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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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nach Innen zur wirksamen Theilung der politischen Gewalt und also zur par¬
lamentarischen Entwicklung unfähig. Deutschland gegenüber zu einem nur nut
den schärfsten Mitteln zu besiegenden Feind der politischen Einheit, welche ohne
Unterordnung nicht möglich ist.

Es ist also gut. das; auch Preußen el" solcher Theilstaat ist. aber w,e
kann Preußen ein wirklicher Verfassungsstaat werden? Es ist ja zu seiner Auf¬
gabe in Deutschland nur deshalb befähigt, weil es den erwähnten dynastischen
Charakter am schärfsten und großartigsten ausgeprägt hat. Der Verf. betrachtet d,e
Geschickte des letzten Menschenalters; "Preußen." ruft er aus. ..ist das deutsche
Land, in dem der Parlamentarismus mit der Revolution am leichtesten siegen,
ohne Revolution am schwersten sich einbürgern kann." Die Lage des Libe¬
ralismus in Preußen erscheint ihm also ganz hoffnungslos; er kann seine seit¬
herigen Ziele weder aufgeben noch zu verwirklichen hoffen. ..Der preußische
Liberalismus ist zu einer Partei ohne erreichbare Ziele geworden."

So weit der "Klcinstaatler". Was ist richtig, was ist falsch an dieser
Paradoxen Behauptung? Sind sie bloße Hirngespinste oder ist ein gesundes
Verfassungsleben in Preußen wirklich eine mit der Einheit Deutschlands un-
vereinbare Forderung? Wir haben offenbar ein Gewebe von Wahrheit und
Sophistik vor uns. dessen Fäden aber unschwer zu sondern sind. Falsch, grund¬
falsch ist alles, was der Versasser beibringt zum Beweise, daß die feudale Par¬
tei auf preußischem Boden eine "unüberwindliche Stärke" besitzt. Er bemüht
sich. das aus der Geschichte der letzten 80 Jahre zu deduciren; wenn er statt
dessen nur die Ereignisse der letzten 8--10 Monate in Betracht gezogen hätte,
würde er die mehr als originelle Theorie von einem preußischen Staat, der.
mit einer Verfassung und einem verfassungstreuen König und Volk, doch kein
Verfassungsstaat sein kann, niemals aufgestellt haben. Der Krieg bat die feu-
dale Partei nicht verstärkt, noch wird der Fortschritt der deutschen Einheit das
thun. Wie aus der alten Fortschrittspartei eine neue sich losgelöst hat. wel¬
cher die Nothwendigkeit der Verständigung ohne Preisgebung des. liberalen
Standpunkts als das Erste gilt, so sehen wir ja im Schoß der feudalen Partei
ganz in demselben Bewußtsein eine konservative sich bilden. Nichts hat zuge-
nommen seit dem Krieg als diese Erkenntniß, welche das sicherste Pfand einer
Äffern Zukunft ist. Richtig ist nur so viel, daß auch jetzt noch die liberale
Partei auf dem neu gewonnenen Terrain in einer günstigeren Lage ist, als in
Preußen. Ganz mit Recht hat die Kremzejtungspartei die deutsche Frage stets
mit Mißtrauen betrachtet, sie sieht im Bunde noch jetzt mehr eine Last als einen
Gewinn für Preußen. Der Unterschied zwischen Preußen und Norddeutschland
ist eben der. daß hier wohl eine konservative Partei, aber keine feudale, kein
Herrenhaus mehr möglich ist.

Und so verlangt denn der Verfasser. daß die liberale Partei Preußens.


Grenzboten III. 1867. 3

nach Innen zur wirksamen Theilung der politischen Gewalt und also zur par¬
lamentarischen Entwicklung unfähig. Deutschland gegenüber zu einem nur nut
den schärfsten Mitteln zu besiegenden Feind der politischen Einheit, welche ohne
Unterordnung nicht möglich ist.

Es ist also gut. das; auch Preußen el» solcher Theilstaat ist. aber w,e
kann Preußen ein wirklicher Verfassungsstaat werden? Es ist ja zu seiner Auf¬
gabe in Deutschland nur deshalb befähigt, weil es den erwähnten dynastischen
Charakter am schärfsten und großartigsten ausgeprägt hat. Der Verf. betrachtet d,e
Geschickte des letzten Menschenalters; „Preußen." ruft er aus. ..ist das deutsche
Land, in dem der Parlamentarismus mit der Revolution am leichtesten siegen,
ohne Revolution am schwersten sich einbürgern kann." Die Lage des Libe¬
ralismus in Preußen erscheint ihm also ganz hoffnungslos; er kann seine seit¬
herigen Ziele weder aufgeben noch zu verwirklichen hoffen. ..Der preußische
Liberalismus ist zu einer Partei ohne erreichbare Ziele geworden."

So weit der „Klcinstaatler". Was ist richtig, was ist falsch an dieser
Paradoxen Behauptung? Sind sie bloße Hirngespinste oder ist ein gesundes
Verfassungsleben in Preußen wirklich eine mit der Einheit Deutschlands un-
vereinbare Forderung? Wir haben offenbar ein Gewebe von Wahrheit und
Sophistik vor uns. dessen Fäden aber unschwer zu sondern sind. Falsch, grund¬
falsch ist alles, was der Versasser beibringt zum Beweise, daß die feudale Par¬
tei auf preußischem Boden eine „unüberwindliche Stärke" besitzt. Er bemüht
sich. das aus der Geschichte der letzten 80 Jahre zu deduciren; wenn er statt
dessen nur die Ereignisse der letzten 8—10 Monate in Betracht gezogen hätte,
würde er die mehr als originelle Theorie von einem preußischen Staat, der.
mit einer Verfassung und einem verfassungstreuen König und Volk, doch kein
Verfassungsstaat sein kann, niemals aufgestellt haben. Der Krieg bat die feu-
dale Partei nicht verstärkt, noch wird der Fortschritt der deutschen Einheit das
thun. Wie aus der alten Fortschrittspartei eine neue sich losgelöst hat. wel¬
cher die Nothwendigkeit der Verständigung ohne Preisgebung des. liberalen
Standpunkts als das Erste gilt, so sehen wir ja im Schoß der feudalen Partei
ganz in demselben Bewußtsein eine konservative sich bilden. Nichts hat zuge-
nommen seit dem Krieg als diese Erkenntniß, welche das sicherste Pfand einer
Äffern Zukunft ist. Richtig ist nur so viel, daß auch jetzt noch die liberale
Partei auf dem neu gewonnenen Terrain in einer günstigeren Lage ist, als in
Preußen. Ganz mit Recht hat die Kremzejtungspartei die deutsche Frage stets
mit Mißtrauen betrachtet, sie sieht im Bunde noch jetzt mehr eine Last als einen
Gewinn für Preußen. Der Unterschied zwischen Preußen und Norddeutschland
ist eben der. daß hier wohl eine konservative Partei, aber keine feudale, kein
Herrenhaus mehr möglich ist.

Und so verlangt denn der Verfasser. daß die liberale Partei Preußens.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/27>, abgerufen am 15.01.2025.