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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Lösung der römischen Frage vorzubereiten und zu erleichtern. Wenn einmal
der Weg, mit Gewalt nach Rom zu gehen, ausgeschlossen ist, -- und, in. H.,
wenn Sie die Möglichkeit haben, nach Rom mit Gewalt zu kommen und wohl¬
verstanden, eines ruhigen Dortbleibens sich zu versichern, dann werde ich der
Erste sein, der freudig zustimmt, aber die Kammer ist bis jetzt nicht dieser Mei¬
nung gewesen, -- wenn also der Weg der Gewalt ausgeschlossen ist, so haben
wir geglaubt, daß es moralische Mittel zur Lösung gebe, die je nach Umstän¬
den und Schicklichkeit zur Anwendung zu bringen seien. Indem wir die kirch¬
liche Frage aus dem Weg räumten, schien es uns, daß mit der Zeit die Lösung
der politischen und bürgerlichen Frage vereinfacht würde. Auf diesem Weg
glaubten wir unsre Unabhängigkeit und die nationale Würde gegen jede Beein¬
trächtigung zu schützen, denn damit raubten wir denen, welche im Namen der
katholischen Interessen sprachen, jeden Vorwand, sich in unser Haus einzumischen,
wir konnten ihnen erwiedern: mischt euch nicht in diese Dinge, wir sind im
Stand eure Interessen zu schützen wie die unsrigen."

Der Grundgedanke Ricasolis also war, durch Trennung der religiösen und
der politischen Frage jede diplomatische Einmischung auszuschließen, derselbe
Gedanke, der dem Septembervertrag zu Grunde lag, welcher die römische Frage
zu einer inneren Angelegenheit Italiens gemacht hatte. Waren auf diesem
Wege nicht rasche Resultate zu erreichen, so hatte doch niemand etwas darein
zu reden als die Italiener Roms und die Italiener des Königreichs.

Im Uebngen konnte Ricasoli auf die Actenstücke verweisen, welche über
den Verlauf der tonelloschen Sendung kürzlich dem Parlament vorgelegt wurden.
Liest man diese Actenstücke durch, so erstaunt man, über welche Armseligkeiten
Monate lang zwischen Tvnello und Antonelli herumgestritten wurde. Es handelte
sich um die Besetzung der erledigten Bisthümer, um die Personen der zu Er¬
nennenden, und nachdem man hierüber ins Reine gekommen war, um irgend¬
eine Form der Mitwirkung des Staats bei der Installation. Hier lag die
eigentliche Schwierigkeit. Tonello hatte die liberalsten Weisungen erhalten.
Nach langen Verhandlungen verständigte er sich mit dem Cardinal dahin: die
Rechtsfrage sollte unberührt und unangetastet bleiben; dagegen sollie bei den
neuen Ernennungen in einem Schreiben des si. Stuhls an Tonello als den
Unterhändler des Königs von Italien gesagt sein, daß die Bischöfe nach vor¬
ausgegangener Verständigung zwischen beiden Theilen ernannt worden seien
und daß demgemäß der Papst vertraue, daß die Bischöfe von der italie¬
nischen Regierung in den Besitz ihrer Tempvralien eingesetzt würden; diese beiden
Punkte sollten in jedem Ernennungsdecret erwähnt sein. Der Minister Bor-
gatti nahm jedoch diese Uebereinkunft nicht an (Schreiben Borgattis an Tonello
vom 2, Januar). Irgendeine schriftliche Aufzeichnung, welche ausdrücklich von
den bisher gesetzlichen Formen Abstand nahm, schien ihm ein bedenklicher Vor-


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Lösung der römischen Frage vorzubereiten und zu erleichtern. Wenn einmal
der Weg, mit Gewalt nach Rom zu gehen, ausgeschlossen ist, — und, in. H.,
wenn Sie die Möglichkeit haben, nach Rom mit Gewalt zu kommen und wohl¬
verstanden, eines ruhigen Dortbleibens sich zu versichern, dann werde ich der
Erste sein, der freudig zustimmt, aber die Kammer ist bis jetzt nicht dieser Mei¬
nung gewesen, — wenn also der Weg der Gewalt ausgeschlossen ist, so haben
wir geglaubt, daß es moralische Mittel zur Lösung gebe, die je nach Umstän¬
den und Schicklichkeit zur Anwendung zu bringen seien. Indem wir die kirch¬
liche Frage aus dem Weg räumten, schien es uns, daß mit der Zeit die Lösung
der politischen und bürgerlichen Frage vereinfacht würde. Auf diesem Weg
glaubten wir unsre Unabhängigkeit und die nationale Würde gegen jede Beein¬
trächtigung zu schützen, denn damit raubten wir denen, welche im Namen der
katholischen Interessen sprachen, jeden Vorwand, sich in unser Haus einzumischen,
wir konnten ihnen erwiedern: mischt euch nicht in diese Dinge, wir sind im
Stand eure Interessen zu schützen wie die unsrigen."

Der Grundgedanke Ricasolis also war, durch Trennung der religiösen und
der politischen Frage jede diplomatische Einmischung auszuschließen, derselbe
Gedanke, der dem Septembervertrag zu Grunde lag, welcher die römische Frage
zu einer inneren Angelegenheit Italiens gemacht hatte. Waren auf diesem
Wege nicht rasche Resultate zu erreichen, so hatte doch niemand etwas darein
zu reden als die Italiener Roms und die Italiener des Königreichs.

Im Uebngen konnte Ricasoli auf die Actenstücke verweisen, welche über
den Verlauf der tonelloschen Sendung kürzlich dem Parlament vorgelegt wurden.
Liest man diese Actenstücke durch, so erstaunt man, über welche Armseligkeiten
Monate lang zwischen Tvnello und Antonelli herumgestritten wurde. Es handelte
sich um die Besetzung der erledigten Bisthümer, um die Personen der zu Er¬
nennenden, und nachdem man hierüber ins Reine gekommen war, um irgend¬
eine Form der Mitwirkung des Staats bei der Installation. Hier lag die
eigentliche Schwierigkeit. Tonello hatte die liberalsten Weisungen erhalten.
Nach langen Verhandlungen verständigte er sich mit dem Cardinal dahin: die
Rechtsfrage sollte unberührt und unangetastet bleiben; dagegen sollie bei den
neuen Ernennungen in einem Schreiben des si. Stuhls an Tonello als den
Unterhändler des Königs von Italien gesagt sein, daß die Bischöfe nach vor¬
ausgegangener Verständigung zwischen beiden Theilen ernannt worden seien
und daß demgemäß der Papst vertraue, daß die Bischöfe von der italie¬
nischen Regierung in den Besitz ihrer Tempvralien eingesetzt würden; diese beiden
Punkte sollten in jedem Ernennungsdecret erwähnt sein. Der Minister Bor-
gatti nahm jedoch diese Uebereinkunft nicht an (Schreiben Borgattis an Tonello
vom 2, Januar). Irgendeine schriftliche Aufzeichnung, welche ausdrücklich von
den bisher gesetzlichen Formen Abstand nahm, schien ihm ein bedenklicher Vor-


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[0275] Lösung der römischen Frage vorzubereiten und zu erleichtern. Wenn einmal der Weg, mit Gewalt nach Rom zu gehen, ausgeschlossen ist, — und, in. H., wenn Sie die Möglichkeit haben, nach Rom mit Gewalt zu kommen und wohl¬ verstanden, eines ruhigen Dortbleibens sich zu versichern, dann werde ich der Erste sein, der freudig zustimmt, aber die Kammer ist bis jetzt nicht dieser Mei¬ nung gewesen, — wenn also der Weg der Gewalt ausgeschlossen ist, so haben wir geglaubt, daß es moralische Mittel zur Lösung gebe, die je nach Umstän¬ den und Schicklichkeit zur Anwendung zu bringen seien. Indem wir die kirch¬ liche Frage aus dem Weg räumten, schien es uns, daß mit der Zeit die Lösung der politischen und bürgerlichen Frage vereinfacht würde. Auf diesem Weg glaubten wir unsre Unabhängigkeit und die nationale Würde gegen jede Beein¬ trächtigung zu schützen, denn damit raubten wir denen, welche im Namen der katholischen Interessen sprachen, jeden Vorwand, sich in unser Haus einzumischen, wir konnten ihnen erwiedern: mischt euch nicht in diese Dinge, wir sind im Stand eure Interessen zu schützen wie die unsrigen." Der Grundgedanke Ricasolis also war, durch Trennung der religiösen und der politischen Frage jede diplomatische Einmischung auszuschließen, derselbe Gedanke, der dem Septembervertrag zu Grunde lag, welcher die römische Frage zu einer inneren Angelegenheit Italiens gemacht hatte. Waren auf diesem Wege nicht rasche Resultate zu erreichen, so hatte doch niemand etwas darein zu reden als die Italiener Roms und die Italiener des Königreichs. Im Uebngen konnte Ricasoli auf die Actenstücke verweisen, welche über den Verlauf der tonelloschen Sendung kürzlich dem Parlament vorgelegt wurden. Liest man diese Actenstücke durch, so erstaunt man, über welche Armseligkeiten Monate lang zwischen Tvnello und Antonelli herumgestritten wurde. Es handelte sich um die Besetzung der erledigten Bisthümer, um die Personen der zu Er¬ nennenden, und nachdem man hierüber ins Reine gekommen war, um irgend¬ eine Form der Mitwirkung des Staats bei der Installation. Hier lag die eigentliche Schwierigkeit. Tonello hatte die liberalsten Weisungen erhalten. Nach langen Verhandlungen verständigte er sich mit dem Cardinal dahin: die Rechtsfrage sollte unberührt und unangetastet bleiben; dagegen sollie bei den neuen Ernennungen in einem Schreiben des si. Stuhls an Tonello als den Unterhändler des Königs von Italien gesagt sein, daß die Bischöfe nach vor¬ ausgegangener Verständigung zwischen beiden Theilen ernannt worden seien und daß demgemäß der Papst vertraue, daß die Bischöfe von der italie¬ nischen Regierung in den Besitz ihrer Tempvralien eingesetzt würden; diese beiden Punkte sollten in jedem Ernennungsdecret erwähnt sein. Der Minister Bor- gatti nahm jedoch diese Uebereinkunft nicht an (Schreiben Borgattis an Tonello vom 2, Januar). Irgendeine schriftliche Aufzeichnung, welche ausdrücklich von den bisher gesetzlichen Formen Abstand nahm, schien ihm ein bedenklicher Vor- Gmljbotm In, j. 8S7. Z4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/275>, abgerufen am 15.01.2025.