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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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nach einer totalen Windstille mit dem plötzlichen Ausbruch eines der heftigsten
Orkane jener Gegenden zu kämpfen, so daß das Schiff trotz der Anwendung der
Dampfkraft in Verbindung mit der dort herrschenden, jenem Orkan entgegen¬
laufenden starken Strömung bis zum 62° südlicher Breite abgetrieben wurde,
bei fast völliger Dunkelheit der Atmosphäre, und natürlich viel Zeit verlor.

Darauf lief sie mehre Häfen der Westküste von Südamerika an, und segelte
dann quer über den großen Ocean nach Shanghai in China, von wo sie, den
letzten Berichten zufolge, nordwärts nach der Mündung des Pei-Ho gehen
sollte. Kurz vor ihrem Eintreffen auf der dortigen Station ereignete sich das
entsetzliche Brandunglück, welches den größten Theil von Yokuhama in Asche
legte, und bei dem die als Schutzwachen ausgestellten englischen Soldaten und
Matrosen nach den klagenden Berichten englischer Zeitungen sich scandalös be¬
nahmen, indem sie theils betrunken -- die Flüchtenden insultirten, theils Kassen
und Waarenlager beraubten -- wie denn leider die Klagen über die Rohheit
der englischen Matrosen häusig begründet sind. Es wurde damals von den
Deutschen bedauert, daß die "Vineta", die durch jenen Orkan aufgehalten worden,
noch nicht in Japan eingetroffen war, weil viel Unglück und Verlust namentlich der
deutschen Geschäfte an jenem Platz hätte verhütet werden können. Im Lobe
der Zuverlässigkeit, der Nüchternheit und des anständigsten Benehmens sind über
unsre preußischen Seeleute alle Nationen einig.

Weniger ist über die vierte gedeckte Korvette, die "Hertha", 28, 400
Pferdekraft zu bemerken. Sie trägt den Namen und am Galjon das wei߬
schimmernde Bild der Hertha, jener deutschen Heidengöttin, welche gelehrte
Pastoren Rügens im sechzehnten Jahrhundert erfunden haben, indem sie den
falschgelesenen Namen der Erdmutter Nerthus bei Tcicitus auf einen Hain und
See ihrer Insel Rügen bezogen. Seitdem ist die Hertha die geheimnißvolle
Göttin Rügens geworden, die aus den stillen Fluthen des schweigenden, von
uralten Buchen umsäumten Herthasccs emporstieg, deren Anblick aber keinem
Sterblichen außer den Priestern vergönnt war, ohne daß plötzlicher Tod ihn
gleich darauf hinwegraffte u. s. w., wie Tacitus berichtet. Ist aber auch die
Göttin Hertha auf Rügen erst durch Mißverstand der Gelehrten seit den letzten
Jahrhunderten in das Volk getragen, die Fregatte, welche den Namen "Hertha"
trägt, ist kein philologischer Irrthum, sondern ein sehr solides und tüchtiges
Schiff, im October 1864 zu Danzig von Stapel gelaufen, und hat eigentlich
noch keine Geschichte. Sie ist in den Maßen der "Vineta", etwas größer als
die beiden ersten gedeckten Korvetten. Wie groß der Körper solches Fahrzeugs
ist, sieht man recht, wenn man Gelegenheit hat, die Batterie zu der Zeit zu
betreten, wo das Schiff eben erst von Stapel gelassen ist, wo weder seine
Masten noch die Maschine den ungeheuren Raum in der Wirkung beeinträchtigen
und die gewaltigen Eichenbalken und die rothgesirnißten starken Eisenkniee in


nach einer totalen Windstille mit dem plötzlichen Ausbruch eines der heftigsten
Orkane jener Gegenden zu kämpfen, so daß das Schiff trotz der Anwendung der
Dampfkraft in Verbindung mit der dort herrschenden, jenem Orkan entgegen¬
laufenden starken Strömung bis zum 62° südlicher Breite abgetrieben wurde,
bei fast völliger Dunkelheit der Atmosphäre, und natürlich viel Zeit verlor.

Darauf lief sie mehre Häfen der Westküste von Südamerika an, und segelte
dann quer über den großen Ocean nach Shanghai in China, von wo sie, den
letzten Berichten zufolge, nordwärts nach der Mündung des Pei-Ho gehen
sollte. Kurz vor ihrem Eintreffen auf der dortigen Station ereignete sich das
entsetzliche Brandunglück, welches den größten Theil von Yokuhama in Asche
legte, und bei dem die als Schutzwachen ausgestellten englischen Soldaten und
Matrosen nach den klagenden Berichten englischer Zeitungen sich scandalös be¬
nahmen, indem sie theils betrunken — die Flüchtenden insultirten, theils Kassen
und Waarenlager beraubten — wie denn leider die Klagen über die Rohheit
der englischen Matrosen häusig begründet sind. Es wurde damals von den
Deutschen bedauert, daß die „Vineta", die durch jenen Orkan aufgehalten worden,
noch nicht in Japan eingetroffen war, weil viel Unglück und Verlust namentlich der
deutschen Geschäfte an jenem Platz hätte verhütet werden können. Im Lobe
der Zuverlässigkeit, der Nüchternheit und des anständigsten Benehmens sind über
unsre preußischen Seeleute alle Nationen einig.

Weniger ist über die vierte gedeckte Korvette, die „Hertha", 28, 400
Pferdekraft zu bemerken. Sie trägt den Namen und am Galjon das wei߬
schimmernde Bild der Hertha, jener deutschen Heidengöttin, welche gelehrte
Pastoren Rügens im sechzehnten Jahrhundert erfunden haben, indem sie den
falschgelesenen Namen der Erdmutter Nerthus bei Tcicitus auf einen Hain und
See ihrer Insel Rügen bezogen. Seitdem ist die Hertha die geheimnißvolle
Göttin Rügens geworden, die aus den stillen Fluthen des schweigenden, von
uralten Buchen umsäumten Herthasccs emporstieg, deren Anblick aber keinem
Sterblichen außer den Priestern vergönnt war, ohne daß plötzlicher Tod ihn
gleich darauf hinwegraffte u. s. w., wie Tacitus berichtet. Ist aber auch die
Göttin Hertha auf Rügen erst durch Mißverstand der Gelehrten seit den letzten
Jahrhunderten in das Volk getragen, die Fregatte, welche den Namen „Hertha"
trägt, ist kein philologischer Irrthum, sondern ein sehr solides und tüchtiges
Schiff, im October 1864 zu Danzig von Stapel gelaufen, und hat eigentlich
noch keine Geschichte. Sie ist in den Maßen der „Vineta", etwas größer als
die beiden ersten gedeckten Korvetten. Wie groß der Körper solches Fahrzeugs
ist, sieht man recht, wenn man Gelegenheit hat, die Batterie zu der Zeit zu
betreten, wo das Schiff eben erst von Stapel gelassen ist, wo weder seine
Masten noch die Maschine den ungeheuren Raum in der Wirkung beeinträchtigen
und die gewaltigen Eichenbalken und die rothgesirnißten starken Eisenkniee in


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[0255] nach einer totalen Windstille mit dem plötzlichen Ausbruch eines der heftigsten Orkane jener Gegenden zu kämpfen, so daß das Schiff trotz der Anwendung der Dampfkraft in Verbindung mit der dort herrschenden, jenem Orkan entgegen¬ laufenden starken Strömung bis zum 62° südlicher Breite abgetrieben wurde, bei fast völliger Dunkelheit der Atmosphäre, und natürlich viel Zeit verlor. Darauf lief sie mehre Häfen der Westküste von Südamerika an, und segelte dann quer über den großen Ocean nach Shanghai in China, von wo sie, den letzten Berichten zufolge, nordwärts nach der Mündung des Pei-Ho gehen sollte. Kurz vor ihrem Eintreffen auf der dortigen Station ereignete sich das entsetzliche Brandunglück, welches den größten Theil von Yokuhama in Asche legte, und bei dem die als Schutzwachen ausgestellten englischen Soldaten und Matrosen nach den klagenden Berichten englischer Zeitungen sich scandalös be¬ nahmen, indem sie theils betrunken — die Flüchtenden insultirten, theils Kassen und Waarenlager beraubten — wie denn leider die Klagen über die Rohheit der englischen Matrosen häusig begründet sind. Es wurde damals von den Deutschen bedauert, daß die „Vineta", die durch jenen Orkan aufgehalten worden, noch nicht in Japan eingetroffen war, weil viel Unglück und Verlust namentlich der deutschen Geschäfte an jenem Platz hätte verhütet werden können. Im Lobe der Zuverlässigkeit, der Nüchternheit und des anständigsten Benehmens sind über unsre preußischen Seeleute alle Nationen einig. Weniger ist über die vierte gedeckte Korvette, die „Hertha", 28, 400 Pferdekraft zu bemerken. Sie trägt den Namen und am Galjon das wei߬ schimmernde Bild der Hertha, jener deutschen Heidengöttin, welche gelehrte Pastoren Rügens im sechzehnten Jahrhundert erfunden haben, indem sie den falschgelesenen Namen der Erdmutter Nerthus bei Tcicitus auf einen Hain und See ihrer Insel Rügen bezogen. Seitdem ist die Hertha die geheimnißvolle Göttin Rügens geworden, die aus den stillen Fluthen des schweigenden, von uralten Buchen umsäumten Herthasccs emporstieg, deren Anblick aber keinem Sterblichen außer den Priestern vergönnt war, ohne daß plötzlicher Tod ihn gleich darauf hinwegraffte u. s. w., wie Tacitus berichtet. Ist aber auch die Göttin Hertha auf Rügen erst durch Mißverstand der Gelehrten seit den letzten Jahrhunderten in das Volk getragen, die Fregatte, welche den Namen „Hertha" trägt, ist kein philologischer Irrthum, sondern ein sehr solides und tüchtiges Schiff, im October 1864 zu Danzig von Stapel gelaufen, und hat eigentlich noch keine Geschichte. Sie ist in den Maßen der „Vineta", etwas größer als die beiden ersten gedeckten Korvetten. Wie groß der Körper solches Fahrzeugs ist, sieht man recht, wenn man Gelegenheit hat, die Batterie zu der Zeit zu betreten, wo das Schiff eben erst von Stapel gelassen ist, wo weder seine Masten noch die Maschine den ungeheuren Raum in der Wirkung beeinträchtigen und die gewaltigen Eichenbalken und die rothgesirnißten starken Eisenkniee in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/255>, abgerufen am 15.01.2025.