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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Wilhelm den guten Rath des Herrn von Münchhausen nicht befolgt und das
Königreich Hannover wieder hergestellt hat, und die durch die Einverleibung in
Preußen ihren Geldbeutel ungebührlich belastet glauben, sei diese Berechnung
hier aufgestellt.

Nach den officiell festgestellten Ermittlungen zahlt die Provinz Hannover
infolge der Einführung des preußischen directen Steuersystems jetzt gegen
früher mehr 628,000 Thlr.

Wie groß das Plus infolge der neuen Zeitungs-, Kalender-, Wechsel-,
Erbschafts, und sonstiger Stempelsteuergesetzgebung ist, läßt sich nicht angeben.
In der alten Monarchie belaufen sich diese Steuern laut des Budgets für das lau¬
fende Jahr auf 5,630,000 Thlr. Nehmen wir davon für Hannover rund den zehnten
Theil, also S63,000 Thlr. und runden wir diese Summe selbst auf 600,000 Thlr.
ab und bringen davon den Betrag der bisherigen hannoverschen Stempelsteuer
(laut des letzten Budgets 230,000 Thlr.) in Absatz, so bleibt ein Mehr von
350,000 Thlr. oder mit dem Mehr aus den directen Steuern rund 1 Million.
Factisch wird diese Summe noch nicht erreicht werden, aber wir wollen lieber
reichlich rechnen, um den Gegnern keinen Anstoß zum Makeln zu bieten.

Sehen wir nun, was Hannover im Falle der Wiederherstellung der frü¬
heren Negierung gegen die Vorzeit hätte mehr aufbringen müssen.

Zunächst den Militärbeitrag; nach Art. 60 und 62 der Bundesverfassung
soll die Friedenspräsenzstärke des Heeres auf ein Procent der Bevölkerung von
1867 normirt sein, und pro Kopf des Contingents sind an den König von
Preußen 223 Thlr. zu zahlen. Die Bevölkerung von Hannover betrug nach der
Zählung von 1864 1,923,492; pro 1867 wird sie bei Annahme der mäßigen
Zunahme von einem halben Procent per Jahr auf rund 1,930,000 Köpfe an¬
geschlagen werden können; die Friedenspräsenzstärke für Hannover würde sich
sonach auf 19,500 Mann belaufen.

Diese Zahl mit 223 Thlr. multiplicirt, ergiebt 4,387,800 Thlr. Bisher
verausgabte Hannover nach dem letzten Budget per 1865/66 für militärische
Zwecke, einschließlich einiger extraordinärer Posten, insgesammt 2,710,200 Thlr.
Ziehen wir dies von obiger Summe ab, so bleibt 1,677,300 Thlr. mehr gegen
früher.

Bedenken wir nun ferner, daß Hannover im Kriege seine gesammte Armee¬
ausrüstung verloren hatte, daß es beim Abschluß des preußisch-östreichischen
Friedens keine Soldaten mehr im Felde hatte, daß das ganze Land von preu¬
ßischen Truppen besetzt war. daß es durch sein Verhalten Preußen ganz besonders
gereizt hatte, daß seine gesammten Kassen in preußischem Besitz waren, daß
alles öffentliche Eigenthum, namentlich das so außerordentlich werthvolle Eisen-
bahnmaterial eine Beute des Siegers geworden war, daß also die Stellung
Hannovers eine weitaus ungünstigere war, als die irgendeines der andern


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Wilhelm den guten Rath des Herrn von Münchhausen nicht befolgt und das
Königreich Hannover wieder hergestellt hat, und die durch die Einverleibung in
Preußen ihren Geldbeutel ungebührlich belastet glauben, sei diese Berechnung
hier aufgestellt.

Nach den officiell festgestellten Ermittlungen zahlt die Provinz Hannover
infolge der Einführung des preußischen directen Steuersystems jetzt gegen
früher mehr 628,000 Thlr.

Wie groß das Plus infolge der neuen Zeitungs-, Kalender-, Wechsel-,
Erbschafts, und sonstiger Stempelsteuergesetzgebung ist, läßt sich nicht angeben.
In der alten Monarchie belaufen sich diese Steuern laut des Budgets für das lau¬
fende Jahr auf 5,630,000 Thlr. Nehmen wir davon für Hannover rund den zehnten
Theil, also S63,000 Thlr. und runden wir diese Summe selbst auf 600,000 Thlr.
ab und bringen davon den Betrag der bisherigen hannoverschen Stempelsteuer
(laut des letzten Budgets 230,000 Thlr.) in Absatz, so bleibt ein Mehr von
350,000 Thlr. oder mit dem Mehr aus den directen Steuern rund 1 Million.
Factisch wird diese Summe noch nicht erreicht werden, aber wir wollen lieber
reichlich rechnen, um den Gegnern keinen Anstoß zum Makeln zu bieten.

Sehen wir nun, was Hannover im Falle der Wiederherstellung der frü¬
heren Negierung gegen die Vorzeit hätte mehr aufbringen müssen.

Zunächst den Militärbeitrag; nach Art. 60 und 62 der Bundesverfassung
soll die Friedenspräsenzstärke des Heeres auf ein Procent der Bevölkerung von
1867 normirt sein, und pro Kopf des Contingents sind an den König von
Preußen 223 Thlr. zu zahlen. Die Bevölkerung von Hannover betrug nach der
Zählung von 1864 1,923,492; pro 1867 wird sie bei Annahme der mäßigen
Zunahme von einem halben Procent per Jahr auf rund 1,930,000 Köpfe an¬
geschlagen werden können; die Friedenspräsenzstärke für Hannover würde sich
sonach auf 19,500 Mann belaufen.

Diese Zahl mit 223 Thlr. multiplicirt, ergiebt 4,387,800 Thlr. Bisher
verausgabte Hannover nach dem letzten Budget per 1865/66 für militärische
Zwecke, einschließlich einiger extraordinärer Posten, insgesammt 2,710,200 Thlr.
Ziehen wir dies von obiger Summe ab, so bleibt 1,677,300 Thlr. mehr gegen
früher.

Bedenken wir nun ferner, daß Hannover im Kriege seine gesammte Armee¬
ausrüstung verloren hatte, daß es beim Abschluß des preußisch-östreichischen
Friedens keine Soldaten mehr im Felde hatte, daß das ganze Land von preu¬
ßischen Truppen besetzt war. daß es durch sein Verhalten Preußen ganz besonders
gereizt hatte, daß seine gesammten Kassen in preußischem Besitz waren, daß
alles öffentliche Eigenthum, namentlich das so außerordentlich werthvolle Eisen-
bahnmaterial eine Beute des Siegers geworden war, daß also die Stellung
Hannovers eine weitaus ungünstigere war, als die irgendeines der andern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/365>, abgerufen am 15.01.2025.