Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

tegrirender Bestandtheil die Landrathsvcrfassung mit ihrer aristokratischen Grund¬
lage gehört.

Vergleichen wir dagegen die Entwicklung der hannoverschen Aemter.
Hier fehlte es früher stets an einem eigentlich staatsrechtlichen Verbände, der die
einzelnen Bestandtheile des Landes mit einander vereinte; die Person des
Regenten war das einzige gemeinsame Band; die einzelnen Provinzen hatten ihre
Einnahmen und Ausgaben für sich; sie bestritten selbst einen nicht unwesentlichen
Theil solcher Kosten, die eigentlich den Staat angingen; übrigens aber wurde der
Landeshaushalt vom Privatvermögen des Fürsten beköstigt und natürlich auf dessen
Vermehrung und thunlichst nutzbringende Verwaltung besonderes Gewicht gelegt.

Diese Aufgabe hatten die Aemter zu lösen, die ursprünglich lediglich
Domanialbehörden und das Interesse der landesherrlichen Kasse wahrzunehmen
berufen waren. Als landesherrliche Dienststellen hatten sie natürlich einigen
Einfluß, vergrößerten diesen allmälig immer mehr und so wuchs auch ihr Ge¬
schäftsumfang. Die Regierung benutzte sie als die bequemsten und lediglich von
ihr abhängigen Organe zunächst zur Wahrung ihrer Rechte und Interessen, auch
soweit diese über die persönlichen Rechte des Fürsten hinausgingen.

Die Beamten erhielten als Besoldung theils Domanialgrundstücke zur un¬
entgeltlichen Benutzung, theils Gefälle und Sporteln aller Art. Da diese Be¬
züge meist sehr hoch waren, so drängten sich viele junge Leute zu diesen Stellen
und die Negierung benutzte dies, um namentlich die richterlichen Functionen,
soweit solche nicht Patrimonialgerichten oblagen, solchen Personen zu übertragen,
die sie dann Jahre lang umsonst oder nur gegen geringe Vergütung allein in
der Voraussicht wahrnahmen, dereinst Stellen als Domanialbeamte zu er¬
halten. Allmälig wurden mit den Domanial- auch die Regiminalgeschäfte in
unterster Instanz den Aemtern übertragen; die Justizsachen wurden ihnen später
genommen, und so sind die Aemter in ihrer heutigen Gestalt vorwiegend Re¬
gierungsorgane für die eigentliche Negiminalverwaltung geworden, die nebenbei
noch immer die Dvmanialverwaltung mit führen.

Die Hauptsache ist der jetzige Zustand der hannoverschen Aemter, und der
charakterisirt sich dahin, daß sie reine Rcgicrungsorgane und die von ihnen an¬
gestellten Beamten lediglich von der Regierung abhängige sind, daß diese ihrem
Benife sich ausschließlich widmen und davon leben müssen, daß sie zu dem Amts¬
bezirke als solchem in irgendwelchen persönlichen Beziehungen nicht stehen und
grundsätzlich nicht stehen sollen, daß sie der jederzeitigen Versetzung durch
die Negierung unterworfen sind, mit einem Worte, daß das ganze Institut ein
völlig büreaukratisches ist; und daß den Amtseingesessenen und namentlich den
Grundbesitzern irgendwelche directe oder indirecte Betheiligung bei der Besetzung
der Aemter so wenig, wie bei Leitung der Amtsgeschäfte zusteht.*)



') Wir verzichten darauf, von den Amtsordnunge" von 18S2 und 18os im Einzelnen

tegrirender Bestandtheil die Landrathsvcrfassung mit ihrer aristokratischen Grund¬
lage gehört.

Vergleichen wir dagegen die Entwicklung der hannoverschen Aemter.
Hier fehlte es früher stets an einem eigentlich staatsrechtlichen Verbände, der die
einzelnen Bestandtheile des Landes mit einander vereinte; die Person des
Regenten war das einzige gemeinsame Band; die einzelnen Provinzen hatten ihre
Einnahmen und Ausgaben für sich; sie bestritten selbst einen nicht unwesentlichen
Theil solcher Kosten, die eigentlich den Staat angingen; übrigens aber wurde der
Landeshaushalt vom Privatvermögen des Fürsten beköstigt und natürlich auf dessen
Vermehrung und thunlichst nutzbringende Verwaltung besonderes Gewicht gelegt.

Diese Aufgabe hatten die Aemter zu lösen, die ursprünglich lediglich
Domanialbehörden und das Interesse der landesherrlichen Kasse wahrzunehmen
berufen waren. Als landesherrliche Dienststellen hatten sie natürlich einigen
Einfluß, vergrößerten diesen allmälig immer mehr und so wuchs auch ihr Ge¬
schäftsumfang. Die Regierung benutzte sie als die bequemsten und lediglich von
ihr abhängigen Organe zunächst zur Wahrung ihrer Rechte und Interessen, auch
soweit diese über die persönlichen Rechte des Fürsten hinausgingen.

Die Beamten erhielten als Besoldung theils Domanialgrundstücke zur un¬
entgeltlichen Benutzung, theils Gefälle und Sporteln aller Art. Da diese Be¬
züge meist sehr hoch waren, so drängten sich viele junge Leute zu diesen Stellen
und die Negierung benutzte dies, um namentlich die richterlichen Functionen,
soweit solche nicht Patrimonialgerichten oblagen, solchen Personen zu übertragen,
die sie dann Jahre lang umsonst oder nur gegen geringe Vergütung allein in
der Voraussicht wahrnahmen, dereinst Stellen als Domanialbeamte zu er¬
halten. Allmälig wurden mit den Domanial- auch die Regiminalgeschäfte in
unterster Instanz den Aemtern übertragen; die Justizsachen wurden ihnen später
genommen, und so sind die Aemter in ihrer heutigen Gestalt vorwiegend Re¬
gierungsorgane für die eigentliche Negiminalverwaltung geworden, die nebenbei
noch immer die Dvmanialverwaltung mit führen.

Die Hauptsache ist der jetzige Zustand der hannoverschen Aemter, und der
charakterisirt sich dahin, daß sie reine Rcgicrungsorgane und die von ihnen an¬
gestellten Beamten lediglich von der Regierung abhängige sind, daß diese ihrem
Benife sich ausschließlich widmen und davon leben müssen, daß sie zu dem Amts¬
bezirke als solchem in irgendwelchen persönlichen Beziehungen nicht stehen und
grundsätzlich nicht stehen sollen, daß sie der jederzeitigen Versetzung durch
die Negierung unterworfen sind, mit einem Worte, daß das ganze Institut ein
völlig büreaukratisches ist; und daß den Amtseingesessenen und namentlich den
Grundbesitzern irgendwelche directe oder indirecte Betheiligung bei der Besetzung
der Aemter so wenig, wie bei Leitung der Amtsgeschäfte zusteht.*)



') Wir verzichten darauf, von den Amtsordnunge» von 18S2 und 18os im Einzelnen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191446"/>
            <p xml:id="ID_609" prev="#ID_608"> tegrirender Bestandtheil die Landrathsvcrfassung mit ihrer aristokratischen Grund¬<lb/>
lage gehört.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_610"> Vergleichen wir dagegen die Entwicklung der hannoverschen Aemter.<lb/>
Hier fehlte es früher stets an einem eigentlich staatsrechtlichen Verbände, der die<lb/>
einzelnen Bestandtheile des Landes mit einander vereinte; die Person des<lb/>
Regenten war das einzige gemeinsame Band; die einzelnen Provinzen hatten ihre<lb/>
Einnahmen und Ausgaben für sich; sie bestritten selbst einen nicht unwesentlichen<lb/>
Theil solcher Kosten, die eigentlich den Staat angingen; übrigens aber wurde der<lb/>
Landeshaushalt vom Privatvermögen des Fürsten beköstigt und natürlich auf dessen<lb/>
Vermehrung und thunlichst nutzbringende Verwaltung besonderes Gewicht gelegt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_611"> Diese Aufgabe hatten die Aemter zu lösen, die ursprünglich lediglich<lb/>
Domanialbehörden und das Interesse der landesherrlichen Kasse wahrzunehmen<lb/>
berufen waren. Als landesherrliche Dienststellen hatten sie natürlich einigen<lb/>
Einfluß, vergrößerten diesen allmälig immer mehr und so wuchs auch ihr Ge¬<lb/>
schäftsumfang. Die Regierung benutzte sie als die bequemsten und lediglich von<lb/>
ihr abhängigen Organe zunächst zur Wahrung ihrer Rechte und Interessen, auch<lb/>
soweit diese über die persönlichen Rechte des Fürsten hinausgingen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_612"> Die Beamten erhielten als Besoldung theils Domanialgrundstücke zur un¬<lb/>
entgeltlichen Benutzung, theils Gefälle und Sporteln aller Art. Da diese Be¬<lb/>
züge meist sehr hoch waren, so drängten sich viele junge Leute zu diesen Stellen<lb/>
und die Negierung benutzte dies, um namentlich die richterlichen Functionen,<lb/>
soweit solche nicht Patrimonialgerichten oblagen, solchen Personen zu übertragen,<lb/>
die sie dann Jahre lang umsonst oder nur gegen geringe Vergütung allein in<lb/>
der Voraussicht wahrnahmen, dereinst Stellen als Domanialbeamte zu er¬<lb/>
halten. Allmälig wurden mit den Domanial- auch die Regiminalgeschäfte in<lb/>
unterster Instanz den Aemtern übertragen; die Justizsachen wurden ihnen später<lb/>
genommen, und so sind die Aemter in ihrer heutigen Gestalt vorwiegend Re¬<lb/>
gierungsorgane für die eigentliche Negiminalverwaltung geworden, die nebenbei<lb/>
noch immer die Dvmanialverwaltung mit führen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_613"> Die Hauptsache ist der jetzige Zustand der hannoverschen Aemter, und der<lb/>
charakterisirt sich dahin, daß sie reine Rcgicrungsorgane und die von ihnen an¬<lb/>
gestellten Beamten lediglich von der Regierung abhängige sind, daß diese ihrem<lb/>
Benife sich ausschließlich widmen und davon leben müssen, daß sie zu dem Amts¬<lb/>
bezirke als solchem in irgendwelchen persönlichen Beziehungen nicht stehen und<lb/>
grundsätzlich nicht stehen sollen, daß sie der jederzeitigen Versetzung durch<lb/>
die Negierung unterworfen sind, mit einem Worte, daß das ganze Institut ein<lb/>
völlig büreaukratisches ist; und daß den Amtseingesessenen und namentlich den<lb/>
Grundbesitzern irgendwelche directe oder indirecte Betheiligung bei der Besetzung<lb/>
der Aemter so wenig, wie bei Leitung der Amtsgeschäfte zusteht.*)</p><lb/>
            <note xml:id="FID_10" place="foot" next="#FID_11"> ') Wir verzichten darauf, von den Amtsordnunge» von 18S2 und 18os im Einzelnen</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0216] tegrirender Bestandtheil die Landrathsvcrfassung mit ihrer aristokratischen Grund¬ lage gehört. Vergleichen wir dagegen die Entwicklung der hannoverschen Aemter. Hier fehlte es früher stets an einem eigentlich staatsrechtlichen Verbände, der die einzelnen Bestandtheile des Landes mit einander vereinte; die Person des Regenten war das einzige gemeinsame Band; die einzelnen Provinzen hatten ihre Einnahmen und Ausgaben für sich; sie bestritten selbst einen nicht unwesentlichen Theil solcher Kosten, die eigentlich den Staat angingen; übrigens aber wurde der Landeshaushalt vom Privatvermögen des Fürsten beköstigt und natürlich auf dessen Vermehrung und thunlichst nutzbringende Verwaltung besonderes Gewicht gelegt. Diese Aufgabe hatten die Aemter zu lösen, die ursprünglich lediglich Domanialbehörden und das Interesse der landesherrlichen Kasse wahrzunehmen berufen waren. Als landesherrliche Dienststellen hatten sie natürlich einigen Einfluß, vergrößerten diesen allmälig immer mehr und so wuchs auch ihr Ge¬ schäftsumfang. Die Regierung benutzte sie als die bequemsten und lediglich von ihr abhängigen Organe zunächst zur Wahrung ihrer Rechte und Interessen, auch soweit diese über die persönlichen Rechte des Fürsten hinausgingen. Die Beamten erhielten als Besoldung theils Domanialgrundstücke zur un¬ entgeltlichen Benutzung, theils Gefälle und Sporteln aller Art. Da diese Be¬ züge meist sehr hoch waren, so drängten sich viele junge Leute zu diesen Stellen und die Negierung benutzte dies, um namentlich die richterlichen Functionen, soweit solche nicht Patrimonialgerichten oblagen, solchen Personen zu übertragen, die sie dann Jahre lang umsonst oder nur gegen geringe Vergütung allein in der Voraussicht wahrnahmen, dereinst Stellen als Domanialbeamte zu er¬ halten. Allmälig wurden mit den Domanial- auch die Regiminalgeschäfte in unterster Instanz den Aemtern übertragen; die Justizsachen wurden ihnen später genommen, und so sind die Aemter in ihrer heutigen Gestalt vorwiegend Re¬ gierungsorgane für die eigentliche Negiminalverwaltung geworden, die nebenbei noch immer die Dvmanialverwaltung mit führen. Die Hauptsache ist der jetzige Zustand der hannoverschen Aemter, und der charakterisirt sich dahin, daß sie reine Rcgicrungsorgane und die von ihnen an¬ gestellten Beamten lediglich von der Regierung abhängige sind, daß diese ihrem Benife sich ausschließlich widmen und davon leben müssen, daß sie zu dem Amts¬ bezirke als solchem in irgendwelchen persönlichen Beziehungen nicht stehen und grundsätzlich nicht stehen sollen, daß sie der jederzeitigen Versetzung durch die Negierung unterworfen sind, mit einem Worte, daß das ganze Institut ein völlig büreaukratisches ist; und daß den Amtseingesessenen und namentlich den Grundbesitzern irgendwelche directe oder indirecte Betheiligung bei der Besetzung der Aemter so wenig, wie bei Leitung der Amtsgeschäfte zusteht.*) ') Wir verzichten darauf, von den Amtsordnunge» von 18S2 und 18os im Einzelnen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/216
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/216>, abgerufen am 15.01.2025.