Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.seiner Vaterstadt, er war in Aegypten, als Vespasian auf den Thron berufen Die Erzählung, welche sich als eine selbsterlebte ankündigt, dient als Ein¬ Ich will euch erzählen was ich selbst gesehen, nicht von andern gehört ") Es ist unverkennbar, daß Dio wirklich genaue, ans Nnropsie gegründete OrtÄkennt-
niß hatte. seiner Vaterstadt, er war in Aegypten, als Vespasian auf den Thron berufen Die Erzählung, welche sich als eine selbsterlebte ankündigt, dient als Ein¬ Ich will euch erzählen was ich selbst gesehen, nicht von andern gehört ") Es ist unverkennbar, daß Dio wirklich genaue, ans Nnropsie gegründete OrtÄkennt-
niß hatte. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191604"/> <p xml:id="ID_1094" prev="#ID_1093"> seiner Vaterstadt, er war in Aegypten, als Vespasian auf den Thron berufen<lb/> wurde, und kam mit diesem, der ihn schätzte, nach Rom. Auch der Gunst des<lb/> Domitian erfreute er sich einige Zeit, doch brachte ihn sein vertrauter Verkehr<lb/> mit eiuer dem Kaiser nahe stehenden Persönlichkeit — wahrscheinlich Flavius<lb/> Sabinus. seinem Oheim — in einen Verdacht, dessen Gefahren er durch eine<lb/> freiwillige Verbannung sich zu entziehen für gut fand. Eine Reihe von Jahren<lb/> war er unstet auf weiten Reisen, die ihn unter Entbehrungen und Gefahren<lb/> bis zu den Geten führten; dort stellte er eingehende Forschungen an, deren<lb/> Resultate er in einem größeren historischen Werke mittheilte. Die Thronbestei¬<lb/> gung seines Gönners Trojan brachte ihn wieder in Gunst, welche er zunächst<lb/> zum Vortheil seiner Vaterstadt verwandte, wo er dessen ungeachtet einen ruhigen<lb/> Aufenthalt nicht finden konnte. Er begab sich nach Rom und lebte hier als<lb/> Redner und Lehrer angesehen, seines unabhängigen, ehrenwerthen Charakters<lb/> wegen hoch geachtet; es ist nicht bekannt wie lange, und wann er starb. In<lb/> jüngeren Jahren war Dio einer schmuckreichen, prunkenden Beredsamkeit zu¬<lb/> gethan und stand in einem Gegensatz zur Philosophie, den er in mehreren Schrif¬<lb/> ten lebhaft aussprach. Seine Reisen, auf denen er Platos Phädon und De-<lb/> mosthenes Rede über die Gesandtschaft beständig bei sich führte, reiften durch<lb/> mannigfache Lebenserfahrungen seine Ansichten und lauterem seinen Geschmack.<lb/> Ohne einem bestimmten philosophischen System zu huldigen machte er in seinen<lb/> öffentlichen Vorträgen und in seinen Schriften, deren eine große Zahl war,<lb/> vorzugsweise ethische Fragen zum Gegenstand seiner Behandlung. Vermißt<lb/> man gleich Tiefe und Originalität der Auffassung, so spricht sich überall ein<lb/> edler, maßvoller Sinn und warmes menschliches Gefühl aus; die Darstellung,<lb/> welche durchweg von gründlicher Bildung und Belesenheit zeugt, läßt sich zwar<lb/> gern gehen, ist aber im Ganzen natürlich und einfach und noch frei von der<lb/> gesuchten Zierlichkeit der eigentlichen Sophisten, welche die Stilistik als eine<lb/> Mosaikarbeit aus attischen Wendungen und Wörtern ansahen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1095"> Die Erzählung, welche sich als eine selbsterlebte ankündigt, dient als Ein¬<lb/> leitung zu einer allgemeinen ethischen Betrachtung und lautet etwa so:</p><lb/> <p xml:id="ID_1096" next="#ID_1097"> Ich will euch erzählen was ich selbst gesehen, nicht von andern gehört<lb/> habe.") Macht doch nicht blos das Alter redselig, daß man keine Gelegenheit<lb/> zum Erzählen vorübergehen läßt, sondern auch das Reisen — natürlich, beide<lb/> lassen vieles erfahren, woran man sich gern erinnert. Ich will euch erzählen was<lb/> für Leute ich getroffen habe und wie man leben kann, so zu sagen mitten in<lb/> Hellas. Ich setzte von Chios nach der Sommerzeit mit Fischern in einem ganz<lb/> kleinen Fahrzeug nach dem Festland über. Unterwegs befiel uns ein heftiger</p><lb/> <note xml:id="FID_34" place="foot"> ") Es ist unverkennbar, daß Dio wirklich genaue, ans Nnropsie gegründete OrtÄkennt-<lb/> niß hatte.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0374]
seiner Vaterstadt, er war in Aegypten, als Vespasian auf den Thron berufen
wurde, und kam mit diesem, der ihn schätzte, nach Rom. Auch der Gunst des
Domitian erfreute er sich einige Zeit, doch brachte ihn sein vertrauter Verkehr
mit eiuer dem Kaiser nahe stehenden Persönlichkeit — wahrscheinlich Flavius
Sabinus. seinem Oheim — in einen Verdacht, dessen Gefahren er durch eine
freiwillige Verbannung sich zu entziehen für gut fand. Eine Reihe von Jahren
war er unstet auf weiten Reisen, die ihn unter Entbehrungen und Gefahren
bis zu den Geten führten; dort stellte er eingehende Forschungen an, deren
Resultate er in einem größeren historischen Werke mittheilte. Die Thronbestei¬
gung seines Gönners Trojan brachte ihn wieder in Gunst, welche er zunächst
zum Vortheil seiner Vaterstadt verwandte, wo er dessen ungeachtet einen ruhigen
Aufenthalt nicht finden konnte. Er begab sich nach Rom und lebte hier als
Redner und Lehrer angesehen, seines unabhängigen, ehrenwerthen Charakters
wegen hoch geachtet; es ist nicht bekannt wie lange, und wann er starb. In
jüngeren Jahren war Dio einer schmuckreichen, prunkenden Beredsamkeit zu¬
gethan und stand in einem Gegensatz zur Philosophie, den er in mehreren Schrif¬
ten lebhaft aussprach. Seine Reisen, auf denen er Platos Phädon und De-
mosthenes Rede über die Gesandtschaft beständig bei sich führte, reiften durch
mannigfache Lebenserfahrungen seine Ansichten und lauterem seinen Geschmack.
Ohne einem bestimmten philosophischen System zu huldigen machte er in seinen
öffentlichen Vorträgen und in seinen Schriften, deren eine große Zahl war,
vorzugsweise ethische Fragen zum Gegenstand seiner Behandlung. Vermißt
man gleich Tiefe und Originalität der Auffassung, so spricht sich überall ein
edler, maßvoller Sinn und warmes menschliches Gefühl aus; die Darstellung,
welche durchweg von gründlicher Bildung und Belesenheit zeugt, läßt sich zwar
gern gehen, ist aber im Ganzen natürlich und einfach und noch frei von der
gesuchten Zierlichkeit der eigentlichen Sophisten, welche die Stilistik als eine
Mosaikarbeit aus attischen Wendungen und Wörtern ansahen.
Die Erzählung, welche sich als eine selbsterlebte ankündigt, dient als Ein¬
leitung zu einer allgemeinen ethischen Betrachtung und lautet etwa so:
Ich will euch erzählen was ich selbst gesehen, nicht von andern gehört
habe.") Macht doch nicht blos das Alter redselig, daß man keine Gelegenheit
zum Erzählen vorübergehen läßt, sondern auch das Reisen — natürlich, beide
lassen vieles erfahren, woran man sich gern erinnert. Ich will euch erzählen was
für Leute ich getroffen habe und wie man leben kann, so zu sagen mitten in
Hellas. Ich setzte von Chios nach der Sommerzeit mit Fischern in einem ganz
kleinen Fahrzeug nach dem Festland über. Unterwegs befiel uns ein heftiger
") Es ist unverkennbar, daß Dio wirklich genaue, ans Nnropsie gegründete OrtÄkennt-
niß hatte.
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