Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.mit einer eben aus dem Rohen herausgearbeiteten Bauernsprache. In Finn- mit einer eben aus dem Rohen herausgearbeiteten Bauernsprache. In Finn- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0041" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191271"/> <p xml:id="ID_86" prev="#ID_85" next="#ID_87"> mit einer eben aus dem Rohen herausgearbeiteten Bauernsprache. In Finn-<lb/> land leben bekanntlich zwei verschiedene Stämme neben einander; Edelleute,<lb/> Geistliche und städtische Bürger sind schwedischen. Bauern und Kleinbürger<lb/> finnischen Ursprungs. Seit Anfang des Jahrhunderts erhob eine jungsinnische<lb/> Partei, die zunächst aus Literaten bäuerlichen Ursprungs gebildet war, Ansprüche<lb/> auf Befreiung von dem herrschenden schwedischen Element und vollständige<lb/> Anerkennung ihrer Nationalität, indem sie zugleich Miene machte, mit der<lb/> russischen Demokratie, die dem finnländischen „Separatismus" stets feindlich<lb/> zugesehen, eine Alliance gegen die Privilegium zu schließen. Aus Furcht vor<lb/> den Folgen eines solchen Bündnisses entschlossen die herrschenden Classen sich<lb/> nach hartem Kampf und Angesichts der zunehmenden Bedeutung der fennomanen<lb/> Agitation zu einem freiwilligen Verzicht, der die Gegner entwaffnen sollte.<lb/> Zuerst wurde die Gleichberechtigung, später die (das Schwedische übrigens nicht<lb/> ganz ausschließende) Präponderanz des Finnischen ausgesprochen. Da Finn¬<lb/> land seine Cultur ausschließlich schwedischen Einflüssen dankt, sein geistiges und<lb/> wissenschaftliches Leben hauptsächlich durch die Literatur des stammverwandten<lb/> Nachbarlandes fristet, die Finnen ein wenig zahlreiches Volk sind und kaum die<lb/> Anfänge einer eigenen Literatur besitzen, kann dieser Verzicht für das kleine<lb/> Großfürstenthum in der Folge sehr bedenklich werden, wenn anders nicht das<lb/> schwedische Element im Stande ist, das rechtlich aufgegebene Terrain factisch<lb/> zu behaupten, beziehungsweise zurückzugewinnen. Bei dem Landtage, der sich<lb/> u. a. auch mit der Durchführung dieses Beschlusses beschäftigte, ist es übrigens<lb/> ohne einen kleinen, in höchst eigenthümlicher Weise gelösten parlamentarischen<lb/> Conflict mit der Negierung nicht abgegangen. Unter den zahlreichen, zum<lb/> Theil entschieden zweckmäßigen Gesetzesvorschlägen, welche das Gouvernement<lb/> eingebracht hatte, befand sich einer, der nicht angenommen, sondern mit großer<lb/> Entschiedenheit zurückgewiesen worden war: ein Gesetz zur Zügelung der vor<lb/> einigen Jahren von der Präventivcensur befreiten periodischen Presse Finnlands,<lb/> bezüglich welcher, dem Preßreglement für die russischen Hauptstädte (in den<lb/> Provinzen besteht die Präventivcensur) analoge Vorschriften projectirt waren.<lb/> Mit Beziehung auf die Zurückweisung dieses Vorschlags enthält die am Schluß<lb/> der Diät von dem finnländischen Generalgouvemeur im Namen des Kaisers<lb/> gehaltene Thronrede den nachstehenden Passus: „Bei aller Anerkennung Ihrer<lb/> fleißigen Thätigkeit kann ich nicht umhin, mein Bedauern darüber auszusprechen,<lb/> daß hinsichtlich einiger Fragen über meine Absichten Mißverständnisse eingetreten<lb/> sind, welche mich zwingen, zu Anordnungen meine Zuflucht zu nehmen, denen<lb/> ich durch gegenseitige Uebereinstimmung auf dauerhafter und ersprießlicher<lb/> Grundlage vorzubeugen gewünscht hätte. Um die entstandene irrthümliche Auf¬<lb/> fassung hinsichtlich der Behandlung vom Kaiser dem Landtage gemachter Vor-<lb/> schlüge zurechtzustellen, habe ich gleichzeitig hiemit den sinnt. Landtag auf die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
mit einer eben aus dem Rohen herausgearbeiteten Bauernsprache. In Finn-
land leben bekanntlich zwei verschiedene Stämme neben einander; Edelleute,
Geistliche und städtische Bürger sind schwedischen. Bauern und Kleinbürger
finnischen Ursprungs. Seit Anfang des Jahrhunderts erhob eine jungsinnische
Partei, die zunächst aus Literaten bäuerlichen Ursprungs gebildet war, Ansprüche
auf Befreiung von dem herrschenden schwedischen Element und vollständige
Anerkennung ihrer Nationalität, indem sie zugleich Miene machte, mit der
russischen Demokratie, die dem finnländischen „Separatismus" stets feindlich
zugesehen, eine Alliance gegen die Privilegium zu schließen. Aus Furcht vor
den Folgen eines solchen Bündnisses entschlossen die herrschenden Classen sich
nach hartem Kampf und Angesichts der zunehmenden Bedeutung der fennomanen
Agitation zu einem freiwilligen Verzicht, der die Gegner entwaffnen sollte.
Zuerst wurde die Gleichberechtigung, später die (das Schwedische übrigens nicht
ganz ausschließende) Präponderanz des Finnischen ausgesprochen. Da Finn¬
land seine Cultur ausschließlich schwedischen Einflüssen dankt, sein geistiges und
wissenschaftliches Leben hauptsächlich durch die Literatur des stammverwandten
Nachbarlandes fristet, die Finnen ein wenig zahlreiches Volk sind und kaum die
Anfänge einer eigenen Literatur besitzen, kann dieser Verzicht für das kleine
Großfürstenthum in der Folge sehr bedenklich werden, wenn anders nicht das
schwedische Element im Stande ist, das rechtlich aufgegebene Terrain factisch
zu behaupten, beziehungsweise zurückzugewinnen. Bei dem Landtage, der sich
u. a. auch mit der Durchführung dieses Beschlusses beschäftigte, ist es übrigens
ohne einen kleinen, in höchst eigenthümlicher Weise gelösten parlamentarischen
Conflict mit der Negierung nicht abgegangen. Unter den zahlreichen, zum
Theil entschieden zweckmäßigen Gesetzesvorschlägen, welche das Gouvernement
eingebracht hatte, befand sich einer, der nicht angenommen, sondern mit großer
Entschiedenheit zurückgewiesen worden war: ein Gesetz zur Zügelung der vor
einigen Jahren von der Präventivcensur befreiten periodischen Presse Finnlands,
bezüglich welcher, dem Preßreglement für die russischen Hauptstädte (in den
Provinzen besteht die Präventivcensur) analoge Vorschriften projectirt waren.
Mit Beziehung auf die Zurückweisung dieses Vorschlags enthält die am Schluß
der Diät von dem finnländischen Generalgouvemeur im Namen des Kaisers
gehaltene Thronrede den nachstehenden Passus: „Bei aller Anerkennung Ihrer
fleißigen Thätigkeit kann ich nicht umhin, mein Bedauern darüber auszusprechen,
daß hinsichtlich einiger Fragen über meine Absichten Mißverständnisse eingetreten
sind, welche mich zwingen, zu Anordnungen meine Zuflucht zu nehmen, denen
ich durch gegenseitige Uebereinstimmung auf dauerhafter und ersprießlicher
Grundlage vorzubeugen gewünscht hätte. Um die entstandene irrthümliche Auf¬
fassung hinsichtlich der Behandlung vom Kaiser dem Landtage gemachter Vor-
schlüge zurechtzustellen, habe ich gleichzeitig hiemit den sinnt. Landtag auf die
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