Wir wünschen wahrlich nicht, alles über einen Leisten geschlagen zu sehen, allein andrerseits muß auch eine gewisse Einheit jedes Staatsleben durchdringen, und namentlich bei der eigentlichen Staatsverwaltung muß ein Grundgedanke maßgebend sein. Es kann nicht eine Provinz auf Grundlage aristokratischen Selfgovernments, die andre auf Grundlage absoluter Bureaukratie verwaltet werden. Das Princip, die lokale Verwaltung als Ehrenamt von Notabeln des Kreises führen zu lassen, im Allgemeinen aufrecht zu erhalten und daneben in einer Provinz eine besondre abgeschlossene Beamtenlaufbahn für diese Verwaltung zu schaffen, geht nicht an.
Wie denkt sich der Verfasser der oben erwähnten "Bermittlungsvorschläge" seinen Plan auf die Länge der Zeit? -- 63 Landräthe und ungefähr ebenso viele Hilfsbeamte sollen nach seinem Wunsche die untere Verwaltung in der Provinz Hannover führen. Diese beiläufig 120 Beamte würden lediglich für sich eine abgeschlossene Carriere bilden; es würde, wie ihr Dienst, so ihre Vorbildung nur in dieser einen Provinz möglich sein; der Zutritt dazu müßte natürlich den Bewohnern des ganzen Königreichs frei stehen; factisch aber würden, schon der Unbekanntheit wegen, fast ausschließlich Hannoveraner sich dazu bilden, und würde so ein Patrimonium für Berufsbeamtc gebildet, das eine völlige Verschmelzung mit den altpreußischen Anschauungen auf das äußerste erschwe¬ ren würde.
Die Verwaltungsgeschäfte als solche würden doch selbstredend in allen Pro¬ vinzen dieselben sein müssen; die Art der Behandlung, der eigentliche Geschäfts, gang erheischt dann auch im Wesentlichen Gleichheit, und diese wieder ist nur möglich bei gleicher Organisation der Verwaltung.
Ist erst die Gewerbefreiheit völlig eingeführt, sind die Steuern nach dem ein¬ fachen preußischen System eingewöhnt, ist den Gemeinden derselbe Wirkungskreis eingeräumt wie in den alten Provinzen, kurz ist das nothwendige, mit mancherlei außerordentlichen Arbeiten verbundene Uebergangsstadium erst überwunden, so muß doch nothwendig in Hannover so gut wie in den alten Provinzen ein Land¬ rath die Verwaltung eines Kreises von circa 60,000 Einwohner" besorgen können.
Weshalb sollen da nun für diese Anzahl Menschen je zwei Kreise mit zwei berufsmäßigen Landräthen und ebensoviel Hilfsarbeitern errichtet werden? -- Ist neben der Vergeudung an Arbeitskraft die erheblich größere Gcldausgabe aus die Dauer zu rechtfertigen?
Für die Uebergangszeit mag das der Fall sein, da es sich eben um außer-
nachzuwcisen, wie die Absicht der Regierung auf Schaffung thunlichst abhängiger Verwaltungs- vrgane in den Aemtern ausdrücklich gerichtet war, und sehen ebenfalls von einem Eingehen aus die neuere Schöpfung der Amtsvertretung hier ab.
Wir wünschen wahrlich nicht, alles über einen Leisten geschlagen zu sehen, allein andrerseits muß auch eine gewisse Einheit jedes Staatsleben durchdringen, und namentlich bei der eigentlichen Staatsverwaltung muß ein Grundgedanke maßgebend sein. Es kann nicht eine Provinz auf Grundlage aristokratischen Selfgovernments, die andre auf Grundlage absoluter Bureaukratie verwaltet werden. Das Princip, die lokale Verwaltung als Ehrenamt von Notabeln des Kreises führen zu lassen, im Allgemeinen aufrecht zu erhalten und daneben in einer Provinz eine besondre abgeschlossene Beamtenlaufbahn für diese Verwaltung zu schaffen, geht nicht an.
Wie denkt sich der Verfasser der oben erwähnten „Bermittlungsvorschläge" seinen Plan auf die Länge der Zeit? — 63 Landräthe und ungefähr ebenso viele Hilfsbeamte sollen nach seinem Wunsche die untere Verwaltung in der Provinz Hannover führen. Diese beiläufig 120 Beamte würden lediglich für sich eine abgeschlossene Carriere bilden; es würde, wie ihr Dienst, so ihre Vorbildung nur in dieser einen Provinz möglich sein; der Zutritt dazu müßte natürlich den Bewohnern des ganzen Königreichs frei stehen; factisch aber würden, schon der Unbekanntheit wegen, fast ausschließlich Hannoveraner sich dazu bilden, und würde so ein Patrimonium für Berufsbeamtc gebildet, das eine völlige Verschmelzung mit den altpreußischen Anschauungen auf das äußerste erschwe¬ ren würde.
Die Verwaltungsgeschäfte als solche würden doch selbstredend in allen Pro¬ vinzen dieselben sein müssen; die Art der Behandlung, der eigentliche Geschäfts, gang erheischt dann auch im Wesentlichen Gleichheit, und diese wieder ist nur möglich bei gleicher Organisation der Verwaltung.
Ist erst die Gewerbefreiheit völlig eingeführt, sind die Steuern nach dem ein¬ fachen preußischen System eingewöhnt, ist den Gemeinden derselbe Wirkungskreis eingeräumt wie in den alten Provinzen, kurz ist das nothwendige, mit mancherlei außerordentlichen Arbeiten verbundene Uebergangsstadium erst überwunden, so muß doch nothwendig in Hannover so gut wie in den alten Provinzen ein Land¬ rath die Verwaltung eines Kreises von circa 60,000 Einwohner» besorgen können.
Weshalb sollen da nun für diese Anzahl Menschen je zwei Kreise mit zwei berufsmäßigen Landräthen und ebensoviel Hilfsarbeitern errichtet werden? — Ist neben der Vergeudung an Arbeitskraft die erheblich größere Gcldausgabe aus die Dauer zu rechtfertigen?
Für die Uebergangszeit mag das der Fall sein, da es sich eben um außer-
nachzuwcisen, wie die Absicht der Regierung auf Schaffung thunlichst abhängiger Verwaltungs- vrgane in den Aemtern ausdrücklich gerichtet war, und sehen ebenfalls von einem Eingehen aus die neuere Schöpfung der Amtsvertretung hier ab.
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maßgebend sein. Es kann nicht eine Provinz auf Grundlage aristokratischen
Selfgovernments, die andre auf Grundlage absoluter Bureaukratie verwaltet
werden. Das Princip, die lokale Verwaltung als Ehrenamt von Notabeln des
Kreises führen zu lassen, im Allgemeinen aufrecht zu erhalten und daneben in
einer Provinz eine besondre abgeschlossene Beamtenlaufbahn für diese Verwaltung
zu schaffen, geht nicht an.
Wie denkt sich der Verfasser der oben erwähnten „Bermittlungsvorschläge"
seinen Plan auf die Länge der Zeit? — 63 Landräthe und ungefähr ebenso
viele Hilfsbeamte sollen nach seinem Wunsche die untere Verwaltung in der
Provinz Hannover führen. Diese beiläufig 120 Beamte würden lediglich
für sich eine abgeschlossene Carriere bilden; es würde, wie ihr Dienst, so ihre
Vorbildung nur in dieser einen Provinz möglich sein; der Zutritt dazu müßte
natürlich den Bewohnern des ganzen Königreichs frei stehen; factisch aber würden,
schon der Unbekanntheit wegen, fast ausschließlich Hannoveraner sich dazu bilden,
und würde so ein Patrimonium für Berufsbeamtc gebildet, das eine völlige
Verschmelzung mit den altpreußischen Anschauungen auf das äußerste erschwe¬
ren würde.
Die Verwaltungsgeschäfte als solche würden doch selbstredend in allen Pro¬
vinzen dieselben sein müssen; die Art der Behandlung, der eigentliche Geschäfts,
gang erheischt dann auch im Wesentlichen Gleichheit, und diese wieder ist nur
möglich bei gleicher Organisation der Verwaltung.
Ist erst die Gewerbefreiheit völlig eingeführt, sind die Steuern nach dem ein¬
fachen preußischen System eingewöhnt, ist den Gemeinden derselbe Wirkungskreis
eingeräumt wie in den alten Provinzen, kurz ist das nothwendige, mit mancherlei
außerordentlichen Arbeiten verbundene Uebergangsstadium erst überwunden, so
muß doch nothwendig in Hannover so gut wie in den alten Provinzen ein Land¬
rath die Verwaltung eines Kreises von circa 60,000 Einwohner» besorgen
können.
Weshalb sollen da nun für diese Anzahl Menschen je zwei Kreise mit zwei
berufsmäßigen Landräthen und ebensoviel Hilfsarbeitern errichtet werden? —
Ist neben der Vergeudung an Arbeitskraft die erheblich größere Gcldausgabe
aus die Dauer zu rechtfertigen?
Für die Uebergangszeit mag das der Fall sein, da es sich eben um außer-
nachzuwcisen, wie die Absicht der Regierung auf Schaffung thunlichst abhängiger Verwaltungs-
vrgane in den Aemtern ausdrücklich gerichtet war, und sehen ebenfalls von einem Eingehen aus
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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/217>, abgerufen am 24.01.2025.
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