. Beschäftigungen, Bildungs¬
stufen und Beeinflussungen, bedingt ist. Erhält aber, wie dies bei den Wahlen
zum norddeutschen Parlament der Fall war, keine Fraction eine bedeutende Majo¬
rität, liegen auf der Landkarte die Wahlbezirke der verschiedenen Fractionen
ziemlich bunt durch einander und sind die Wahlen trotzdem mit höheren Majo¬
ritäten als die berechneten erzielt, so ist dafür ein anderer Grund als die eben
berührten zu suchen, und hier, glaube ich. kommt die Mathematik wieder zu
Hilfe. Sie lehrt nämlich Folgendes: sind die einzelnen Wähler nicht unab¬
hängig von einander, sondern bilden sie einzelne Gruppen zusammenhängender,
gleichsam von einem Einzelwillen beherrschter Gruppen, so wächst die Durch¬
schnittsmajorität mit der Größe der Gruppen. Ein Beispiel wird das Be¬
hauptete genauer zeigen und die Art des Beweises andeuten. Bei 11997
unabhängigen Mahlen beträgt der Durchschnittsunterschied zwischen Majorität
und Minorität 87 Stimmen; denke ich mir dagegen statt der 11997 Wähler
1333 Gruppen von je 9 Wählern, die nur einen Willen haben, oder was das¬
selbe ist, 1333 Wähler, die stimmen, deren Stimmen aber je 9 Points gelten,
so ist bei diesen 1333 Wählern der Durchschnittsunterschied allerdings scheinbar
nur 29; da aber jede Stimme 9fach zählt, in der That 261, das Dreifache von
87; nimmt man die Gruppen 25 Mann stark an. so wächst der Unterschied
auf S X 87 oder 436 u. f. f. Wer wollte aber läugnen, daß derartige Grup¬
pen vielfach existirt haben? Man denke nur an die Arbeiter dieser und jener
Fabrik oder Eisenbahn, an die Dorf-, Familien- und Bezirksorakel, mit deren
ihnen blind folgenden Hintermännern, an Ober- und Unterbeamte, an den
starken Kitt, mit dem die gleiche Nationalität oder Religion zusammenbindet,
an die Vielen, welche den Unterschied zwischen den aufgestellten Hauptcandidaten
nicht zu erkennen vermochten, die geführt zu werden wünschten und Führer fanden.

Gehen wir mit der Bemerkung, daß bei einer geraden Zahl von Maklern,
infolge der nicht selten eintretenden Stimmengleichheit, die Durchscbnittsmajo-
u>at noch etwas kleiner ist als bei einer ungeraden Wählerzahl, die wir bisher
stets im Auge hatten, — über zu den indirecten Wahlen.

Wir setzen wie bei den directen voraus, daß die ganze Wahl sich um 2
bestimmte Parteiansichten oder Personen dreht, ferner daß die Stellung der
Äuhlmännercandidaten zu diesen Gegensätzen vor der Wahl bekannt ist. —
Das Wählen der Wahlmänner ist ein directes. jeder der Wahlmänner hat also
^ Durchschnitt die oben berechnete Majorität hinter sich, — von dem Classen-
shstcm. Census :c. sehe ich ab. Der Abgeordnete wird von den Wahlmä'mern
^eichfglls direct gewählt, er kann mithin auch nur auf eine entsprechende Wahl-
^anncrmajorität rechnen und das Product aus dieser und den im Durchschnitt


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[0425] einer andern für das Nein bedeutende Majoritäten erzielt, so ist klar, daß die bestimmende Gewalt der Gründe für Ja und Nein durch provinzielle Eigen¬ thümlichkeiten, durch verschiedene Religionsansichten. Beschäftigungen, Bildungs¬ stufen und Beeinflussungen, bedingt ist. Erhält aber, wie dies bei den Wahlen zum norddeutschen Parlament der Fall war, keine Fraction eine bedeutende Majo¬ rität, liegen auf der Landkarte die Wahlbezirke der verschiedenen Fractionen ziemlich bunt durch einander und sind die Wahlen trotzdem mit höheren Majo¬ ritäten als die berechneten erzielt, so ist dafür ein anderer Grund als die eben berührten zu suchen, und hier, glaube ich. kommt die Mathematik wieder zu Hilfe. Sie lehrt nämlich Folgendes: sind die einzelnen Wähler nicht unab¬ hängig von einander, sondern bilden sie einzelne Gruppen zusammenhängender, gleichsam von einem Einzelwillen beherrschter Gruppen, so wächst die Durch¬ schnittsmajorität mit der Größe der Gruppen. Ein Beispiel wird das Be¬ hauptete genauer zeigen und die Art des Beweises andeuten. Bei 11997 unabhängigen Mahlen beträgt der Durchschnittsunterschied zwischen Majorität und Minorität 87 Stimmen; denke ich mir dagegen statt der 11997 Wähler 1333 Gruppen von je 9 Wählern, die nur einen Willen haben, oder was das¬ selbe ist, 1333 Wähler, die stimmen, deren Stimmen aber je 9 Points gelten, so ist bei diesen 1333 Wählern der Durchschnittsunterschied allerdings scheinbar nur 29; da aber jede Stimme 9fach zählt, in der That 261, das Dreifache von 87; nimmt man die Gruppen 25 Mann stark an. so wächst der Unterschied auf S X 87 oder 436 u. f. f. Wer wollte aber läugnen, daß derartige Grup¬ pen vielfach existirt haben? Man denke nur an die Arbeiter dieser und jener Fabrik oder Eisenbahn, an die Dorf-, Familien- und Bezirksorakel, mit deren ihnen blind folgenden Hintermännern, an Ober- und Unterbeamte, an den starken Kitt, mit dem die gleiche Nationalität oder Religion zusammenbindet, an die Vielen, welche den Unterschied zwischen den aufgestellten Hauptcandidaten nicht zu erkennen vermochten, die geführt zu werden wünschten und Führer fanden. Gehen wir mit der Bemerkung, daß bei einer geraden Zahl von Maklern, infolge der nicht selten eintretenden Stimmengleichheit, die Durchscbnittsmajo- u>at noch etwas kleiner ist als bei einer ungeraden Wählerzahl, die wir bisher stets im Auge hatten, — über zu den indirecten Wahlen. Wir setzen wie bei den directen voraus, daß die ganze Wahl sich um 2 bestimmte Parteiansichten oder Personen dreht, ferner daß die Stellung der Äuhlmännercandidaten zu diesen Gegensätzen vor der Wahl bekannt ist. — Das Wählen der Wahlmänner ist ein directes. jeder der Wahlmänner hat also ^ Durchschnitt die oben berechnete Majorität hinter sich, — von dem Classen- shstcm. Census :c. sehe ich ab. Der Abgeordnete wird von den Wahlmä'mern ^eichfglls direct gewählt, er kann mithin auch nur auf eine entsprechende Wahl- ^anncrmajorität rechnen und das Product aus dieser und den im Durchschnitt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/425>, abgerufen am 15.01.2025.