Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.ganz paßte zu ihnen ein anderer berühmter Verbannter aus Piemont, Vittorio In diesem Punkte also war eine Verständigung unter den beiden schroffen Unser Azeglio war zur Zeit der Uebersiedlung nach Florenz erst vier Jahre -) Man vergleiche damit die Erzählung bei Neumond, "Die Gräfin von Albany".
I. Band. S. 369. ganz paßte zu ihnen ein anderer berühmter Verbannter aus Piemont, Vittorio In diesem Punkte also war eine Verständigung unter den beiden schroffen Unser Azeglio war zur Zeit der Uebersiedlung nach Florenz erst vier Jahre -) Man vergleiche damit die Erzählung bei Neumond, „Die Gräfin von Albany".
I. Band. S. 369. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0337" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191567"/> <p xml:id="ID_967" prev="#ID_966"> ganz paßte zu ihnen ein anderer berühmter Verbannter aus Piemont, Vittorio<lb/> Alfieri, der jedoch gleichfalls viel mit dem azeglioschen Hause verkehrte. Die<lb/> bekannten religiösen Ansichten Alsicris machten dem wackern General und den<lb/> andern Freunden, zumal den Frauen, schweres Bekümmerniß. Einmal<lb/> wurde die ganze Emigration in freudige Aufregung versetzt, als die junge Mar-<lb/> chesa Clementina ti Priö aus der Kirche nach Hause kam und den Schleier<lb/> abnehmend ihrer Mutter erzählte: „rathe einmal mit wem ich diesen Morgen<lb/> das Abendmahl genommen habe? Mit dem Grafen Alfieri, der neben mir<lb/> kniete." Es mochte dies wohl eine Täuschung des frommen Fräuleins gewesen<lb/> sein. Der erklärte Voltairianer stand in solchem Rufe, daß, als in seiner letzten<lb/> Krankheit ein Pater gerufen wurde, dieser in seiner Verlegenheit erst zum Bischof<lb/> eilte und um Verhaltungsmaßregeln bat; bis er dann im Zimmer des kranken<lb/> Dichters anlangte, war dieser verschieden.*) Azeglio dem Vater war es ein<lb/> großer Schmerz, daß er ihm nicht in den letzten Tagen noch hatte die „Dienste<lb/> einer christlichen Freundschaft" erweisen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_968"> In diesem Punkte also war eine Verständigung unter den beiden schroffen<lb/> Charakteren nicht möglich; um so mehr harmonirten sie in ihrem Hasse gegen<lb/> die französische Revolution und Alfieri schätzte es hoch, daß der alte Azeglio<lb/> eine so unbeugsame Festigkeit bewiesen hatte. Aber auch an literarischen Be¬<lb/> rührungspunkten fehlte es nicht. Alfieri las den Eltern seine Myrrha und seine<lb/> Alceste vor und der Vater verwandte selbst seine unfreiwillige Muße zu litera¬<lb/> rischen, sogar zu poetischen Arbeiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_969"> Unser Azeglio war zur Zeit der Uebersiedlung nach Florenz erst vier Jahre<lb/> alt. Doch ist ihm die hohe blasse Gestalt Alsicris, mit den hellen Augen, der<lb/> gerunzelten Stirn und dem röthlichen, zurückgeworfenen Haar wohl in der<lb/> Erinnerung geblieben. Besonders erinnerte er sich einer Scene im Atelier des<lb/> Malers Fabre, wo er zu einer heiligen Familie als Bambino sitzen mußte,<lb/> und Alfieri, ganz in Schwarz gekleidet ihm befahl: Nun, Mammolino, halt'<lb/> dich ruhig, ein Befehl, der von dem erschrockenen Knaben pünktlichst beobachtet<lb/> wurde. Auch der Salon der Gräfin Albany und diese selbst mit ihrer statt¬<lb/> lichen Figur, stets in Weiß a la N-u'i« ^ntmiuMö gekleidet, blieb ihm in<lb/> gutem Gedächtniß. Jeden Sonntag Morgen wurde er zu ihr gebracht, und<lb/> sagte ihr vor, was er die Woche über gelernt, und später war jeden Samstag,<lb/> wo ein auserlesener Kreis Fremder und Einheimischer bei der Wittwe des<lb/> letzten Prätendenten sich versammelte, auch eine Gesellschaft von Kindern geladen,<lb/> wo die kleinen Azeglio, die Balbo, die Nicasoli. die Antinovi u. a. sich ein-<lb/> fanden und mit Gefrornem regalirt wurden.</p><lb/> <note xml:id="FID_27" place="foot"> -) Man vergleiche damit die Erzählung bei Neumond, „Die Gräfin von Albany".<lb/> I. Band. S. 369.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0337]
ganz paßte zu ihnen ein anderer berühmter Verbannter aus Piemont, Vittorio
Alfieri, der jedoch gleichfalls viel mit dem azeglioschen Hause verkehrte. Die
bekannten religiösen Ansichten Alsicris machten dem wackern General und den
andern Freunden, zumal den Frauen, schweres Bekümmerniß. Einmal
wurde die ganze Emigration in freudige Aufregung versetzt, als die junge Mar-
chesa Clementina ti Priö aus der Kirche nach Hause kam und den Schleier
abnehmend ihrer Mutter erzählte: „rathe einmal mit wem ich diesen Morgen
das Abendmahl genommen habe? Mit dem Grafen Alfieri, der neben mir
kniete." Es mochte dies wohl eine Täuschung des frommen Fräuleins gewesen
sein. Der erklärte Voltairianer stand in solchem Rufe, daß, als in seiner letzten
Krankheit ein Pater gerufen wurde, dieser in seiner Verlegenheit erst zum Bischof
eilte und um Verhaltungsmaßregeln bat; bis er dann im Zimmer des kranken
Dichters anlangte, war dieser verschieden.*) Azeglio dem Vater war es ein
großer Schmerz, daß er ihm nicht in den letzten Tagen noch hatte die „Dienste
einer christlichen Freundschaft" erweisen können.
In diesem Punkte also war eine Verständigung unter den beiden schroffen
Charakteren nicht möglich; um so mehr harmonirten sie in ihrem Hasse gegen
die französische Revolution und Alfieri schätzte es hoch, daß der alte Azeglio
eine so unbeugsame Festigkeit bewiesen hatte. Aber auch an literarischen Be¬
rührungspunkten fehlte es nicht. Alfieri las den Eltern seine Myrrha und seine
Alceste vor und der Vater verwandte selbst seine unfreiwillige Muße zu litera¬
rischen, sogar zu poetischen Arbeiten.
Unser Azeglio war zur Zeit der Uebersiedlung nach Florenz erst vier Jahre
alt. Doch ist ihm die hohe blasse Gestalt Alsicris, mit den hellen Augen, der
gerunzelten Stirn und dem röthlichen, zurückgeworfenen Haar wohl in der
Erinnerung geblieben. Besonders erinnerte er sich einer Scene im Atelier des
Malers Fabre, wo er zu einer heiligen Familie als Bambino sitzen mußte,
und Alfieri, ganz in Schwarz gekleidet ihm befahl: Nun, Mammolino, halt'
dich ruhig, ein Befehl, der von dem erschrockenen Knaben pünktlichst beobachtet
wurde. Auch der Salon der Gräfin Albany und diese selbst mit ihrer statt¬
lichen Figur, stets in Weiß a la N-u'i« ^ntmiuMö gekleidet, blieb ihm in
gutem Gedächtniß. Jeden Sonntag Morgen wurde er zu ihr gebracht, und
sagte ihr vor, was er die Woche über gelernt, und später war jeden Samstag,
wo ein auserlesener Kreis Fremder und Einheimischer bei der Wittwe des
letzten Prätendenten sich versammelte, auch eine Gesellschaft von Kindern geladen,
wo die kleinen Azeglio, die Balbo, die Nicasoli. die Antinovi u. a. sich ein-
fanden und mit Gefrornem regalirt wurden.
-) Man vergleiche damit die Erzählung bei Neumond, „Die Gräfin von Albany".
I. Band. S. 369.
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