Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.wie ihr. Aber nun komm mit und sei nur unbesorgt. Erst kannst du dich von Ich ging herzlich gern mit, Nachstellungen fürchtete ich nicht, da ich nichts Wir sind unserer zwei, sagte er, die denselben Platz bewohnen, wir haben ") Boten, Herolde, Gesandte waren durch den Heroldsstab, den sie führten, unter den Gottesfrieden gestellt, ") Vierzig Stadien machen eine geographische Meile.
wie ihr. Aber nun komm mit und sei nur unbesorgt. Erst kannst du dich von Ich ging herzlich gern mit, Nachstellungen fürchtete ich nicht, da ich nichts Wir sind unserer zwei, sagte er, die denselben Platz bewohnen, wir haben ") Boten, Herolde, Gesandte waren durch den Heroldsstab, den sie führten, unter den Gottesfrieden gestellt, ") Vierzig Stadien machen eine geographische Meile.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191606"/> <p xml:id="ID_1098" prev="#ID_1097"> wie ihr. Aber nun komm mit und sei nur unbesorgt. Erst kannst du dich von<lb/> deinen Beschwerden erholen; morgen, wenn es möglich ist, wollen wir für dein<lb/> Fortkommen sorgen, da wir nun einmal Bekanntschaft gemacht haben. Du<lb/> scheinst mir ein Städter zu sein, kein Schiffer oder Landmann, und nach Deiner<lb/> Magerkeit zu schließen, bist du leidend.</p><lb/> <p xml:id="ID_1099"> Ich ging herzlich gern mit, Nachstellungen fürchtete ich nicht, da ich nichts<lb/> als ein schlechtes Kleid hatte. Das habe ich auf meinen langen Reisen oft und<lb/> auch damals erfahren, daß Armuth geheiligt ist und sicherern Schutz verleiht<lb/> als ein Heroldsstab;*) so ging ich denn getrost mit ihm. Bis zur Wohnung<lb/> waren es etwa vierzig Stadien"*) und unterwegs erzählte er mir im Gehen<lb/> von seinen Verhältnissen und dem Leben, das er mit Frau und Kindern führte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1100" next="#ID_1101"> Wir sind unserer zwei, sagte er, die denselben Platz bewohnen, wir haben<lb/> einer des anderen Schwester geheirathet und von ihnen Söhne und Töchter.<lb/> Unseren Unterhalt haben wir hauptsächlich von der Jagd, doch bebauen wir<lb/> auch ein kleines Stück Land; das Grundstück ist indessen nicht unser Eigenthum,<lb/> weder väterliches Erbtheil noch erkauft. Denn unsere Väter waren Freie, aber<lb/> so arm wie wir, Hirten, die um Lohn die Rinder eines reichen Mannes hier<lb/> von der Insel hüteten, der große Heerden von Pferden, Rindern und Schafen<lb/> und dies ganze Gebirge besaß. Als nach seinem Tode sein Besitzthum einge¬<lb/> zogen wurde — es hieß, der Kaiser habe ihn seines Vermögens wegen<lb/> tödten lassen —, wurden die Heerden gleich zum Verkauf fortgetrieben, mit<lb/> ihnen auch unsere paar Rinder und den Lohn zahlte niemand aus. Da blieben<lb/> wir denn aus Noth hier, wo wir unsere Kühe hüteten und wo wir uns ein<lb/> paar Hütten eingerichtet hatten und einen kleinen Hof, der mit Pfählen umzäunt<lb/> war, nicht eben fest, nur der Kälber wegen und auch nur für den Sommer. Denn<lb/> im Winter weideten wir in der Ebene, wo es Futter die Menge gab und trieben<lb/> im Sommer das Vieh in die Berge. Meistens nehmen wir an diesem Platz<lb/> unsern Aufenthalt; er hat Abfluß, an beiden Seiten ist eine tiefe, schattige Schlucht,<lb/> mitten durch geht ein Fluß, nicht reißend, sondern für Kühe und Kälber gut zu<lb/> Passiren, mit reichlichem klarem Wasser, weil die Quelle in der Nähe aufspru¬<lb/> delt, und den ganzen Sommer über zieht der Schlucht wegen ein frischer Wind<lb/> durch. Die umliegenden waldigen Hohen steigen sanft an, sind gut bewässert<lb/> und schaben keine Stechfliegen noch andere Plagen für das Vieh. Unter hohen,<lb/> einzeln stehenden Bäumen breiten sich viele prächtige Wiesen aus und bringen<lb/> den ganzen Sommer die schönsten Kräuter in Fülle, daß man nicht weit her¬<lb/> umzuziehen braucht. Deshalb zog man gewöhnlich mit den Heerden Hieher,</p><lb/> <note xml:id="FID_37" place="foot"> ") Boten, Herolde, Gesandte waren durch den Heroldsstab, den sie führten, unter den<lb/> Gottesfrieden gestellt,</note><lb/> <note xml:id="FID_38" place="foot"> ") Vierzig Stadien machen eine geographische Meile.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376]
wie ihr. Aber nun komm mit und sei nur unbesorgt. Erst kannst du dich von
deinen Beschwerden erholen; morgen, wenn es möglich ist, wollen wir für dein
Fortkommen sorgen, da wir nun einmal Bekanntschaft gemacht haben. Du
scheinst mir ein Städter zu sein, kein Schiffer oder Landmann, und nach Deiner
Magerkeit zu schließen, bist du leidend.
Ich ging herzlich gern mit, Nachstellungen fürchtete ich nicht, da ich nichts
als ein schlechtes Kleid hatte. Das habe ich auf meinen langen Reisen oft und
auch damals erfahren, daß Armuth geheiligt ist und sicherern Schutz verleiht
als ein Heroldsstab;*) so ging ich denn getrost mit ihm. Bis zur Wohnung
waren es etwa vierzig Stadien"*) und unterwegs erzählte er mir im Gehen
von seinen Verhältnissen und dem Leben, das er mit Frau und Kindern führte.
Wir sind unserer zwei, sagte er, die denselben Platz bewohnen, wir haben
einer des anderen Schwester geheirathet und von ihnen Söhne und Töchter.
Unseren Unterhalt haben wir hauptsächlich von der Jagd, doch bebauen wir
auch ein kleines Stück Land; das Grundstück ist indessen nicht unser Eigenthum,
weder väterliches Erbtheil noch erkauft. Denn unsere Väter waren Freie, aber
so arm wie wir, Hirten, die um Lohn die Rinder eines reichen Mannes hier
von der Insel hüteten, der große Heerden von Pferden, Rindern und Schafen
und dies ganze Gebirge besaß. Als nach seinem Tode sein Besitzthum einge¬
zogen wurde — es hieß, der Kaiser habe ihn seines Vermögens wegen
tödten lassen —, wurden die Heerden gleich zum Verkauf fortgetrieben, mit
ihnen auch unsere paar Rinder und den Lohn zahlte niemand aus. Da blieben
wir denn aus Noth hier, wo wir unsere Kühe hüteten und wo wir uns ein
paar Hütten eingerichtet hatten und einen kleinen Hof, der mit Pfählen umzäunt
war, nicht eben fest, nur der Kälber wegen und auch nur für den Sommer. Denn
im Winter weideten wir in der Ebene, wo es Futter die Menge gab und trieben
im Sommer das Vieh in die Berge. Meistens nehmen wir an diesem Platz
unsern Aufenthalt; er hat Abfluß, an beiden Seiten ist eine tiefe, schattige Schlucht,
mitten durch geht ein Fluß, nicht reißend, sondern für Kühe und Kälber gut zu
Passiren, mit reichlichem klarem Wasser, weil die Quelle in der Nähe aufspru¬
delt, und den ganzen Sommer über zieht der Schlucht wegen ein frischer Wind
durch. Die umliegenden waldigen Hohen steigen sanft an, sind gut bewässert
und schaben keine Stechfliegen noch andere Plagen für das Vieh. Unter hohen,
einzeln stehenden Bäumen breiten sich viele prächtige Wiesen aus und bringen
den ganzen Sommer die schönsten Kräuter in Fülle, daß man nicht weit her¬
umzuziehen braucht. Deshalb zog man gewöhnlich mit den Heerden Hieher,
") Boten, Herolde, Gesandte waren durch den Heroldsstab, den sie führten, unter den
Gottesfrieden gestellt,
") Vierzig Stadien machen eine geographische Meile.
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