Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.für das Programm eine Partei zu werben, die verwandten Elemente zu sam¬ Die Privatsache eines Freundes ruft ihn eines Tages plötzlich nach Rom. Filippo begann ihm die Lage der Romagna zu schildern. Mit Papst für das Programm eine Partei zu werben, die verwandten Elemente zu sam¬ Die Privatsache eines Freundes ruft ihn eines Tages plötzlich nach Rom. Filippo begann ihm die Lage der Romagna zu schildern. Mit Papst <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0392" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191622"/> <p xml:id="ID_1133" prev="#ID_1132"> für das Programm eine Partei zu werben, die verwandten Elemente zu sam¬<lb/> meln, ihnen Halt und Direktion zu geben, und hiefür schien sich wegen seiner<lb/> zahlreichen Verbindungen in den verschiedenen Theilen der Halbinsel, wegen<lb/> seiner ganzen Persönlichkeit niemand so zu eignen, als eben Massimv d'Azegliv.<lb/> Er sollte den Werber für die neue gemäßigte Partei machen. Dies war sein<lb/> Eintritt in die politische Laufbahn, und es ist nicht ohne Interesse, ihn auf<lb/> den ersten Schritten derselben zu begleiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1134"> Die Privatsache eines Freundes ruft ihn eines Tages plötzlich nach Rom.<lb/> Nachdem er dieselbe glücklich bereinigt, beschließt er, sich wieder für einen längeren<lb/> Aufenthalt hier einzurichten, der, wie früher, ausschließlich der Kunst gewidmet<lb/> sein soll. Im Haus einer Wittwe, wo alle Jtalianissimi, vernünftige wie ver¬<lb/> rückte sich zusammenfinden, macht er nähere Bekanntschaft mit zwei Romagnolen.<lb/> Einer derselben, Filippo, aus Cesena gebürtig, eröffnet ihm eines Tags, er<lb/> habe ein ernsthaftes und langes Gespräch mit ihm zu führen, und es wurde<lb/> der Abend hiefür im Haus jener Wittwe verabredet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1135" next="#ID_1136"> Filippo begann ihm die Lage der Romagna zu schildern. Mit Papst<lb/> Gregor, sagte er, gehe es zu Ende, und es sei zu fürchten, daß dann einer<lb/> jener herkömmlichen unsinnigen, und immer verhängnißvollen Mazziniputsche<lb/> zum Ausbruch gelangen werde. Die verständigen und ehrlichen Leute wünschten<lb/> ernstlich diese Erhebung vermieden. Denn diese Aufstände hätten keine andere<lb/> Folge als das Erscheinen der Oestreicher, Gefängniß. Verbannung, Tod für<lb/> Viele, Verschlimmerung der Lage für Alle. In der Romagna seien alle Leute<lb/> von Urtheil der Secten, der Verschwörungen, der Carbonari. des jungen Italiens<lb/> müde und überzeugt, daß das alles nur die Jünglinge zum Galgen oder ins<lb/> Exil führe. Es existiren, fuhr er auf Azeglios Frage fort, wohl noch Secten<lb/> unter dem gemeinen Volk, aber sie sind auch da in Verfall gekommen, und je¬<lb/> dermann lacht über sie. Nun haben viele der einflußreichsten Leute gedacht,<lb/> es wäre von größtem Werth, den vorauszusehenden Leiden vorzubeugen, und<lb/> dazu bedürfe es eines neuen, nicht abgenützten Mannes, eines Mannes, der<lb/> Vertrauen einflößt, der so viele Wünsche und widersprechende, undisciplinirtc<lb/> Ideen zu verbinden, zu lenken, zu zügeln verstände, und dieser Mann, meinen<lb/> sie, lieber Azeglio, müßte kein anderer sein, als Ihr. — Ich? rief der Angere¬<lb/> dete nicht wenig überrascht. — Ja. Ihr. Ihr gellet bei allen Parteien als<lb/> ein Ehrenmann, Ihr seid kein Verdächtiger, kurz, Ihr müßt es sein; und auf<lb/> die Einwendungen Azeglios, er sei nie ein Carbvnaro noch Calderaro, noch<lb/> Gott weiß sonstwas gewesen, und von allen Ideen der Aioviuö Italia theile er<lb/> außer dem Artikel Unabhängigkeit keinen einzigen, fuhr jener dringlicher fort:<lb/> um so besser, wenn Ihr Ideen habt, die denen Mazzinis entgegengesetzt sind; das<lb/> wird auf die Leute, die, der Vergangenheit müde, ungewiß in die Zukunft blicken,<lb/> um so bessern Eindruck machen. Azeglio entnahm dem Gespräch, daß es der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0392]
für das Programm eine Partei zu werben, die verwandten Elemente zu sam¬
meln, ihnen Halt und Direktion zu geben, und hiefür schien sich wegen seiner
zahlreichen Verbindungen in den verschiedenen Theilen der Halbinsel, wegen
seiner ganzen Persönlichkeit niemand so zu eignen, als eben Massimv d'Azegliv.
Er sollte den Werber für die neue gemäßigte Partei machen. Dies war sein
Eintritt in die politische Laufbahn, und es ist nicht ohne Interesse, ihn auf
den ersten Schritten derselben zu begleiten.
Die Privatsache eines Freundes ruft ihn eines Tages plötzlich nach Rom.
Nachdem er dieselbe glücklich bereinigt, beschließt er, sich wieder für einen längeren
Aufenthalt hier einzurichten, der, wie früher, ausschließlich der Kunst gewidmet
sein soll. Im Haus einer Wittwe, wo alle Jtalianissimi, vernünftige wie ver¬
rückte sich zusammenfinden, macht er nähere Bekanntschaft mit zwei Romagnolen.
Einer derselben, Filippo, aus Cesena gebürtig, eröffnet ihm eines Tags, er
habe ein ernsthaftes und langes Gespräch mit ihm zu führen, und es wurde
der Abend hiefür im Haus jener Wittwe verabredet.
Filippo begann ihm die Lage der Romagna zu schildern. Mit Papst
Gregor, sagte er, gehe es zu Ende, und es sei zu fürchten, daß dann einer
jener herkömmlichen unsinnigen, und immer verhängnißvollen Mazziniputsche
zum Ausbruch gelangen werde. Die verständigen und ehrlichen Leute wünschten
ernstlich diese Erhebung vermieden. Denn diese Aufstände hätten keine andere
Folge als das Erscheinen der Oestreicher, Gefängniß. Verbannung, Tod für
Viele, Verschlimmerung der Lage für Alle. In der Romagna seien alle Leute
von Urtheil der Secten, der Verschwörungen, der Carbonari. des jungen Italiens
müde und überzeugt, daß das alles nur die Jünglinge zum Galgen oder ins
Exil führe. Es existiren, fuhr er auf Azeglios Frage fort, wohl noch Secten
unter dem gemeinen Volk, aber sie sind auch da in Verfall gekommen, und je¬
dermann lacht über sie. Nun haben viele der einflußreichsten Leute gedacht,
es wäre von größtem Werth, den vorauszusehenden Leiden vorzubeugen, und
dazu bedürfe es eines neuen, nicht abgenützten Mannes, eines Mannes, der
Vertrauen einflößt, der so viele Wünsche und widersprechende, undisciplinirtc
Ideen zu verbinden, zu lenken, zu zügeln verstände, und dieser Mann, meinen
sie, lieber Azeglio, müßte kein anderer sein, als Ihr. — Ich? rief der Angere¬
dete nicht wenig überrascht. — Ja. Ihr. Ihr gellet bei allen Parteien als
ein Ehrenmann, Ihr seid kein Verdächtiger, kurz, Ihr müßt es sein; und auf
die Einwendungen Azeglios, er sei nie ein Carbvnaro noch Calderaro, noch
Gott weiß sonstwas gewesen, und von allen Ideen der Aioviuö Italia theile er
außer dem Artikel Unabhängigkeit keinen einzigen, fuhr jener dringlicher fort:
um so besser, wenn Ihr Ideen habt, die denen Mazzinis entgegengesetzt sind; das
wird auf die Leute, die, der Vergangenheit müde, ungewiß in die Zukunft blicken,
um so bessern Eindruck machen. Azeglio entnahm dem Gespräch, daß es der
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |