Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.gang, ein Eingriff in die Rechtsfrage. Die Verständigung sollte blos eine Die Freunde Ricasolis beantragten, die Debatte über die Jnterpellation gang, ein Eingriff in die Rechtsfrage. Die Verständigung sollte blos eine Die Freunde Ricasolis beantragten, die Debatte über die Jnterpellation <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0276" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191506"/> <p xml:id="ID_812" prev="#ID_811"> gang, ein Eingriff in die Rechtsfrage. Die Verständigung sollte blos eine<lb/> mündliche sein, und die italienische Regierung wollte sich verpflichten, die<lb/> Bischöfe, über die man übereingekommen, einzusetzen, sobald sie dem Unterhändler<lb/> Tonello ihre Ernennungsbulle präsentirt hätten. Damit war nun wieder Antonelli<lb/> nicht einverstanden. Er schlug vor, er wolle sich mit der italienischen Regierung<lb/> über die Formel der Ernennungsbulle verständigen, aber er weigerte sich, die<lb/> Bulle, wie sie einmal erflossen und unterzeichnet sei, vorher irgendeiner andern<lb/> Autorität zu Präsentiren. Er gebe zu, daß die italienische Regierung nicht für<lb/> verschiedene Provinzen eine verschiedene Praxis annehmen könne, aber dem<lb/> Papst könne man nicht eine Handlungsweise zumuthen, durch die er für die<lb/> Provinzen, die vormals ihm gehörten, eine andere Autorität anerkennen würde.<lb/> So drohte also die Verhandlung wiederum an den annectirten Provinzen zu<lb/> scheitern. Unter diesen Umständen entschloß sich die italienische Regierung zu<lb/> erneuter Nachgiebigkeit. Minister Berti ging selbst nach Rom und brachte To¬<lb/> nello die Ermächtigung, mit dem Cardinal auf Grundlage jenes Vorschlags ein<lb/> Abkommen zu treffen, wonach die päpstliche Bulle, durch welche die Bischöfe<lb/> eingesetzt wurden, mit Zustimmung der italienischen Regierung formulirt werden<lb/> sollte. Dies geschah und nach diesem Modus wurden dann nach vorheriger<lb/> Verständigung zwischen beiden Theilen von etwa achtzig erledigten Bisthümem<lb/> einundzwanzig besetzt. Der Negierung kam es darauf an zu zeigen, daß auch<lb/> im Königreich Italien, auch in den vormals päpstlichen Provinzen das Papst¬<lb/> thum ungehindert sei, seine rein geistlichen Functionen auszuüben. Durch die<lb/> vertrauliche Verständigung über die Personcnfrage und durch die Ausdehnung<lb/> des gemeinen Rechts über den Klerus schienen ihr die drei Bollwerke des Staats,<lb/> wie Ferrari das Excquatur, das Planet und die Präsentation nannte, ausreichend<lb/> ersetzt zu sein. Und bezeichnenderweise hatte sie auf den Eid aus freien Stücken<lb/> verzichtet; Antonelli hatte ausdrücklich erklärt, daß er mit Ausnahme der annectirten<lb/> Provinzen gegen die Fortdauer dieser Praxis nichts einzuwenden hätte. Seltsam<lb/> war, daß die Linke Ricasoli tadelte, weil er nicht mindestens die Anerkennung<lb/> des Königreichs Italien durch den Papst als Gegcnconcession verlangt habe.<lb/> An den Papst dieses Verlangen zu stellen, hieß doch zugleich ihn selbst als<lb/> legitimen Besitzer des jetzigen Kirchenstaats anerkennen, und in diesem Punkt<lb/> sind die Anschauungen der Rechten so entschieden wie die der Linken.</p><lb/> <p xml:id="ID_813" next="#ID_814"> Die Freunde Ricasolis beantragten, die Debatte über die Jnterpellation<lb/> Ferraris mit einfachem Uebergang zur Tagesordnung abzuschließen. Die Linke<lb/> wollte eine motivirte Tagesordnung, die einen Tadel gegen die ncasolische Po¬<lb/> litik enthielt. Jetzt war ein Moment des Triumphs für Rattazzi gekommen:<lb/> er schützte Ricasoli gegen ein ausdrückliches Tadelsvvtum, er konnte den Gro߬<lb/> müthigen gegen den gestürzten Rivalen spielen. Er selbst, sagte er, hätte na¬<lb/> türlich nicht so gehandelt wie Ricasoli, und gleich bei seinem Regierungsantritt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0276]
gang, ein Eingriff in die Rechtsfrage. Die Verständigung sollte blos eine
mündliche sein, und die italienische Regierung wollte sich verpflichten, die
Bischöfe, über die man übereingekommen, einzusetzen, sobald sie dem Unterhändler
Tonello ihre Ernennungsbulle präsentirt hätten. Damit war nun wieder Antonelli
nicht einverstanden. Er schlug vor, er wolle sich mit der italienischen Regierung
über die Formel der Ernennungsbulle verständigen, aber er weigerte sich, die
Bulle, wie sie einmal erflossen und unterzeichnet sei, vorher irgendeiner andern
Autorität zu Präsentiren. Er gebe zu, daß die italienische Regierung nicht für
verschiedene Provinzen eine verschiedene Praxis annehmen könne, aber dem
Papst könne man nicht eine Handlungsweise zumuthen, durch die er für die
Provinzen, die vormals ihm gehörten, eine andere Autorität anerkennen würde.
So drohte also die Verhandlung wiederum an den annectirten Provinzen zu
scheitern. Unter diesen Umständen entschloß sich die italienische Regierung zu
erneuter Nachgiebigkeit. Minister Berti ging selbst nach Rom und brachte To¬
nello die Ermächtigung, mit dem Cardinal auf Grundlage jenes Vorschlags ein
Abkommen zu treffen, wonach die päpstliche Bulle, durch welche die Bischöfe
eingesetzt wurden, mit Zustimmung der italienischen Regierung formulirt werden
sollte. Dies geschah und nach diesem Modus wurden dann nach vorheriger
Verständigung zwischen beiden Theilen von etwa achtzig erledigten Bisthümem
einundzwanzig besetzt. Der Negierung kam es darauf an zu zeigen, daß auch
im Königreich Italien, auch in den vormals päpstlichen Provinzen das Papst¬
thum ungehindert sei, seine rein geistlichen Functionen auszuüben. Durch die
vertrauliche Verständigung über die Personcnfrage und durch die Ausdehnung
des gemeinen Rechts über den Klerus schienen ihr die drei Bollwerke des Staats,
wie Ferrari das Excquatur, das Planet und die Präsentation nannte, ausreichend
ersetzt zu sein. Und bezeichnenderweise hatte sie auf den Eid aus freien Stücken
verzichtet; Antonelli hatte ausdrücklich erklärt, daß er mit Ausnahme der annectirten
Provinzen gegen die Fortdauer dieser Praxis nichts einzuwenden hätte. Seltsam
war, daß die Linke Ricasoli tadelte, weil er nicht mindestens die Anerkennung
des Königreichs Italien durch den Papst als Gegcnconcession verlangt habe.
An den Papst dieses Verlangen zu stellen, hieß doch zugleich ihn selbst als
legitimen Besitzer des jetzigen Kirchenstaats anerkennen, und in diesem Punkt
sind die Anschauungen der Rechten so entschieden wie die der Linken.
Die Freunde Ricasolis beantragten, die Debatte über die Jnterpellation
Ferraris mit einfachem Uebergang zur Tagesordnung abzuschließen. Die Linke
wollte eine motivirte Tagesordnung, die einen Tadel gegen die ncasolische Po¬
litik enthielt. Jetzt war ein Moment des Triumphs für Rattazzi gekommen:
er schützte Ricasoli gegen ein ausdrückliches Tadelsvvtum, er konnte den Gro߬
müthigen gegen den gestürzten Rivalen spielen. Er selbst, sagte er, hätte na¬
türlich nicht so gehandelt wie Ricasoli, und gleich bei seinem Regierungsantritt
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