Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.erklärt, meint er, die Niederlage derselben rühre hauptsächlich von der Ungunst Nun übernimmt aber der Verfasser alsbald so ziemlich das Gegentheil zu Wie kommt es also, daß der Parlamentarismus durch den Krieg zugleich erklärt, meint er, die Niederlage derselben rühre hauptsächlich von der Ungunst Nun übernimmt aber der Verfasser alsbald so ziemlich das Gegentheil zu Wie kommt es also, daß der Parlamentarismus durch den Krieg zugleich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191256"/> <p xml:id="ID_48" prev="#ID_47"> erklärt, meint er, die Niederlage derselben rühre hauptsächlich von der Ungunst<lb/> des Bodens her. auf dem sie ankämpft, und verweist auf die Geschichte des<lb/> Staats, die lang bevorrechtete Stellung und die Dienste des Adels unter der<lb/> unbeschränkten Regierung, das spät und unter ungünstigen Umständen erfolgte<lb/> Eintreten des Volks auf den politischen Schauplatz. Preußen sei immer ein<lb/> Staat gewesen, dessen innere Ordnung durch die ihm nach außen gewordne Auf¬<lb/> gabe bestimmt werde, seine Wirksamkeit für Deutschland um so wohlthätiger,<lb/> je kräftiger und unbeschränkter die Negierung im Innern; die letzte Krise zeige,<lb/> daß dies Verhältniß auch unter der Verfassung noch fortdaure. Wie einst Na¬<lb/> poleon das Bedürfniß Frankreichs erkannt und durch seine Gesetzgebung befrie¬<lb/> digt habe, die Zerstörung der feudalen Gesellschaft: so habe auch Herr v. Bis-<lb/> marck durch die Niederwerfung des Particularismus in Deutschland sich eine<lb/> Stellung gesichert, in der er. wie jener, auf seinem heimischen Boden unbesieg¬<lb/> bar sein werde. Die feudale Partei sei damit nicht blos für jetzt in Preußen<lb/> befestigt, sondern jeder Fortschritt des Ein'gungswerkes werde auch ein neuer<lb/> Sieg für sie sein gegenüber der Opposition, die ihrer deutschen Politik wider¬<lb/> strebt habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_49"> Nun übernimmt aber der Verfasser alsbald so ziemlich das Gegentheil zu<lb/> zeigen. Früher sei die Gestaltung des Staates immer unnatürlich, seine Lage<lb/> gefährlich gewesen, das sei nun zum ersten Mal anders geworden. Früher<lb/> habe er an Oestreich einen gefährlichen Nebenbuhler gehabt, der jetzt aus<lb/> Deutschland verdrängt und für immer unschädlich gemacht sei. An sich bringe<lb/> eine „halbparlamentarische" Regierungsweise die größten Nachtheile; er entwirft<lb/> ein abschreckendes Gemälde von ihren Folgen und versichert ganz naiv, daß<lb/> schon im letzten Jahre der Thron über einem Abgrund geschwebt habe. Die<lb/> Gründe, das seitherige Regierungssystem beizubehalten, seien in Wegfall ge¬<lb/> kommen, die Lage werde nun mit jedem Jahre bedenklicher werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_50" next="#ID_51"> Wie kommt es also, daß der Parlamentarismus durch den Krieg zugleich<lb/> weniger möglich und mehr eine Nothwendigkeit geworden ist? Der Verfasser<lb/> erklärt das aus der „Doppelnatur" des preußischen Staats, der als Großstaat<lb/> den Parlamentarismus nicht entbehren, als deutscher Kleinstaat nicht zu dem¬<lb/> selben gelangen kann. Folgt eine bündige und nichts weniger als schmeichel¬<lb/> hafte Charakteristik des „deutschen Theilstaats": „keine Stammesbesonderheit,<lb/> keine Selbstthätigkeit der Unterthanen, keine Rücksicht auf natürliche Abgrenzung,<lb/> kein freiwilliger Zusammenschluß hat zu ihrer Bildung mitgewirkt. Sie sind<lb/> rein dynastische Organismen, an welche das Volk, politisch gesprochen, gar<lb/> kein Anrecht hat. Sie sind das nicht seit heute oder gestern, sondern s'it<lb/> Jahrhunderten und haben diesen Charakter nach allen Richtungen hin ausge-<lb/> prägt." Ein Charakter, der, nach der Meinung des Verfassers, den Thcilstaat<lb/> mit Nothwendigkeit nach Außen Vergrößerung^ - und eroberungslustig macht.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
erklärt, meint er, die Niederlage derselben rühre hauptsächlich von der Ungunst
des Bodens her. auf dem sie ankämpft, und verweist auf die Geschichte des
Staats, die lang bevorrechtete Stellung und die Dienste des Adels unter der
unbeschränkten Regierung, das spät und unter ungünstigen Umständen erfolgte
Eintreten des Volks auf den politischen Schauplatz. Preußen sei immer ein
Staat gewesen, dessen innere Ordnung durch die ihm nach außen gewordne Auf¬
gabe bestimmt werde, seine Wirksamkeit für Deutschland um so wohlthätiger,
je kräftiger und unbeschränkter die Negierung im Innern; die letzte Krise zeige,
daß dies Verhältniß auch unter der Verfassung noch fortdaure. Wie einst Na¬
poleon das Bedürfniß Frankreichs erkannt und durch seine Gesetzgebung befrie¬
digt habe, die Zerstörung der feudalen Gesellschaft: so habe auch Herr v. Bis-
marck durch die Niederwerfung des Particularismus in Deutschland sich eine
Stellung gesichert, in der er. wie jener, auf seinem heimischen Boden unbesieg¬
bar sein werde. Die feudale Partei sei damit nicht blos für jetzt in Preußen
befestigt, sondern jeder Fortschritt des Ein'gungswerkes werde auch ein neuer
Sieg für sie sein gegenüber der Opposition, die ihrer deutschen Politik wider¬
strebt habe.
Nun übernimmt aber der Verfasser alsbald so ziemlich das Gegentheil zu
zeigen. Früher sei die Gestaltung des Staates immer unnatürlich, seine Lage
gefährlich gewesen, das sei nun zum ersten Mal anders geworden. Früher
habe er an Oestreich einen gefährlichen Nebenbuhler gehabt, der jetzt aus
Deutschland verdrängt und für immer unschädlich gemacht sei. An sich bringe
eine „halbparlamentarische" Regierungsweise die größten Nachtheile; er entwirft
ein abschreckendes Gemälde von ihren Folgen und versichert ganz naiv, daß
schon im letzten Jahre der Thron über einem Abgrund geschwebt habe. Die
Gründe, das seitherige Regierungssystem beizubehalten, seien in Wegfall ge¬
kommen, die Lage werde nun mit jedem Jahre bedenklicher werden.
Wie kommt es also, daß der Parlamentarismus durch den Krieg zugleich
weniger möglich und mehr eine Nothwendigkeit geworden ist? Der Verfasser
erklärt das aus der „Doppelnatur" des preußischen Staats, der als Großstaat
den Parlamentarismus nicht entbehren, als deutscher Kleinstaat nicht zu dem¬
selben gelangen kann. Folgt eine bündige und nichts weniger als schmeichel¬
hafte Charakteristik des „deutschen Theilstaats": „keine Stammesbesonderheit,
keine Selbstthätigkeit der Unterthanen, keine Rücksicht auf natürliche Abgrenzung,
kein freiwilliger Zusammenschluß hat zu ihrer Bildung mitgewirkt. Sie sind
rein dynastische Organismen, an welche das Volk, politisch gesprochen, gar
kein Anrecht hat. Sie sind das nicht seit heute oder gestern, sondern s'it
Jahrhunderten und haben diesen Charakter nach allen Richtungen hin ausge-
prägt." Ein Charakter, der, nach der Meinung des Verfassers, den Thcilstaat
mit Nothwendigkeit nach Außen Vergrößerung^ - und eroberungslustig macht.
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