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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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anklage. mindestens gegen den Kriegsminister, zu inauguriren. Und wie würden
die Kammern sich überhaupt zu einer Regierung gestellt haben, die in eigensüchtigen
undeutschen Streben so unsägliches Unheil über das Land gebracht hatte. Und
kein Ministerwechsel hätte da geholfen, die Person des Königs war zu tief ver¬
flochten in die vom Volk verdammte Politik. Durch Abdankung des Königs
aber formell den Kronprinzen zum König erheben, in der That aber zum willen¬
losen Werkzeug seines, dann noch unbeschränkter, seinen preußenfeindlichen Nei¬
gungen folgenden Vaters machen und damit neben Verfolgung der Preußen-
freunde und Kampf gegen die Stände noch Intriguen und Ränke in den höchsten
Kreisen herbeiführen, hätte den Zustand nur verschlimmert. Es war zu vieles
faul im Staat Hannover, und zu furchtbar -offen lagen die faulen Flecke vor
Augen; mit eigner Kraft, nur im eignen Hause Heilung zu erringen, das wäre
eine Aufgabe gewesen, die schwerlich überhaupt gelungen wäre, jedenfalls aber
zunächst so bittre Kämpfe, so heftige Aufregung und so schroffe Parteiung her¬
vorgerufen hätte, daß die in deren Gefolge unvermeidlich auftretende Mißstim¬
mung und Unzufriedenheit unendlich Viel größer gewesen sein und das Gemein¬
wohl viel tiefer geschädigt haben würde, als es jetzt mit der Abneigung gegen
die neuen Zustände der Fall ist.

Unsrer unverbrüchlichen Ueberzeugung nach können wir deshalb grade in
dieser Hinsicht uns auch nur glücklich preisen, mit der Einverleibung in Preußen
einem trostlosen inneren Wirrsal entgangen zu sein.

Ganz genau ebenso steht es in finanzieller Beziehung, und ist es wunder¬
bar, wie wenig sich die Meisten darüber klar sind. Da wird immer nur auf die
neuen Steuern und deren höhern Betrag verwiesen und das Plus gegen früher
als eine Belastung angesehen, die dem Lande erspart geblieben sein würde,
wenn Hannover selbständig geblieben wäre; und doch ist nichts irrthümlicher
als solche Anschauung. Hätte Hannover eine gleiche Behandlung wie Sachsen
erfahren, der Steuerdruck würde noch ungleich härter auf dem Lande lasten, als
bisher.

ES ist wahr, wir müssen mehr zahlen als früher, aber das ist einmal an
sich billig, da Preußen bisher eine Menge Lasten factisch für uns mitgetragen
hat und dann sind wir im Verhältniß zu den alten preußischen Provinzen jetzt noch
keineswegs hoch belastet, indem der aus den Kopf der Bevölkerung fallende
Betrag in der Provinz Hannover den Satz in mehren der alten Provinzen noch
nicht erreicht; endlich aber, und das ist die Hauptsache, dürfen wir die That¬
sache des verlorenen Feldzuges nicht einfach ignoriren, und müssen deshalb die
Vergleichung dessen, was wir jetzt zahlen, nicht mit dem anstellen, was wir
früher bezahlt haben, sondern mit dem, was wir gezahlt haben würden, wenn
wir in dem Frieden eine gleiche Behandlung wie Sachsen erfahren hätten.

Zum Nutz und Frommen derer, die immer noch bedauern, daß König


anklage. mindestens gegen den Kriegsminister, zu inauguriren. Und wie würden
die Kammern sich überhaupt zu einer Regierung gestellt haben, die in eigensüchtigen
undeutschen Streben so unsägliches Unheil über das Land gebracht hatte. Und
kein Ministerwechsel hätte da geholfen, die Person des Königs war zu tief ver¬
flochten in die vom Volk verdammte Politik. Durch Abdankung des Königs
aber formell den Kronprinzen zum König erheben, in der That aber zum willen¬
losen Werkzeug seines, dann noch unbeschränkter, seinen preußenfeindlichen Nei¬
gungen folgenden Vaters machen und damit neben Verfolgung der Preußen-
freunde und Kampf gegen die Stände noch Intriguen und Ränke in den höchsten
Kreisen herbeiführen, hätte den Zustand nur verschlimmert. Es war zu vieles
faul im Staat Hannover, und zu furchtbar -offen lagen die faulen Flecke vor
Augen; mit eigner Kraft, nur im eignen Hause Heilung zu erringen, das wäre
eine Aufgabe gewesen, die schwerlich überhaupt gelungen wäre, jedenfalls aber
zunächst so bittre Kämpfe, so heftige Aufregung und so schroffe Parteiung her¬
vorgerufen hätte, daß die in deren Gefolge unvermeidlich auftretende Mißstim¬
mung und Unzufriedenheit unendlich Viel größer gewesen sein und das Gemein¬
wohl viel tiefer geschädigt haben würde, als es jetzt mit der Abneigung gegen
die neuen Zustände der Fall ist.

Unsrer unverbrüchlichen Ueberzeugung nach können wir deshalb grade in
dieser Hinsicht uns auch nur glücklich preisen, mit der Einverleibung in Preußen
einem trostlosen inneren Wirrsal entgangen zu sein.

Ganz genau ebenso steht es in finanzieller Beziehung, und ist es wunder¬
bar, wie wenig sich die Meisten darüber klar sind. Da wird immer nur auf die
neuen Steuern und deren höhern Betrag verwiesen und das Plus gegen früher
als eine Belastung angesehen, die dem Lande erspart geblieben sein würde,
wenn Hannover selbständig geblieben wäre; und doch ist nichts irrthümlicher
als solche Anschauung. Hätte Hannover eine gleiche Behandlung wie Sachsen
erfahren, der Steuerdruck würde noch ungleich härter auf dem Lande lasten, als
bisher.

ES ist wahr, wir müssen mehr zahlen als früher, aber das ist einmal an
sich billig, da Preußen bisher eine Menge Lasten factisch für uns mitgetragen
hat und dann sind wir im Verhältniß zu den alten preußischen Provinzen jetzt noch
keineswegs hoch belastet, indem der aus den Kopf der Bevölkerung fallende
Betrag in der Provinz Hannover den Satz in mehren der alten Provinzen noch
nicht erreicht; endlich aber, und das ist die Hauptsache, dürfen wir die That¬
sache des verlorenen Feldzuges nicht einfach ignoriren, und müssen deshalb die
Vergleichung dessen, was wir jetzt zahlen, nicht mit dem anstellen, was wir
früher bezahlt haben, sondern mit dem, was wir gezahlt haben würden, wenn
wir in dem Frieden eine gleiche Behandlung wie Sachsen erfahren hätten.

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[0364] anklage. mindestens gegen den Kriegsminister, zu inauguriren. Und wie würden die Kammern sich überhaupt zu einer Regierung gestellt haben, die in eigensüchtigen undeutschen Streben so unsägliches Unheil über das Land gebracht hatte. Und kein Ministerwechsel hätte da geholfen, die Person des Königs war zu tief ver¬ flochten in die vom Volk verdammte Politik. Durch Abdankung des Königs aber formell den Kronprinzen zum König erheben, in der That aber zum willen¬ losen Werkzeug seines, dann noch unbeschränkter, seinen preußenfeindlichen Nei¬ gungen folgenden Vaters machen und damit neben Verfolgung der Preußen- freunde und Kampf gegen die Stände noch Intriguen und Ränke in den höchsten Kreisen herbeiführen, hätte den Zustand nur verschlimmert. Es war zu vieles faul im Staat Hannover, und zu furchtbar -offen lagen die faulen Flecke vor Augen; mit eigner Kraft, nur im eignen Hause Heilung zu erringen, das wäre eine Aufgabe gewesen, die schwerlich überhaupt gelungen wäre, jedenfalls aber zunächst so bittre Kämpfe, so heftige Aufregung und so schroffe Parteiung her¬ vorgerufen hätte, daß die in deren Gefolge unvermeidlich auftretende Mißstim¬ mung und Unzufriedenheit unendlich Viel größer gewesen sein und das Gemein¬ wohl viel tiefer geschädigt haben würde, als es jetzt mit der Abneigung gegen die neuen Zustände der Fall ist. Unsrer unverbrüchlichen Ueberzeugung nach können wir deshalb grade in dieser Hinsicht uns auch nur glücklich preisen, mit der Einverleibung in Preußen einem trostlosen inneren Wirrsal entgangen zu sein. Ganz genau ebenso steht es in finanzieller Beziehung, und ist es wunder¬ bar, wie wenig sich die Meisten darüber klar sind. Da wird immer nur auf die neuen Steuern und deren höhern Betrag verwiesen und das Plus gegen früher als eine Belastung angesehen, die dem Lande erspart geblieben sein würde, wenn Hannover selbständig geblieben wäre; und doch ist nichts irrthümlicher als solche Anschauung. Hätte Hannover eine gleiche Behandlung wie Sachsen erfahren, der Steuerdruck würde noch ungleich härter auf dem Lande lasten, als bisher. ES ist wahr, wir müssen mehr zahlen als früher, aber das ist einmal an sich billig, da Preußen bisher eine Menge Lasten factisch für uns mitgetragen hat und dann sind wir im Verhältniß zu den alten preußischen Provinzen jetzt noch keineswegs hoch belastet, indem der aus den Kopf der Bevölkerung fallende Betrag in der Provinz Hannover den Satz in mehren der alten Provinzen noch nicht erreicht; endlich aber, und das ist die Hauptsache, dürfen wir die That¬ sache des verlorenen Feldzuges nicht einfach ignoriren, und müssen deshalb die Vergleichung dessen, was wir jetzt zahlen, nicht mit dem anstellen, was wir früher bezahlt haben, sondern mit dem, was wir gezahlt haben würden, wenn wir in dem Frieden eine gleiche Behandlung wie Sachsen erfahren hätten. Zum Nutz und Frommen derer, die immer noch bedauern, daß König

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/364>, abgerufen am 15.01.2025.