Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Betrachten wir die Sache kühl und rechnen wir ein wenig. Wenn wir von Solche und ähnliche Gespräche schienen den guten Pompilj zu überzeugen. In Temi, wo das zweite Nachtquartier gemacht wurde, begann die eigent¬ Von Temi ging es nach Spoleto, wo Pompilj ihn verließ; dann nach Betrachten wir die Sache kühl und rechnen wir ein wenig. Wenn wir von Solche und ähnliche Gespräche schienen den guten Pompilj zu überzeugen. In Temi, wo das zweite Nachtquartier gemacht wurde, begann die eigent¬ Von Temi ging es nach Spoleto, wo Pompilj ihn verließ; dann nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0394" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191624"/> <p xml:id="ID_1143" prev="#ID_1142"> Betrachten wir die Sache kühl und rechnen wir ein wenig. Wenn wir von<lb/> Karl Albert verlangten, er solle etwas thun, was gegen seine Interessen ist,<lb/> aus reinem Heroismus, um Italien, euch und uns allen zu helfen, dann könntet<lb/> ihr mir sagen: wie, auf den Verräther von 1821, den Henker von 1832 wollt<lb/> Ihr vertrauen? — und ihr hättet vielleicht Recht. Allein was ist es denn<lb/> eigentlich, was man von ihm verlangt? Daß er in unserem Interesse handle,<lb/> aber noch mehr in seinem eigenen. Man verlangt von ihm, daß er, wenn die<lb/> Stunde schlägt, sich helfen lasse größer und mächtiger zu werden, als er jetzt<lb/> ist und ihr wollt zweifeln, daß er geneigt sein werde?</p><lb/> <p xml:id="ID_1144"> Solche und ähnliche Gespräche schienen den guten Pompilj zu überzeugen.<lb/> Allein das schwierigste war. wenn es sich darum handelte, was denn nun<lb/> eigentlich geschehen solle. Da blieb nichts übrig, als Geduld zu predigen und<lb/> begreiflich zu machen, daß ohne ein großes europäisches Ereignis) es unmöglich<lb/> sei, für Italien, sich zu rühren, für Karl Albert, ihm beizustehen. — Und dieses<lb/> europäische Ereigniß, wann wird es eintreten? — Fraget den Himmel, versetzte<lb/> Azegliv. Er ahnte nicht, daß kaum noch drei Jahre bis zum Eintreten dieses<lb/> Ereignisses vergehen würden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1145"> In Temi, wo das zweite Nachtquartier gemacht wurde, begann die eigent¬<lb/> liche Reise, oder wie Azeglio sie nannte, seine Via ernois. Die liberale Cor-.<lb/> respondcnz im Kirchenstaat, die für den Verkehr der Secten eingerichtet worden<lb/> war, blieb auch, nachdem diese fast erloschen, ein großes Netz, das von einem<lb/> Ende des Staats zum andern reichte. In jedem Bezirk war ein zuverlässiger<lb/> Mann, der einen der Ringe der Kette bildete, und diese Kette hatte den Namen<lb/> ^ratilg, (Zieheiscn). Sie diente dazu, Nachrichten, Briefe, Befehle zu verbreiten,<lb/> zuweilen auch Personen, Flüchtlinge oder politische Commis Voyageurs zu be¬<lb/> fördern. In Temi nun war der erste Ring der Trasila, und gleich dieser erste<lb/> Vertrauensmann ließ sich über Erwarten gut an; er wie später fast alle waren<lb/> nicht schwer für die Idee Azeglios zu gewinnen. Alle waren überzeugt, daß die<lb/> Novinv Itg-Iig. eine Narrheit war, wie alle bisherigen Secten, Verschwörungen<lb/> und Revolutivnchen, und daß man andere Wege einschlagen müsse. Azeglios<lb/> Vorschläge wollten freilich anfangs nicht recht munden, allein die Leute über¬<lb/> zeugten sich doch, daß man ohne Macht nichts ausrichten könne, und nachdem<lb/> sie sich lange hin und her gedreht, versöhnten sie sich schließlich sogar mit der Idee Karl<lb/> Alberts. Absoluten Widerstand in dieser Beziehung traf er nur zweimal, als<lb/> er später nach Toscana kam; er scheint Giuv Capponi zu meinen und Mon-<lb/> tanelli.</p><lb/> <p xml:id="ID_1146" next="#ID_1147"> Von Temi ging es nach Spoleto, wo Pompilj ihn verließ; dann nach<lb/> Fuligno und durch die Mark nach Camerino, Loreto, Ancona und von hier<lb/> durch die Städte der Romagna. Ueberall mit erwünschtem Erfolg, ohne besondere<lb/> Abenteuer; da er als Künstler reiste, konnte er sich ohne Verdacht zu erregen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0394]
Betrachten wir die Sache kühl und rechnen wir ein wenig. Wenn wir von
Karl Albert verlangten, er solle etwas thun, was gegen seine Interessen ist,
aus reinem Heroismus, um Italien, euch und uns allen zu helfen, dann könntet
ihr mir sagen: wie, auf den Verräther von 1821, den Henker von 1832 wollt
Ihr vertrauen? — und ihr hättet vielleicht Recht. Allein was ist es denn
eigentlich, was man von ihm verlangt? Daß er in unserem Interesse handle,
aber noch mehr in seinem eigenen. Man verlangt von ihm, daß er, wenn die
Stunde schlägt, sich helfen lasse größer und mächtiger zu werden, als er jetzt
ist und ihr wollt zweifeln, daß er geneigt sein werde?
Solche und ähnliche Gespräche schienen den guten Pompilj zu überzeugen.
Allein das schwierigste war. wenn es sich darum handelte, was denn nun
eigentlich geschehen solle. Da blieb nichts übrig, als Geduld zu predigen und
begreiflich zu machen, daß ohne ein großes europäisches Ereignis) es unmöglich
sei, für Italien, sich zu rühren, für Karl Albert, ihm beizustehen. — Und dieses
europäische Ereigniß, wann wird es eintreten? — Fraget den Himmel, versetzte
Azegliv. Er ahnte nicht, daß kaum noch drei Jahre bis zum Eintreten dieses
Ereignisses vergehen würden.
In Temi, wo das zweite Nachtquartier gemacht wurde, begann die eigent¬
liche Reise, oder wie Azeglio sie nannte, seine Via ernois. Die liberale Cor-.
respondcnz im Kirchenstaat, die für den Verkehr der Secten eingerichtet worden
war, blieb auch, nachdem diese fast erloschen, ein großes Netz, das von einem
Ende des Staats zum andern reichte. In jedem Bezirk war ein zuverlässiger
Mann, der einen der Ringe der Kette bildete, und diese Kette hatte den Namen
^ratilg, (Zieheiscn). Sie diente dazu, Nachrichten, Briefe, Befehle zu verbreiten,
zuweilen auch Personen, Flüchtlinge oder politische Commis Voyageurs zu be¬
fördern. In Temi nun war der erste Ring der Trasila, und gleich dieser erste
Vertrauensmann ließ sich über Erwarten gut an; er wie später fast alle waren
nicht schwer für die Idee Azeglios zu gewinnen. Alle waren überzeugt, daß die
Novinv Itg-Iig. eine Narrheit war, wie alle bisherigen Secten, Verschwörungen
und Revolutivnchen, und daß man andere Wege einschlagen müsse. Azeglios
Vorschläge wollten freilich anfangs nicht recht munden, allein die Leute über¬
zeugten sich doch, daß man ohne Macht nichts ausrichten könne, und nachdem
sie sich lange hin und her gedreht, versöhnten sie sich schließlich sogar mit der Idee Karl
Alberts. Absoluten Widerstand in dieser Beziehung traf er nur zweimal, als
er später nach Toscana kam; er scheint Giuv Capponi zu meinen und Mon-
tanelli.
Von Temi ging es nach Spoleto, wo Pompilj ihn verließ; dann nach
Fuligno und durch die Mark nach Camerino, Loreto, Ancona und von hier
durch die Städte der Romagna. Ueberall mit erwünschtem Erfolg, ohne besondere
Abenteuer; da er als Künstler reiste, konnte er sich ohne Verdacht zu erregen
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