Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.bestehenden Gesetze aufmerksam gemacht." Einige Tage später meldeten die So "programmmäßig" und ungestört die ziemlich lange Reihe dieser Feste ') Polnischer Minister des Innern von 1863 -- 06 und Haupt der "Missionären" ms-
fischen Bureaukratie in den polnischen Provinzen. bestehenden Gesetze aufmerksam gemacht." Einige Tage später meldeten die So „programmmäßig" und ungestört die ziemlich lange Reihe dieser Feste ') Polnischer Minister des Innern von 1863 — 06 und Haupt der „Missionären" ms-
fischen Bureaukratie in den polnischen Provinzen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0042" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191272"/> <p xml:id="ID_87" prev="#ID_86"> bestehenden Gesetze aufmerksam gemacht." Einige Tage später meldeten die<lb/> Petersburger Blätter, verschiedene die finnländische Presse einschränkende Vor¬<lb/> schriften seien „auf dem Wege der Verwaltung" eingeführt worden; erforder¬<lb/> lichen Falls sei die Regierung entschlossen, die Verhältnisse der periodischen<lb/> Presse des GroWrstenthums den für das Reich geltenden Reglements gemäß<lb/> zu modificiren! — Für diesen parlamentarischen Zwischenfall in einem entle¬<lb/> genen kleinen Lande wird man in Deutschland übrigens kaum mehr Theilnahme<lb/> haben als i» Nußland, wo trotz der nahen Verwandtschaft der Interessen die<lb/> finnländische Thronrede im Lärm der Slawenfeste verhallt ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_88" next="#ID_89"> So „programmmäßig" und ungestört die ziemlich lange Reihe dieser Feste<lb/> verlies, ganz ohne Erörterungen über die polnische Frage und die bezüglich<lb/> dieser bestehende Meinungsverschiedenheit zwischen Russen und nichtrussischen<lb/> Slawen ist es in Moskau nicht abgegangen. Nachdem man wochenlang jede<lb/> öffentliche Berührung dieses heiklen Themas vermieden, ergriff Rieger bei Ge¬<lb/> legenheit eines großen von der moskauer Commune gegebenen Barlets zu län¬<lb/> gerer Rede das Wort, indem er unter wiederholter und nachdrücklicher Verur-<lb/> theilung des letzten polnischen Aufstandes das russische Bestreben nach Vollstän¬<lb/> diger Ausrottung des polnischen Elements als unberechtigt und unbrüderlich angriff<lb/> und mit der Mahnung zu freundlichem Entgegenkommen und großherziger Verzeihung<lb/> der Sieger gegen die Besiegten schloß. Man war höflich genug, diese Rede, welche<lb/> in das Herz des national-demokratischen Programms einschnitt, bis zu Ende anzu¬<lb/> hören; als aber Fürst Tscherkassky*) auftrat und Rieger zu widerlegen suchte, indem er<lb/> auf die polnische Undankbarkeit gegen das großherzige Rußland hinwies und von<lb/> den Polen den ersten Schritt zur Annäherung verlangte, brach der verhaltene<lb/> Unwille darüber, daß eine öffentliche Fürsprache zu Gunsten des unglücklichen<lb/> Volks auf moskvwischer Erde überhaupt gewagt worden, in Form begeisterter<lb/> Zustimmung zu den von Tscherlassky gesprochenen Worten aus. Die Lehre von<lb/> der Unmöglichkeit einer Versöhnung des die slawisch-demokratische Idee reprä-<lb/> sentirenden Nussenthums mit dem „zu den Götzen des Occidentalismus und der<lb/> Aristokratie" abgefallenen Polonismus gehört bekanntlich zu den Axiomen der<lb/> russischen Demokratie, über welche jede Debatte ausgeschlossen ist. — Wie sich<lb/> der Kampf dieser streitenden Principien im praktischen Leben gestaltet und welche<lb/> Gestalt die leitenden Ideen in Wirklichkeit annehmen, ist in Moskau allerdings<lb/> nicht erörtert worden, — in Galizien und im Königreich Polen haben die bezüg¬<lb/> lichen Auseinandersetzungen unterdessen ihren ununterbrochenen Fortgang ge¬<lb/> nommen. Aus Ostgalizien wird neuerdings ein socialistischer Pulses russischer<lb/> Bauern gegen ihre, noch an dem westeuropäischen Princip des persönlichen</p><lb/> <note xml:id="FID_2" place="foot"> ') Polnischer Minister des Innern von 1863 — 06 und Haupt der „Missionären" ms-<lb/> fischen Bureaukratie in den polnischen Provinzen.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0042]
bestehenden Gesetze aufmerksam gemacht." Einige Tage später meldeten die
Petersburger Blätter, verschiedene die finnländische Presse einschränkende Vor¬
schriften seien „auf dem Wege der Verwaltung" eingeführt worden; erforder¬
lichen Falls sei die Regierung entschlossen, die Verhältnisse der periodischen
Presse des GroWrstenthums den für das Reich geltenden Reglements gemäß
zu modificiren! — Für diesen parlamentarischen Zwischenfall in einem entle¬
genen kleinen Lande wird man in Deutschland übrigens kaum mehr Theilnahme
haben als i» Nußland, wo trotz der nahen Verwandtschaft der Interessen die
finnländische Thronrede im Lärm der Slawenfeste verhallt ist.
So „programmmäßig" und ungestört die ziemlich lange Reihe dieser Feste
verlies, ganz ohne Erörterungen über die polnische Frage und die bezüglich
dieser bestehende Meinungsverschiedenheit zwischen Russen und nichtrussischen
Slawen ist es in Moskau nicht abgegangen. Nachdem man wochenlang jede
öffentliche Berührung dieses heiklen Themas vermieden, ergriff Rieger bei Ge¬
legenheit eines großen von der moskauer Commune gegebenen Barlets zu län¬
gerer Rede das Wort, indem er unter wiederholter und nachdrücklicher Verur-
theilung des letzten polnischen Aufstandes das russische Bestreben nach Vollstän¬
diger Ausrottung des polnischen Elements als unberechtigt und unbrüderlich angriff
und mit der Mahnung zu freundlichem Entgegenkommen und großherziger Verzeihung
der Sieger gegen die Besiegten schloß. Man war höflich genug, diese Rede, welche
in das Herz des national-demokratischen Programms einschnitt, bis zu Ende anzu¬
hören; als aber Fürst Tscherkassky*) auftrat und Rieger zu widerlegen suchte, indem er
auf die polnische Undankbarkeit gegen das großherzige Rußland hinwies und von
den Polen den ersten Schritt zur Annäherung verlangte, brach der verhaltene
Unwille darüber, daß eine öffentliche Fürsprache zu Gunsten des unglücklichen
Volks auf moskvwischer Erde überhaupt gewagt worden, in Form begeisterter
Zustimmung zu den von Tscherlassky gesprochenen Worten aus. Die Lehre von
der Unmöglichkeit einer Versöhnung des die slawisch-demokratische Idee reprä-
sentirenden Nussenthums mit dem „zu den Götzen des Occidentalismus und der
Aristokratie" abgefallenen Polonismus gehört bekanntlich zu den Axiomen der
russischen Demokratie, über welche jede Debatte ausgeschlossen ist. — Wie sich
der Kampf dieser streitenden Principien im praktischen Leben gestaltet und welche
Gestalt die leitenden Ideen in Wirklichkeit annehmen, ist in Moskau allerdings
nicht erörtert worden, — in Galizien und im Königreich Polen haben die bezüg¬
lichen Auseinandersetzungen unterdessen ihren ununterbrochenen Fortgang ge¬
nommen. Aus Ostgalizien wird neuerdings ein socialistischer Pulses russischer
Bauern gegen ihre, noch an dem westeuropäischen Princip des persönlichen
') Polnischer Minister des Innern von 1863 — 06 und Haupt der „Missionären" ms-
fischen Bureaukratie in den polnischen Provinzen.
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