Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.vorhanden, wenn das Domanium in das Vermögen eines Privatmannes über¬ Sonst heben wir aus dem Vertrage noch Folgendes hervor. Die Verfassung Das nennt man einen Accessionsvertrag! Es ist eine neue Benennung Leider ist von einer solchen Anschauung der Lage wenig im Lande zu be¬ vorhanden, wenn das Domanium in das Vermögen eines Privatmannes über¬ Sonst heben wir aus dem Vertrage noch Folgendes hervor. Die Verfassung Das nennt man einen Accessionsvertrag! Es ist eine neue Benennung Leider ist von einer solchen Anschauung der Lage wenig im Lande zu be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0418" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191648"/> <p xml:id="ID_1213" prev="#ID_1212"> vorhanden, wenn das Domanium in das Vermögen eines Privatmannes über¬<lb/> geht, dessen Zustimmung zu dem Gesetze aber erforderlich bleibt? Kann über¬<lb/> haupt in irgendwelcher Beziehung eine ersprießliche Gesetzgebung erwartet wer¬<lb/> den, wenn der einzige Großgrundbesitzer im Lande, dessen Interessen mit denen<lb/> der kleinen Grundbesitzer oft genug collidiren werden, wenn dieser zwar Pri¬<lb/> vatmann ist, ihm aber doch bei der Gesetzgebung/ ein Veto zusteht? —</p><lb/> <p xml:id="ID_1214"> Sonst heben wir aus dem Vertrage noch Folgendes hervor. Die Verfassung<lb/> des Landes soll bestehen bleiben, die Verwaltung jedoch durch königlich preußische<lb/> Beamte geschehen. Preußen hat das Recht, Justiz und Verwaltung zu reor-<lb/> gamsiren. Die waldeckschen Beamten, welche nicht übertreten wollen, werden<lb/> nach waldeckschen Gesetzen auf Wartegeld gesetzt, die pensionsfähigen pensionirt.<lb/> Den übertretenden ist Beibehaltung des Ranges und Einkommens zugesichert,<lb/> ebenso, daß sie im Fall ihrer späteren Pensionirung keine geringere Pension erhalten<lb/> sollen, als sie erhalten würden, wenn sie jetzt nach waldeckschen Gesetzen pen¬<lb/> sionirt würden; ist jedoch der preußische Pensionssatz günstiger, so sollen sie<lb/> auf diesen Anspruch haben. — Dagegen ist nichts bestimmt über die Berend,<lb/> mung ihres Dienstalters im Verhältniß zu den preußischen Beamten, in deren<lb/> Kreis sie treten. Das Schicksal der Rechtsanwälte, welche die Regierung (durch<lb/> den Einzelnen abgezwungene Reverse) beliebig zu versetzen das Recht hat. so¬<lb/> wie das derjenigen jungen Leute, welche sich dem Justiz- und Verwaltungsfach ge¬<lb/> widmet, aber die Examina noch nicht absolvirt haben, bleibt gleichfalls dunkel.--</p><lb/> <p xml:id="ID_1215"> Das nennt man einen Accessionsvertrag! Es ist eine neue Benennung<lb/> für eine allerdings auch neue Sache, aber eine sehr richtige Benennung^ Acces-<lb/> sionsverhältniß heißt bekanntlich juristisch dasjenige Verhältniß zweier Gegen¬<lb/> stände zu einander, vermöge dessen der eine als Haupt-, der andere als Neben¬<lb/> gegenstand und als dem ersteren unterworfen erscheint. Und ein solches Unterwer-<lb/> sungsvcrhältiuß wird allerdings durch den Vertrag zwischen Preußen und<lb/> Waldeck entstehen, die Waldecker werden im eigentlichen Sinne Preußen zweiter<lb/> Classe werden, bis in die unterste Instanz von preußischen Beamten regiert,<lb/> und doch nicht berechtigte Bürger dieses stolzen Reiches! Freilich schon seit langer<lb/> Zeit ist die politische Stellung der Klcinstaatler eine demüthigende, freier Bür¬<lb/> ger unwürdige gewesen, eine solche Stellung aber, wie sie jetzt den Waldeckern,<lb/> wenn auch vielleicht nur auf kurze Zeit angewiesen wird, sollte denn doch das<lb/> Maß selbst der deutschen, selbst der Geduld des übergeduldigen Kleinstaatlers<lb/> erschöpfen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1216" next="#ID_1217"> Leider ist von einer solchen Anschauung der Lage wenig im Lande zu be¬<lb/> merken. Die Ueberzeugung, daß die Einverleibung ohne einen Uebergangszu¬<lb/> stand das Heilsamste für das Land sein würde, ist zwar! wie schon gesagt, sehr-allge¬<lb/> mein geworden, und das Bekanntwerden'der Vertragsbestimmungen hat wahr¬<lb/> lich nur dazu beitragen können, diese Ueberzeugung zu verstärken. Aber nirgend</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0418]
vorhanden, wenn das Domanium in das Vermögen eines Privatmannes über¬
geht, dessen Zustimmung zu dem Gesetze aber erforderlich bleibt? Kann über¬
haupt in irgendwelcher Beziehung eine ersprießliche Gesetzgebung erwartet wer¬
den, wenn der einzige Großgrundbesitzer im Lande, dessen Interessen mit denen
der kleinen Grundbesitzer oft genug collidiren werden, wenn dieser zwar Pri¬
vatmann ist, ihm aber doch bei der Gesetzgebung/ ein Veto zusteht? —
Sonst heben wir aus dem Vertrage noch Folgendes hervor. Die Verfassung
des Landes soll bestehen bleiben, die Verwaltung jedoch durch königlich preußische
Beamte geschehen. Preußen hat das Recht, Justiz und Verwaltung zu reor-
gamsiren. Die waldeckschen Beamten, welche nicht übertreten wollen, werden
nach waldeckschen Gesetzen auf Wartegeld gesetzt, die pensionsfähigen pensionirt.
Den übertretenden ist Beibehaltung des Ranges und Einkommens zugesichert,
ebenso, daß sie im Fall ihrer späteren Pensionirung keine geringere Pension erhalten
sollen, als sie erhalten würden, wenn sie jetzt nach waldeckschen Gesetzen pen¬
sionirt würden; ist jedoch der preußische Pensionssatz günstiger, so sollen sie
auf diesen Anspruch haben. — Dagegen ist nichts bestimmt über die Berend,
mung ihres Dienstalters im Verhältniß zu den preußischen Beamten, in deren
Kreis sie treten. Das Schicksal der Rechtsanwälte, welche die Regierung (durch
den Einzelnen abgezwungene Reverse) beliebig zu versetzen das Recht hat. so¬
wie das derjenigen jungen Leute, welche sich dem Justiz- und Verwaltungsfach ge¬
widmet, aber die Examina noch nicht absolvirt haben, bleibt gleichfalls dunkel.--
Das nennt man einen Accessionsvertrag! Es ist eine neue Benennung
für eine allerdings auch neue Sache, aber eine sehr richtige Benennung^ Acces-
sionsverhältniß heißt bekanntlich juristisch dasjenige Verhältniß zweier Gegen¬
stände zu einander, vermöge dessen der eine als Haupt-, der andere als Neben¬
gegenstand und als dem ersteren unterworfen erscheint. Und ein solches Unterwer-
sungsvcrhältiuß wird allerdings durch den Vertrag zwischen Preußen und
Waldeck entstehen, die Waldecker werden im eigentlichen Sinne Preußen zweiter
Classe werden, bis in die unterste Instanz von preußischen Beamten regiert,
und doch nicht berechtigte Bürger dieses stolzen Reiches! Freilich schon seit langer
Zeit ist die politische Stellung der Klcinstaatler eine demüthigende, freier Bür¬
ger unwürdige gewesen, eine solche Stellung aber, wie sie jetzt den Waldeckern,
wenn auch vielleicht nur auf kurze Zeit angewiesen wird, sollte denn doch das
Maß selbst der deutschen, selbst der Geduld des übergeduldigen Kleinstaatlers
erschöpfen!
Leider ist von einer solchen Anschauung der Lage wenig im Lande zu be¬
merken. Die Ueberzeugung, daß die Einverleibung ohne einen Uebergangszu¬
stand das Heilsamste für das Land sein würde, ist zwar! wie schon gesagt, sehr-allge¬
mein geworden, und das Bekanntwerden'der Vertragsbestimmungen hat wahr¬
lich nur dazu beitragen können, diese Ueberzeugung zu verstärken. Aber nirgend
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