Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.daß Frankreich durch den Sturz Ricasolis und die Wiedereinsetzung Ratrazzis Indessen Frankreich mit seinen innern Nöthen, England mit seiner endlich Die neue Bahn, welche die russische Wirthschaftspolitik seit dem Beginn daß Frankreich durch den Sturz Ricasolis und die Wiedereinsetzung Ratrazzis Indessen Frankreich mit seinen innern Nöthen, England mit seiner endlich Die neue Bahn, welche die russische Wirthschaftspolitik seit dem Beginn <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0207" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191437"/> <p xml:id="ID_575" prev="#ID_574"> daß Frankreich durch den Sturz Ricasolis und die Wiedereinsetzung Ratrazzis<lb/> in den Besitz seines früheren italienischen Einflusses nicht wieder gelangt ist.<lb/> „Leite iväolente et subtile Italie" heißt es von diesem Staat, für dessen<lb/> Lobpreisung dem Organ der liberalen Bourgeoisie noch jüngst die nöthigen Kraft-<lb/> ausdrücke ausgingen. — Frankreichs Stellung zur orientalischen Frage scheint<lb/> weder durch den Besuch des Zaren noch den des Sultaus verändert worden zu<lb/> sein und bei der Zurückhaltung, die England beobachtet, ist es begreiflich, daß<lb/> der Kaiser den russischen Vorschlag zum Erlaß einer neuen Dringlichkeitsnote<lb/> wegen Candia nicht angenommen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_576"> Indessen Frankreich mit seinen innern Nöthen, England mit seiner endlich<lb/> an das Oberhaus gelangten Reformbill beschäftigt ist, nehmen der russische<lb/> Einfluß im Orient und das russische Drängen nach einer Entscheidung über<lb/> denselben unaushciltlich zu. Zwar scheint das Petersburger Cabinet nach wie<lb/> vor nur mit inneren Fragen beschäftigt zu sein, aber die Behandlung, welche<lb/> diese erfahren, lassen durchsehen, daß dem nordischen Großstaat daran gelegen<lb/> ist, möglichst viel Mittel für eine freie Action in Händen zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_577" next="#ID_578"> Die neue Bahn, welche die russische Wirthschaftspolitik seit dem Beginn<lb/> dieses Jahres eingeschlagen Hai, involvirt einen so bedeutenden Fortschritt,<lb/> daß sie die Aufmerksamkeit des Westens in größerem Maß verdient, als sie ihr<lb/> bisher zu Theil geworden. Die Regierung bemüht sich nämlich, die Masse der<lb/> auf ihr ruhenden Verwaltungsgeschäfte zu vermindern und den Staat von der<lb/> Sorge für eine Anzahl Unternehmungen zu befreien, die dieser bisher zu seinem<lb/> Schaden auf eigene Rechnung betriev. Anfang Januar ordnete ein kaiserlicher<lb/> Ukas den Verkauf des größten Theils der zum Domaincngul gehörigen Bauer¬<lb/> höfe und die Auflösung der bezüglichen Verwaltungsstellen an, die nur in den<lb/> nichtrussischen Provinzen, in denen das Domanium ein Hebel des Regierung?-<lb/> einflusses ist, beibehalten wurden. Dieser Maßregel folgte der Verkauf der<lb/> russischen Besitzungen in Amerika, der von der nationalen Partei übrigens eben¬<lb/> so ungern gesehen wurde, wie die einige Monate später beschlossene Veräußerung<lb/> der moskau-petcrsbuiger Eisenbahn. Neuerdings hat die Regierung sich ent¬<lb/> schlossen, auch ihre Berg- und Hüttenwerke in private Hände übergehen zu lassen,<lb/> da die Erträge derselben, Dank der staatlichen Verwaltung, seit Jahrzehnten<lb/> nicht mehr zunahmen. Diese Maßregeln sind in mehrfacher Beziehung von<lb/> großer' Wichtigkeit. Einmal ist es Thatsache, daß die russische Regierung eine<lb/> unglückliche industrielle Unternehmerin ist und zweitens brackte es die Ueberlastung<lb/> der Centralverwaltung durch diese Unternehmungen mit sich, daß eine wirkliche Con-<lb/> trole der einzelnen Administrativnsbranchen kaum möglich war. Während im west¬<lb/> lichen Europa den einzelnen Fiincüonen des staatlichen Organismus entsprechende<lb/> Ströme privater Thätigkeit parallel laufen, um fordernd und anregend auf sie<lb/> einzuwirken, der Advocat dem Richter. der große Industrielle dem Verwaltungs¬<lb/> beamten, der Privatgelehrtc dem Repräsentanten der Staatsbildungsanstalien<lb/> so zu sagen Concurrenz auf geistigem Gebiet macht, ist es in Rußland die'Regierung<lb/> und immer wieder die Regierung, von der alle Thätigkeit ausgeht und erwartet<lb/> wird; es liegt darum auf der Hand, daß die Zuweisung einzelner Thätigkeits¬<lb/> zweige an private Unternehmer seit lange nothwendig war und von großem<lb/> Nutzen sein muß. Sehr viel wichtiger ist es aber noch, daß diese Veräußerungen<lb/> das Maß der disponiblen Mittel' wenigstens zeitweise beträchtlich erhöhen und<lb/> nöthigen Falls auch zu auswärtigen Äctionen verwandt werden können. So<lb/> lange'die 'Finanzverwaltung nicht gründlich umgestaltet wird, haben diese Aus¬<lb/> kunftsmittel allerdings einen blos Palliativen Charakter. Man tröstet sich in<lb/> Nußland gewöhnlich damit, daß die Entfesselung der nationalen Prvductions-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0207]
daß Frankreich durch den Sturz Ricasolis und die Wiedereinsetzung Ratrazzis
in den Besitz seines früheren italienischen Einflusses nicht wieder gelangt ist.
„Leite iväolente et subtile Italie" heißt es von diesem Staat, für dessen
Lobpreisung dem Organ der liberalen Bourgeoisie noch jüngst die nöthigen Kraft-
ausdrücke ausgingen. — Frankreichs Stellung zur orientalischen Frage scheint
weder durch den Besuch des Zaren noch den des Sultaus verändert worden zu
sein und bei der Zurückhaltung, die England beobachtet, ist es begreiflich, daß
der Kaiser den russischen Vorschlag zum Erlaß einer neuen Dringlichkeitsnote
wegen Candia nicht angenommen hat.
Indessen Frankreich mit seinen innern Nöthen, England mit seiner endlich
an das Oberhaus gelangten Reformbill beschäftigt ist, nehmen der russische
Einfluß im Orient und das russische Drängen nach einer Entscheidung über
denselben unaushciltlich zu. Zwar scheint das Petersburger Cabinet nach wie
vor nur mit inneren Fragen beschäftigt zu sein, aber die Behandlung, welche
diese erfahren, lassen durchsehen, daß dem nordischen Großstaat daran gelegen
ist, möglichst viel Mittel für eine freie Action in Händen zu haben.
Die neue Bahn, welche die russische Wirthschaftspolitik seit dem Beginn
dieses Jahres eingeschlagen Hai, involvirt einen so bedeutenden Fortschritt,
daß sie die Aufmerksamkeit des Westens in größerem Maß verdient, als sie ihr
bisher zu Theil geworden. Die Regierung bemüht sich nämlich, die Masse der
auf ihr ruhenden Verwaltungsgeschäfte zu vermindern und den Staat von der
Sorge für eine Anzahl Unternehmungen zu befreien, die dieser bisher zu seinem
Schaden auf eigene Rechnung betriev. Anfang Januar ordnete ein kaiserlicher
Ukas den Verkauf des größten Theils der zum Domaincngul gehörigen Bauer¬
höfe und die Auflösung der bezüglichen Verwaltungsstellen an, die nur in den
nichtrussischen Provinzen, in denen das Domanium ein Hebel des Regierung?-
einflusses ist, beibehalten wurden. Dieser Maßregel folgte der Verkauf der
russischen Besitzungen in Amerika, der von der nationalen Partei übrigens eben¬
so ungern gesehen wurde, wie die einige Monate später beschlossene Veräußerung
der moskau-petcrsbuiger Eisenbahn. Neuerdings hat die Regierung sich ent¬
schlossen, auch ihre Berg- und Hüttenwerke in private Hände übergehen zu lassen,
da die Erträge derselben, Dank der staatlichen Verwaltung, seit Jahrzehnten
nicht mehr zunahmen. Diese Maßregeln sind in mehrfacher Beziehung von
großer' Wichtigkeit. Einmal ist es Thatsache, daß die russische Regierung eine
unglückliche industrielle Unternehmerin ist und zweitens brackte es die Ueberlastung
der Centralverwaltung durch diese Unternehmungen mit sich, daß eine wirkliche Con-
trole der einzelnen Administrativnsbranchen kaum möglich war. Während im west¬
lichen Europa den einzelnen Fiincüonen des staatlichen Organismus entsprechende
Ströme privater Thätigkeit parallel laufen, um fordernd und anregend auf sie
einzuwirken, der Advocat dem Richter. der große Industrielle dem Verwaltungs¬
beamten, der Privatgelehrtc dem Repräsentanten der Staatsbildungsanstalien
so zu sagen Concurrenz auf geistigem Gebiet macht, ist es in Rußland die'Regierung
und immer wieder die Regierung, von der alle Thätigkeit ausgeht und erwartet
wird; es liegt darum auf der Hand, daß die Zuweisung einzelner Thätigkeits¬
zweige an private Unternehmer seit lange nothwendig war und von großem
Nutzen sein muß. Sehr viel wichtiger ist es aber noch, daß diese Veräußerungen
das Maß der disponiblen Mittel' wenigstens zeitweise beträchtlich erhöhen und
nöthigen Falls auch zu auswärtigen Äctionen verwandt werden können. So
lange'die 'Finanzverwaltung nicht gründlich umgestaltet wird, haben diese Aus¬
kunftsmittel allerdings einen blos Palliativen Charakter. Man tröstet sich in
Nußland gewöhnlich damit, daß die Entfesselung der nationalen Prvductions-
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