Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Wunsch der Liberalen des Landes war, ihm eine Art Leitung der Partei zu An einem Septembermorgen fuhr eine lustige Kutsche aus Porta del popolo. Reden wir klar, was wollt ihr, was will ich mit euch? Ihr wollt die Bei dem Wort Piemont schnitt der Reisegefährte ein Gesicht und bemerkte Azeglio zuckte die Achseln und erwiderte: nun, wenn ihr nicht hoffen wollt, - Aber 1821 und 1832? warf jener ein. -- 1821 und 1832 gefallen mir so wenig wie euch, obgleich sich auch Wunsch der Liberalen des Landes war, ihm eine Art Leitung der Partei zu An einem Septembermorgen fuhr eine lustige Kutsche aus Porta del popolo. Reden wir klar, was wollt ihr, was will ich mit euch? Ihr wollt die Bei dem Wort Piemont schnitt der Reisegefährte ein Gesicht und bemerkte Azeglio zuckte die Achseln und erwiderte: nun, wenn ihr nicht hoffen wollt, - Aber 1821 und 1832? warf jener ein. — 1821 und 1832 gefallen mir so wenig wie euch, obgleich sich auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191623"/> <p xml:id="ID_1136" prev="#ID_1135"> Wunsch der Liberalen des Landes war, ihm eine Art Leitung der Partei zu<lb/> übertragen, zunächst aber ihn persönlich kennen zu lernen und sich mit ihm zu<lb/> besprechen. Der Gedanke gefiel ihm. Nicht daß er mit Klarheit ein Mittel<lb/> sah, Italien zu helfen. Aber in dem Drang nach einer Beschäftigung, die den<lb/> ganzen Menschen ausfüllte, schien er keine bessere finden zu können. Er erbat<lb/> sich noch einige Bedenkzeit, erwog die Sache hin und her und nach ein paar<lb/> Tagen sagte er zu. Was ihn bestimmte, war einmal der Wunsch oder vielmehr<lb/> das Gefühl der Pflicht, nichts zu unterlassen, was jene gefürchteten Unruhen<lb/> verhindern könnte. Dann schien es ihm ein Mittel, seinen Unmuth zu ver-<lb/> scheuchen, und für seinen Hang zu Abenteuern und einer kraftvollen Thätigkeit<lb/> konnte es nichts Willkommeneres geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1137"> An einem Septembermorgen fuhr eine lustige Kutsche aus Porta del popolo.<lb/> Auf dem Bock der Vetturin Antonio, innen ein Maler mit allem Apparat seiner<lb/> Kunst versehen, neben ihm ein junger Mensch. Der Maler war Masfimo<lb/> d'Azeglio, sein Gefährte ein junger Umbrier, Namens Pompilj, der in seine<lb/> Heimath zurück wollte und der in das Geheimniß der Reise eingeweiht war.<lb/> Während der Fahrt wurde der Operationsplan des Näheren besprochen. Die<lb/> Absicht war zunächst die, die Macht der alten Ideen zu brechen und das Unsinnige der<lb/> Verschwörungen und Straßenaufstände zu zeigen. Allein dies war der leichtere<lb/> Theil der Aufgabe, der schwierigere war, neue Ideen an deren Stelle zu pflanzen<lb/> und zu zeigen, was Geduld, was passiver Widerstand und umsichtige Vor¬<lb/> bereitung einer Sache vermögen. Azeglio, dieser Schwierigkeit sich bewußt,<lb/> versuchte sich in der Überredungskunst zu üben, indem er sich an seinen Reise¬<lb/> gefährten wandte:</p><lb/> <p xml:id="ID_1138"> Reden wir klar, was wollt ihr, was will ich mit euch? Ihr wollt die<lb/> Deutschen aus Italien haben , und wollt die Regierung der Priester vertreiben.<lb/> Gut, aber wenn ihr sie bittet zu gehen, so werden sie vermuthlich sagen: Nein.<lb/> Man wird sie also zwingen müssen, und um sie zu zwingen, braucht es Macht,<lb/> und die Macht, wo habt ihr sie? Wenn ihr sie nicht selbst habt, müßt ihr<lb/> jemand finden, der sie hat. Und in Italien, wer hat sie, oder wer hat wenig¬<lb/> stens etwas Macht? Piemont: denn es ist unabhängig, es hat Geld, es<lb/> hat ein Heer u. s. w. u. s. w.</p><lb/> <p xml:id="ID_1139"> Bei dem Wort Piemont schnitt der Reisegefährte ein Gesicht und bemerkte<lb/> mit Ironie: Karl Albert! Wollt ihr, daß wir auf den hoffen?</p><lb/> <p xml:id="ID_1140"> Azeglio zuckte die Achseln und erwiderte: nun, wenn ihr nicht hoffen wollt,<lb/> so laßt es bleiben, aber dann müßt ihr euch resigniren, auf gar nichts zu hoffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1141"> - Aber 1821 und 1832? warf jener ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1142" next="#ID_1143"> — 1821 und 1832 gefallen mir so wenig wie euch, obgleich sich auch<lb/> über diese Dinge etwas sagen ließe. Aber das Schlimmste zugegeben, das ihr<lb/> meint, so wiederhole ich: entweder aus ihn müßt ihr hoffen oder auf nichts.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0393]
Wunsch der Liberalen des Landes war, ihm eine Art Leitung der Partei zu
übertragen, zunächst aber ihn persönlich kennen zu lernen und sich mit ihm zu
besprechen. Der Gedanke gefiel ihm. Nicht daß er mit Klarheit ein Mittel
sah, Italien zu helfen. Aber in dem Drang nach einer Beschäftigung, die den
ganzen Menschen ausfüllte, schien er keine bessere finden zu können. Er erbat
sich noch einige Bedenkzeit, erwog die Sache hin und her und nach ein paar
Tagen sagte er zu. Was ihn bestimmte, war einmal der Wunsch oder vielmehr
das Gefühl der Pflicht, nichts zu unterlassen, was jene gefürchteten Unruhen
verhindern könnte. Dann schien es ihm ein Mittel, seinen Unmuth zu ver-
scheuchen, und für seinen Hang zu Abenteuern und einer kraftvollen Thätigkeit
konnte es nichts Willkommeneres geben.
An einem Septembermorgen fuhr eine lustige Kutsche aus Porta del popolo.
Auf dem Bock der Vetturin Antonio, innen ein Maler mit allem Apparat seiner
Kunst versehen, neben ihm ein junger Mensch. Der Maler war Masfimo
d'Azeglio, sein Gefährte ein junger Umbrier, Namens Pompilj, der in seine
Heimath zurück wollte und der in das Geheimniß der Reise eingeweiht war.
Während der Fahrt wurde der Operationsplan des Näheren besprochen. Die
Absicht war zunächst die, die Macht der alten Ideen zu brechen und das Unsinnige der
Verschwörungen und Straßenaufstände zu zeigen. Allein dies war der leichtere
Theil der Aufgabe, der schwierigere war, neue Ideen an deren Stelle zu pflanzen
und zu zeigen, was Geduld, was passiver Widerstand und umsichtige Vor¬
bereitung einer Sache vermögen. Azeglio, dieser Schwierigkeit sich bewußt,
versuchte sich in der Überredungskunst zu üben, indem er sich an seinen Reise¬
gefährten wandte:
Reden wir klar, was wollt ihr, was will ich mit euch? Ihr wollt die
Deutschen aus Italien haben , und wollt die Regierung der Priester vertreiben.
Gut, aber wenn ihr sie bittet zu gehen, so werden sie vermuthlich sagen: Nein.
Man wird sie also zwingen müssen, und um sie zu zwingen, braucht es Macht,
und die Macht, wo habt ihr sie? Wenn ihr sie nicht selbst habt, müßt ihr
jemand finden, der sie hat. Und in Italien, wer hat sie, oder wer hat wenig¬
stens etwas Macht? Piemont: denn es ist unabhängig, es hat Geld, es
hat ein Heer u. s. w. u. s. w.
Bei dem Wort Piemont schnitt der Reisegefährte ein Gesicht und bemerkte
mit Ironie: Karl Albert! Wollt ihr, daß wir auf den hoffen?
Azeglio zuckte die Achseln und erwiderte: nun, wenn ihr nicht hoffen wollt,
so laßt es bleiben, aber dann müßt ihr euch resigniren, auf gar nichts zu hoffen.
- Aber 1821 und 1832? warf jener ein.
— 1821 und 1832 gefallen mir so wenig wie euch, obgleich sich auch
über diese Dinge etwas sagen ließe. Aber das Schlimmste zugegeben, das ihr
meint, so wiederhole ich: entweder aus ihn müßt ihr hoffen oder auf nichts.
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