Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.meist nur einige Namen oder Zusätze fortließ, sie aber nicht weiter umarbeitete; Zum Schluß möchte ich grade die Leser dieses Blattes daran erinnern, daß die Wie lebendig tritt uns nicht z. V. der Verfall der alten Kaisermacht entgegen, Und nun gar die Briefe der Päpste aus dem Kampf gegen Friedrich den Einer solchen Benutzung hat Bacrwald diese Sammlung zugänglich gemacht Aus den mittlern und untern Schichten der Gesellschaft bietet das dann" 43 ^
meist nur einige Namen oder Zusätze fortließ, sie aber nicht weiter umarbeitete; Zum Schluß möchte ich grade die Leser dieses Blattes daran erinnern, daß die Wie lebendig tritt uns nicht z. V. der Verfall der alten Kaisermacht entgegen, Und nun gar die Briefe der Päpste aus dem Kampf gegen Friedrich den Einer solchen Benutzung hat Bacrwald diese Sammlung zugänglich gemacht Aus den mittlern und untern Schichten der Gesellschaft bietet das dann« 43 ^
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0349" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191579"/> <p xml:id="ID_1019" prev="#ID_1018"> meist nur einige Namen oder Zusätze fortließ, sie aber nicht weiter umarbeitete;<lb/> er giebt uns also nicht sowohl allgemeine, der besondern Beziehungen entkleidete<lb/> Formeln, als Briefe ohne Adresse und Unterschrift.</p><lb/> <p xml:id="ID_1020"> Zum Schluß möchte ich grade die Leser dieses Blattes daran erinnern, daß die<lb/> Beschäftigung mit derartigen Formelbüchern auf eine oft sehr unterhaltende<lb/> Weise in das Leben des Mittelalters einführt. — Sie reden uns von Dingen,<lb/> von denen die eigentlich historischen Quellen nichts wissen, die ganze Zeit tritt<lb/> uns menschlich näher. Freilich ist die Sprache dieser Briefe des dreizehnten<lb/> Jahrhunderts eine so gekünstelte, so überladen mit Assonanzen, Sentenzen und<lb/> stehenden Wendungen aller Art, daß uns die feineren Züge des Charakters der<lb/> Schreibenden meistens gar nicht aus ihnen entgegentreten. Geht aber dadurch<lb/> auch der eigenthümliche Reiz verloren, den wir bei manchem Briefwechsel unserer<lb/> Tage empfinden, das Werden und Wachsen der Neigungen und Entschlüsse<lb/> großer Männer zu belauschen, in die geheimsten Falten ihres Herzens zu sehen,<lb/> so berühren diese Briefe doch alle möglichen LebcnsverlMtnisse und oft in so<lb/> einschneidender Weise, daß wir sie aus solch einer Urkunde besser kennen lernen<lb/> als aus langen Beschreibungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1021"> Wie lebendig tritt uns nicht z. V. der Verfall der alten Kaisermacht entgegen,<lb/> wenn der Papst die Stadt Köln ermahnt, eine Burg, die dem Reich zugehöre<lb/> und von den Bürgern widerrechtlich besehe sei, dem Kaiser auszuliefern, damit<lb/> dieser nicht gezwungen werde, seiner Forderung in andrer Weise Nachdruck zu<lb/> verleihen, oder wenn der Kaiser einen Richter weniger durch sein festes Wort als<lb/> durch Ermahnungen und Versprechungen zu einem gerechten Urtheil zu bewegen sucht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1022"> Und nun gar die Briefe der Päpste aus dem Kampf gegen Friedrich den<lb/> Zweiten, sie predigen die alte Lehre, daß auch bedeutende Menschen im Eifer<lb/> für eine große Sache gar leicht sich selbst, die Vertreter der Sache und ihre eige¬<lb/> nen Wünsche mit der Sache selbst verwechseln; sie glauben ihre Pflicht zu thun<lb/> und sehen nicht, wie schwer sie sich vergehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1023"> Einer solchen Benutzung hat Bacrwald diese Sammlung zugänglich gemacht<lb/> und wer von dem Vorurtheil abläßt, daß die Beschäftigung mit Briefen des<lb/> dreizehnten Jahrhunderts dem Fachgelehrten überlassen bleiben müßte, wird ihm<lb/> gewiß dankbar sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1024"> Aus den mittlern und untern Schichten der Gesellschaft bietet das dann«<lb/> gartenbcrger Formelbuch freilich wenig Briefe. An diesen sind andere Sammlungen<lb/> reicher, aber wie gern weilen Wir auch bei den Schriften der Fürsten in jener<lb/> gewaltig bewegten Zeit, und ganz fehlt auch der gemüthliche Scherz nicht, wie<lb/> denn z. B. Baerwald aus derselben Handschrift 2ö Musterbriefe über die Art<lb/> und Weise mittheilt, in welcher ein armer Kleriker, der in Paris studirt, einen<lb/> reichen Archidiakon um Unterstützung ersuchen könne. Das Bedürfniß mußte<lb/> groß sein, da die Briefsteller eine solche Auswahl bieten.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 43 ^</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0349]
meist nur einige Namen oder Zusätze fortließ, sie aber nicht weiter umarbeitete;
er giebt uns also nicht sowohl allgemeine, der besondern Beziehungen entkleidete
Formeln, als Briefe ohne Adresse und Unterschrift.
Zum Schluß möchte ich grade die Leser dieses Blattes daran erinnern, daß die
Beschäftigung mit derartigen Formelbüchern auf eine oft sehr unterhaltende
Weise in das Leben des Mittelalters einführt. — Sie reden uns von Dingen,
von denen die eigentlich historischen Quellen nichts wissen, die ganze Zeit tritt
uns menschlich näher. Freilich ist die Sprache dieser Briefe des dreizehnten
Jahrhunderts eine so gekünstelte, so überladen mit Assonanzen, Sentenzen und
stehenden Wendungen aller Art, daß uns die feineren Züge des Charakters der
Schreibenden meistens gar nicht aus ihnen entgegentreten. Geht aber dadurch
auch der eigenthümliche Reiz verloren, den wir bei manchem Briefwechsel unserer
Tage empfinden, das Werden und Wachsen der Neigungen und Entschlüsse
großer Männer zu belauschen, in die geheimsten Falten ihres Herzens zu sehen,
so berühren diese Briefe doch alle möglichen LebcnsverlMtnisse und oft in so
einschneidender Weise, daß wir sie aus solch einer Urkunde besser kennen lernen
als aus langen Beschreibungen.
Wie lebendig tritt uns nicht z. V. der Verfall der alten Kaisermacht entgegen,
wenn der Papst die Stadt Köln ermahnt, eine Burg, die dem Reich zugehöre
und von den Bürgern widerrechtlich besehe sei, dem Kaiser auszuliefern, damit
dieser nicht gezwungen werde, seiner Forderung in andrer Weise Nachdruck zu
verleihen, oder wenn der Kaiser einen Richter weniger durch sein festes Wort als
durch Ermahnungen und Versprechungen zu einem gerechten Urtheil zu bewegen sucht.
Und nun gar die Briefe der Päpste aus dem Kampf gegen Friedrich den
Zweiten, sie predigen die alte Lehre, daß auch bedeutende Menschen im Eifer
für eine große Sache gar leicht sich selbst, die Vertreter der Sache und ihre eige¬
nen Wünsche mit der Sache selbst verwechseln; sie glauben ihre Pflicht zu thun
und sehen nicht, wie schwer sie sich vergehen.
Einer solchen Benutzung hat Bacrwald diese Sammlung zugänglich gemacht
und wer von dem Vorurtheil abläßt, daß die Beschäftigung mit Briefen des
dreizehnten Jahrhunderts dem Fachgelehrten überlassen bleiben müßte, wird ihm
gewiß dankbar sein.
Aus den mittlern und untern Schichten der Gesellschaft bietet das dann«
gartenbcrger Formelbuch freilich wenig Briefe. An diesen sind andere Sammlungen
reicher, aber wie gern weilen Wir auch bei den Schriften der Fürsten in jener
gewaltig bewegten Zeit, und ganz fehlt auch der gemüthliche Scherz nicht, wie
denn z. B. Baerwald aus derselben Handschrift 2ö Musterbriefe über die Art
und Weise mittheilt, in welcher ein armer Kleriker, der in Paris studirt, einen
reichen Archidiakon um Unterstützung ersuchen könne. Das Bedürfniß mußte
groß sein, da die Briefsteller eine solche Auswahl bieten.
43 ^
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |