Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.ausgebildet waren, als für die Verhältnisse der Urgemeinde wahrscheinlich ist. Simon -- so lehrt die Sage, deren zerstreute Züge wir zusammenstellen, -- Dieser Simon nun verläßt sein Geburtsland und zieht mit seiner Helena Grenzboten III. 1867. 17
ausgebildet waren, als für die Verhältnisse der Urgemeinde wahrscheinlich ist. Simon — so lehrt die Sage, deren zerstreute Züge wir zusammenstellen, — Dieser Simon nun verläßt sein Geburtsland und zieht mit seiner Helena Grenzboten III. 1867. 17
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ausgebildet waren, als für die Verhältnisse der Urgemeinde wahrscheinlich ist.
Diese hierarchische Rangordnung innerhalb des geistlichen Amts ist nun aber
das einzige Motiv, an welches das Zusammentreffen des Petrus mit dem Ma¬
gier Simon geknüpft ist. Wird schon dadurch der historische Charakter der gan¬
zen Scene verdächtig, macht sie den Eindruck, als ob hier noch ganz andere
Motive zu Grunde liegen, die nur in unserer Darstellung verwischt sind, so be¬
stätigt sich diese Vermuthung, wenn wir uns vergegenwärtigen, was denn eigent¬
lich dieser Magier Simon bei den kirchlichen Schriftstellern des 2. Jahrhunderts,
von Justin, an für eine Rolle spielt.
Simon — so lehrt die Sage, deren zerstreute Züge wir zusammenstellen, —
stammte aus dem samaritanischen Dorfe Gideon, dem heutigen Ill auf dem Wege
von Naplus nach Jaffa. Ursprünglich hielt er sich zu dem Täufer Johannes
und nahm unter dessen 30 auserwählten Schülern die erste Stelle ein. Dann
begab er sich nach Aegypten, wo er die Künste der Magie erlernte. Inzwischen
War Johannes getödtet und DositheuS zu seinem Nachfolger erwählt worden.
Dem Simon gelang es aber durch seine Zauberkünste den Dositheus zu stürzen
und sich an dessen Stelle zu setzen. Nun gesellte er sich die Helena bei, ur-
sprünglich eine Buhldirne aus Tyrus. die in den lateinischen Quellen bedeu¬
tungsvoll mit Luna wiedergegeben ist. Diese Helena, um deren Scheingestalt
einst der trojanische Krieg geführt worden war, gab er für die erste Idee, für
die allgebärende Wahrheit und Weisheit aus, die vom höchsten Himmel herab
in die Welt gekommen ist. Sich selbst erklärte er für die höchste Gotteskraft,
die anfangs- und endlos über den Weltschöpfer erhaben sei, und in Samarien
wurde er, wie die Kirchenväter versichern, fast allgemein, außerhalb Samariaö
jedoch nur von Wenigen, als der höchste Gott verehrt. Als Kennzeichen seiner
Lehre wird insbesondere dies angegeben, daß er den Berg Garizim über die
Stadt Jerusalem, d. h. die samaritanisch-heidnische Gottesverehrung an die
Stelle des Jehvvadienstes setzen wollte und daß er das Alte Testament in seinem
Sinne allegorisch umdeutete. Wer an ihn und Helena glaube, lehrte er und
seine Anhänger, brauche sich um gute Werke nicht zu bekümmern, denn nur durch
die Gnade werde man selig. Daher geben sich denn auch die Priester seiner
Secte, wie Irenäus sagt, der Zauberei und allen Lüsten hin. Weiterhin wird
dann seine Lehre dahin ausgebildet, daß sie ganz identisch wird mit den gnosti-
schen Systemen und zwar mit denjenigen derselben, die dem Judenthum und
Judenchnstcnthum am schroffsten entgegengesetzt die christliche Lehre mit heidni-
chen Philosophemen in Zusammenhang brachten oder gradezu in letztere auf¬
lösten. Er ist der Vertreter der Gnosis, der heidnisch-christlichen Spekulation,
und er gilt nicht nur als der Stifter der Secte der Simonianer, sondern als
der Vater aller Ketzerei überhaupt.
Dieser Simon nun verläßt sein Geburtsland und zieht mit seiner Helena
Grenzboten III. 1867. 17
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