Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Staatenzertrümmerungen, lauter Erinnerungen, welche die Mehrzahl in den Als die Revolution im März 1821 ausbrach, war Azeglio wieder in Rom. Die Jahre, die Massimo als Künstler in Rom zubrachte, waren sür den Staatenzertrümmerungen, lauter Erinnerungen, welche die Mehrzahl in den Als die Revolution im März 1821 ausbrach, war Azeglio wieder in Rom. Die Jahre, die Massimo als Künstler in Rom zubrachte, waren sür den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191620"/> <p xml:id="ID_1127" prev="#ID_1126"> Staatenzertrümmerungen, lauter Erinnerungen, welche die Mehrzahl in den<lb/> Restaurationen nur eine willkommene Rückkehr zu einem Zustand der Ruhe,<lb/> des Glücks, der Befreiung von verhaßter Tyrannei erblicken ließen; die Masse<lb/> war somit für Veränderungen nichts weniger als empfänglich, und es war<lb/> später der Hauptgrundzug der Wirksamkeit Azeglios die Ueberzeugung, daß man nicht<lb/> mit gewaltsamen Erhebungen weiter komme, daß man vielmehr, um Erfolge zu<lb/> erzielen, die öffentliche Meinung gewinnen und auf sie sich stützen müsse. Eben<lb/> dies, die Conspiration g,1 elriaro fois unterschied die politische Bewegung in<lb/> Italien seit dem Jahr 1845 von den vorausgegangenen Versuchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1128"> Als die Revolution im März 1821 ausbrach, war Azeglio wieder in Rom.<lb/> Die Freunde riefen ihn sofort herbei. Der Vater dagegen hatte eilends Briefe<lb/> nach Rom, und falls er sich schon auf den Weg begeben hätte, nach Florenz<lb/> und Genua gesandt, worin er dem Sohn befahl, unter keinem Vorwand nach<lb/> Turin zu kommen. Es war nicht nöthig gewesen, denn Masfimo dachte nicht<lb/> daran, sich für die spanische Verfassung zu erhitzen. Für die Familie hatte<lb/> übrigens die Revolution lang nachwirkende schmerzliche Folgen. Der Vater<lb/> war bei der ersten Nachricht vom Ausbruch der Meuterei zum König geeilt, der<lb/> zwischen entgegengesetzten Entschlüssen wankte. Aengstlich erwartete man die<lb/> Entscheidung. Ein Theil der achtzig- und neunzigjährigen Generale hatte die<lb/> Pferde in den Schloßhof bringen lassen und in der Besorgniß, wenn der Befehl<lb/> zum Ausrücken ertheilt würde, nicht rasch genug in den Steigbügel zu kommen,<lb/> hatten sie den Rath zeitig verlassen, waren hinabgegangen und hatten sich in<lb/> den Sattel heben lassen, um sofort dem Befehle nachkommen zu können. Aber<lb/> der gute Vittorio konnte sich nicht zum Widerstand entschließen, ebensowenig<lb/> mochte er die Forderungen der Verschworenen bewilligen, er wählte einen dritten<lb/> Weg: er dankte ab und fuhr davon. Die Generale mußten wieder absitzen.<lb/> Der alte Azeglio, der, seiner streng monarchischen Gesinnung treu, zum Wider¬<lb/> stand gerathen hatte, verabschiedete sich trauernd vom König, ein unheilvoller<lb/> Beschluß schien ihm gefaßt; zu Hause angekommen gürtete er sich den Degen<lb/> ab, warf ihn grollend zur Erde und schloß sich in sein Zimmer ein. Noch ein<lb/> anderer Schmerz blieb ihm nicht erspart. Robert, der älteste Sohn, war zwar<lb/> nicht unter den Hauptverschworenen, hatte sich aber doch soweit compromittirt,<lb/> daß es gerathen schien, sich den ersten Racheactcn der Regierung Karl Felix<lb/> zu entziehen. Er begab sich mit seiner Familie nach der Schweiz und später<lb/> für längere Jahre nach Paris, wo sein Schwiegervater, der Marchese Alsteri,<lb/> Sardinischer Gesandter war. Dem Vater war es ein unerträglicher, noch spät<lb/> in seiner ganzen Bitterkeit lebendiger Gedanke, daß sein Name vielleicht als<lb/> Name eines Rebellen an den Galgen geschlagen werden könnte, und ganz hat<lb/> sich die Spannung zwischen Vater und Sohn nie wieder gehoben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1129" next="#ID_1130"> Die Jahre, die Massimo als Künstler in Rom zubrachte, waren sür den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0390]
Staatenzertrümmerungen, lauter Erinnerungen, welche die Mehrzahl in den
Restaurationen nur eine willkommene Rückkehr zu einem Zustand der Ruhe,
des Glücks, der Befreiung von verhaßter Tyrannei erblicken ließen; die Masse
war somit für Veränderungen nichts weniger als empfänglich, und es war
später der Hauptgrundzug der Wirksamkeit Azeglios die Ueberzeugung, daß man nicht
mit gewaltsamen Erhebungen weiter komme, daß man vielmehr, um Erfolge zu
erzielen, die öffentliche Meinung gewinnen und auf sie sich stützen müsse. Eben
dies, die Conspiration g,1 elriaro fois unterschied die politische Bewegung in
Italien seit dem Jahr 1845 von den vorausgegangenen Versuchen.
Als die Revolution im März 1821 ausbrach, war Azeglio wieder in Rom.
Die Freunde riefen ihn sofort herbei. Der Vater dagegen hatte eilends Briefe
nach Rom, und falls er sich schon auf den Weg begeben hätte, nach Florenz
und Genua gesandt, worin er dem Sohn befahl, unter keinem Vorwand nach
Turin zu kommen. Es war nicht nöthig gewesen, denn Masfimo dachte nicht
daran, sich für die spanische Verfassung zu erhitzen. Für die Familie hatte
übrigens die Revolution lang nachwirkende schmerzliche Folgen. Der Vater
war bei der ersten Nachricht vom Ausbruch der Meuterei zum König geeilt, der
zwischen entgegengesetzten Entschlüssen wankte. Aengstlich erwartete man die
Entscheidung. Ein Theil der achtzig- und neunzigjährigen Generale hatte die
Pferde in den Schloßhof bringen lassen und in der Besorgniß, wenn der Befehl
zum Ausrücken ertheilt würde, nicht rasch genug in den Steigbügel zu kommen,
hatten sie den Rath zeitig verlassen, waren hinabgegangen und hatten sich in
den Sattel heben lassen, um sofort dem Befehle nachkommen zu können. Aber
der gute Vittorio konnte sich nicht zum Widerstand entschließen, ebensowenig
mochte er die Forderungen der Verschworenen bewilligen, er wählte einen dritten
Weg: er dankte ab und fuhr davon. Die Generale mußten wieder absitzen.
Der alte Azeglio, der, seiner streng monarchischen Gesinnung treu, zum Wider¬
stand gerathen hatte, verabschiedete sich trauernd vom König, ein unheilvoller
Beschluß schien ihm gefaßt; zu Hause angekommen gürtete er sich den Degen
ab, warf ihn grollend zur Erde und schloß sich in sein Zimmer ein. Noch ein
anderer Schmerz blieb ihm nicht erspart. Robert, der älteste Sohn, war zwar
nicht unter den Hauptverschworenen, hatte sich aber doch soweit compromittirt,
daß es gerathen schien, sich den ersten Racheactcn der Regierung Karl Felix
zu entziehen. Er begab sich mit seiner Familie nach der Schweiz und später
für längere Jahre nach Paris, wo sein Schwiegervater, der Marchese Alsteri,
Sardinischer Gesandter war. Dem Vater war es ein unerträglicher, noch spät
in seiner ganzen Bitterkeit lebendiger Gedanke, daß sein Name vielleicht als
Name eines Rebellen an den Galgen geschlagen werden könnte, und ganz hat
sich die Spannung zwischen Vater und Sohn nie wieder gehoben.
Die Jahre, die Massimo als Künstler in Rom zubrachte, waren sür den
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