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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Nur die Abneigung der Massen gegen das herrschende System giebt den An¬
griffen dieser Männer Gewicht, populär sind dieselben mindestens ebensowenig
wie Nouher. Duruy oder der Marquis Demvusticr und die Opposition der Favre,
Glaie-Bizoin und Thiels würde durch sie nicht entwaffnet, sondern nur verstärkt
und ermuthigt werden. Daß in Fragen der großen Politik und der Beziehungen
zu Deutschland die verschiedenen oppositionellen Fraktionen gleich schlecht berathen
seien, hat sich bei Gelegenheit der legten Debatte über die deutschen Verhältnisse
schlagend genug gezeigt und es bleibt eigentlich gar keine Möglichkeit auf dem
Gebiete der innern französischen Politik übrig, die noch Aussichten auf eine"
dauernden Frieden böte. Da ist es denn erklärlich genug, daß der Kaiser seine
alten Berather behält, mögen dieselben in der öffeinlichcn Meinung auch noch
so discrcdilirt sein. Jeder Tag scheint die Katastrophe zu beschleunigen: den
Niederlagen, welche Nouher in der Debatte über Mexiko erlitten, ist der ent-
wmdigende Duruy'Casscignac-Scandal so rasch gefolgt, daß sich die befangensten
Jinpecalisten dem Eindiuck der Nath- und Creditlosigkeit des kaiserlichen Cabinets
nicht mehr entziehen können. Von den Auökunftsmitlcln zur Ableitung der
öffentlichen Theilnahme, an denen der dritte Napoleon sonst unerschöpflich zu
sein schien, will keines mehr verfangen; weder hat der Besuch des Sultans
einen dauernden Effect zu mache" vermocht, noch ' ist das Wieöererscheinen
Victor Hugos oder die endlich auch vom Senat genehmigte Abschaffung der
Schuldhaft besonders beachtet worden. Seit der Besuch des östreichischen Kai¬
sers ausgegeben ist, werben die nach Paris gepilgerten Könige von Portugal,
Bayern und Württemberg kaum mehr bemerkt und über alle übrigen Eindrücke
behalten die die Oberhand, welche von dem Verblassen des kaiserlichen Sterns
herrühren. Die napoleoiusche Politik hat sich für die Franzosen so untrennbar
mit den preußischen Erfolgen in Deutschland identificirt, daß das Sturnilaufen
auf die eine mit Angriffen auf die anderen zusammenfällt und daß ein pariser
Blatt die Unabhängigkeit seiner Gesinnung kaum noch besser documentiren
^tann, als bruns Declamationen gegen die deutsche Vormacht und den Grasen
Bismarck. Mit einer Kurzsichtigkeit und Befangenheit, welche selbst in Deutsch¬
land ihres Gleichen sucht, werden die inneren deutscheu Fragen nicht nach der
Bedeutung, welche sie für sich selbst, sondern ausschließlich darnach beurtheilt,
ob sie von Rücksicht aus Frankreich zeugen oder nicht. In diesem Sinne weiß
die Revue des deux mondes von dem Abkommen in der Zollangclcgenheit weiter
nichts zu sagen, als daß dieselbe ebensowenig von einem Frankreich schuldigen
"mömr^neue" zeuge, wie die preußische Behandlung der "ordschlesivigschen
Grenzregulirung! Was würde Herr Forcade wohl dazu sagen, wenn man in
Berlin den gleichen Maßstab an die Behandlung französischer Interessen legte?
Gemähre wird dieser Groll gegen den preußischen Premier übrigens durch die
Ueberzeugung, daß dieser in Florenz noch immer ein Wort mitzureden hat und


Nur die Abneigung der Massen gegen das herrschende System giebt den An¬
griffen dieser Männer Gewicht, populär sind dieselben mindestens ebensowenig
wie Nouher. Duruy oder der Marquis Demvusticr und die Opposition der Favre,
Glaie-Bizoin und Thiels würde durch sie nicht entwaffnet, sondern nur verstärkt
und ermuthigt werden. Daß in Fragen der großen Politik und der Beziehungen
zu Deutschland die verschiedenen oppositionellen Fraktionen gleich schlecht berathen
seien, hat sich bei Gelegenheit der legten Debatte über die deutschen Verhältnisse
schlagend genug gezeigt und es bleibt eigentlich gar keine Möglichkeit auf dem
Gebiete der innern französischen Politik übrig, die noch Aussichten auf eine»
dauernden Frieden böte. Da ist es denn erklärlich genug, daß der Kaiser seine
alten Berather behält, mögen dieselben in der öffeinlichcn Meinung auch noch
so discrcdilirt sein. Jeder Tag scheint die Katastrophe zu beschleunigen: den
Niederlagen, welche Nouher in der Debatte über Mexiko erlitten, ist der ent-
wmdigende Duruy'Casscignac-Scandal so rasch gefolgt, daß sich die befangensten
Jinpecalisten dem Eindiuck der Nath- und Creditlosigkeit des kaiserlichen Cabinets
nicht mehr entziehen können. Von den Auökunftsmitlcln zur Ableitung der
öffentlichen Theilnahme, an denen der dritte Napoleon sonst unerschöpflich zu
sein schien, will keines mehr verfangen; weder hat der Besuch des Sultans
einen dauernden Effect zu mache» vermocht, noch ' ist das Wieöererscheinen
Victor Hugos oder die endlich auch vom Senat genehmigte Abschaffung der
Schuldhaft besonders beachtet worden. Seit der Besuch des östreichischen Kai¬
sers ausgegeben ist, werben die nach Paris gepilgerten Könige von Portugal,
Bayern und Württemberg kaum mehr bemerkt und über alle übrigen Eindrücke
behalten die die Oberhand, welche von dem Verblassen des kaiserlichen Sterns
herrühren. Die napoleoiusche Politik hat sich für die Franzosen so untrennbar
mit den preußischen Erfolgen in Deutschland identificirt, daß das Sturnilaufen
auf die eine mit Angriffen auf die anderen zusammenfällt und daß ein pariser
Blatt die Unabhängigkeit seiner Gesinnung kaum noch besser documentiren
^tann, als bruns Declamationen gegen die deutsche Vormacht und den Grasen
Bismarck. Mit einer Kurzsichtigkeit und Befangenheit, welche selbst in Deutsch¬
land ihres Gleichen sucht, werden die inneren deutscheu Fragen nicht nach der
Bedeutung, welche sie für sich selbst, sondern ausschließlich darnach beurtheilt,
ob sie von Rücksicht aus Frankreich zeugen oder nicht. In diesem Sinne weiß
die Revue des deux mondes von dem Abkommen in der Zollangclcgenheit weiter
nichts zu sagen, als daß dieselbe ebensowenig von einem Frankreich schuldigen
„mömr^neue" zeuge, wie die preußische Behandlung der »ordschlesivigschen
Grenzregulirung! Was würde Herr Forcade wohl dazu sagen, wenn man in
Berlin den gleichen Maßstab an die Behandlung französischer Interessen legte?
Gemähre wird dieser Groll gegen den preußischen Premier übrigens durch die
Ueberzeugung, daß dieser in Florenz noch immer ein Wort mitzureden hat und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/206>, abgerufen am 15.01.2025.