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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Leider aber schien sich diese Resignation auch auf jede staatliche Schönbauthätig¬
keit auszudehnen. Nachdem die letzten Gerüste am neuen Museum entfernt
waren, verlautete eben nichts mehr von irgendeinem neuen baulichen Unter¬
nehmen der Negierung. Während infolge des unerhörten Aufschwungs des
Handels, der Industrie und des Wohlstandes in Berlin, und der rapid wach¬
senden Größe dieser Commune die ehedem hier völlig unbekannte Lust, den
tunstlenscbcn Schönbau für Privatzwecke dienstbar zu machen, in dem reichen
Bürgerthum fort und fort in überraschendem Maße wuchs; während die Stadt
aus Communalmitteln so große architektonische Unternehmungen, wie das neue
Rathhaus, die Kaufmannschaft ein Werk, wie das neue Börsengebäude, die
jüdische Gemeinde eine so reiche, edle und'originelle baukünstlerische Schöpfung,
wie die neue Synagoge nicht blos projectirte, sondern in raschem, energischen
Gange zu Ende oder ihrem Abschluß nabe brachte, sah die Negierung gleichsam
mit untergeschlagenen Armen dieser ausgedehnten lebendigen bürgerlichen Bau-
thätigkeit zu. Die Gründe dieses Verhaltens waren wohl gleichzeitig persön¬
licher Natur und ebenso in politischen Verhältnissen gegeben, welche die Con-
centration der disponiblen finanziellen Staatsmittel zu einem sehr nüchternen
und sehr realen Hauptzweck nochwendig und ihre theilweise, Verwendung zu
solchen idealen Zwecken ziemlich überflüssig erscheinen lassen mochte. Die Er¬
eignisse seit 1864 haben diesen Erwägungen nicht grade Unrecht gegeben. Und
nun, seit die großen praktischen Errungenschaften des preußischen Staats von
seinen Leitern geerntet und eingeheimst sind, gewinnt es den Anschein, als
wolle man, wenn auch nicht wie unter Friedrich Wilhelm dem Vierten aus
persönlich leidenschaftlicher Neigung, so doch aus dem Gefühl einer gewissen
Anstandsverpflichtung heraus jene großen Bauprojectc wieder aufnehmen und
ins Leben rufen, weiche nach bekannter geschichtlicher Erfahrung den Regierungen
der Staaten oft einen den Sinn der Menschen bestechenderen und in eine fernere
Zukunft hineinleuchtendcren Glanz zu verleihen Pflegen, als noch so segensreiches
vernünftiges Wirken oder augenblickliche politische Erfolge. Zu Anfang dieses Jahres
erschien die königliche Cabinetsordre, welche der frommen Dankbarkeit gegen die
gnädige Hilfe der "göttlichen Vorsehung" während des deutschen Krieges und
zugleich dem neugewonnenen staatlichen Machtbewußtsein gleichsam einen groß-
artigen künstlerisch-monumentalen Ausdruck zu geben verhieß durch die nun
wirkliche Errichtung eines mächtigen protestantischen Doms auf der alten Stelle
im Lustgarten, welche heut das jämmerliche Product der berliner Kirchenbau¬
kunst des letzten Jahrhunderts und jene moderne Ruine des angefangenen und
verlassenen Camposantobaues trägt. Zunächst freilich hat diese Kundgebung
keine seither vernehmlich gewordene Folge gehabt. Ueber den Modus der Aus¬
führung, über etwaige Wahl unter den bereits vorhandenen stülerschen und
sonstigen Projecten, oder über die Ausschreibung einer vielleicht beabsichtigten


Leider aber schien sich diese Resignation auch auf jede staatliche Schönbauthätig¬
keit auszudehnen. Nachdem die letzten Gerüste am neuen Museum entfernt
waren, verlautete eben nichts mehr von irgendeinem neuen baulichen Unter¬
nehmen der Negierung. Während infolge des unerhörten Aufschwungs des
Handels, der Industrie und des Wohlstandes in Berlin, und der rapid wach¬
senden Größe dieser Commune die ehedem hier völlig unbekannte Lust, den
tunstlenscbcn Schönbau für Privatzwecke dienstbar zu machen, in dem reichen
Bürgerthum fort und fort in überraschendem Maße wuchs; während die Stadt
aus Communalmitteln so große architektonische Unternehmungen, wie das neue
Rathhaus, die Kaufmannschaft ein Werk, wie das neue Börsengebäude, die
jüdische Gemeinde eine so reiche, edle und'originelle baukünstlerische Schöpfung,
wie die neue Synagoge nicht blos projectirte, sondern in raschem, energischen
Gange zu Ende oder ihrem Abschluß nabe brachte, sah die Negierung gleichsam
mit untergeschlagenen Armen dieser ausgedehnten lebendigen bürgerlichen Bau-
thätigkeit zu. Die Gründe dieses Verhaltens waren wohl gleichzeitig persön¬
licher Natur und ebenso in politischen Verhältnissen gegeben, welche die Con-
centration der disponiblen finanziellen Staatsmittel zu einem sehr nüchternen
und sehr realen Hauptzweck nochwendig und ihre theilweise, Verwendung zu
solchen idealen Zwecken ziemlich überflüssig erscheinen lassen mochte. Die Er¬
eignisse seit 1864 haben diesen Erwägungen nicht grade Unrecht gegeben. Und
nun, seit die großen praktischen Errungenschaften des preußischen Staats von
seinen Leitern geerntet und eingeheimst sind, gewinnt es den Anschein, als
wolle man, wenn auch nicht wie unter Friedrich Wilhelm dem Vierten aus
persönlich leidenschaftlicher Neigung, so doch aus dem Gefühl einer gewissen
Anstandsverpflichtung heraus jene großen Bauprojectc wieder aufnehmen und
ins Leben rufen, weiche nach bekannter geschichtlicher Erfahrung den Regierungen
der Staaten oft einen den Sinn der Menschen bestechenderen und in eine fernere
Zukunft hineinleuchtendcren Glanz zu verleihen Pflegen, als noch so segensreiches
vernünftiges Wirken oder augenblickliche politische Erfolge. Zu Anfang dieses Jahres
erschien die königliche Cabinetsordre, welche der frommen Dankbarkeit gegen die
gnädige Hilfe der „göttlichen Vorsehung" während des deutschen Krieges und
zugleich dem neugewonnenen staatlichen Machtbewußtsein gleichsam einen groß-
artigen künstlerisch-monumentalen Ausdruck zu geben verhieß durch die nun
wirkliche Errichtung eines mächtigen protestantischen Doms auf der alten Stelle
im Lustgarten, welche heut das jämmerliche Product der berliner Kirchenbau¬
kunst des letzten Jahrhunderts und jene moderne Ruine des angefangenen und
verlassenen Camposantobaues trägt. Zunächst freilich hat diese Kundgebung
keine seither vernehmlich gewordene Folge gehabt. Ueber den Modus der Aus¬
führung, über etwaige Wahl unter den bereits vorhandenen stülerschen und
sonstigen Projecten, oder über die Ausschreibung einer vielleicht beabsichtigten


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[0106] Leider aber schien sich diese Resignation auch auf jede staatliche Schönbauthätig¬ keit auszudehnen. Nachdem die letzten Gerüste am neuen Museum entfernt waren, verlautete eben nichts mehr von irgendeinem neuen baulichen Unter¬ nehmen der Negierung. Während infolge des unerhörten Aufschwungs des Handels, der Industrie und des Wohlstandes in Berlin, und der rapid wach¬ senden Größe dieser Commune die ehedem hier völlig unbekannte Lust, den tunstlenscbcn Schönbau für Privatzwecke dienstbar zu machen, in dem reichen Bürgerthum fort und fort in überraschendem Maße wuchs; während die Stadt aus Communalmitteln so große architektonische Unternehmungen, wie das neue Rathhaus, die Kaufmannschaft ein Werk, wie das neue Börsengebäude, die jüdische Gemeinde eine so reiche, edle und'originelle baukünstlerische Schöpfung, wie die neue Synagoge nicht blos projectirte, sondern in raschem, energischen Gange zu Ende oder ihrem Abschluß nabe brachte, sah die Negierung gleichsam mit untergeschlagenen Armen dieser ausgedehnten lebendigen bürgerlichen Bau- thätigkeit zu. Die Gründe dieses Verhaltens waren wohl gleichzeitig persön¬ licher Natur und ebenso in politischen Verhältnissen gegeben, welche die Con- centration der disponiblen finanziellen Staatsmittel zu einem sehr nüchternen und sehr realen Hauptzweck nochwendig und ihre theilweise, Verwendung zu solchen idealen Zwecken ziemlich überflüssig erscheinen lassen mochte. Die Er¬ eignisse seit 1864 haben diesen Erwägungen nicht grade Unrecht gegeben. Und nun, seit die großen praktischen Errungenschaften des preußischen Staats von seinen Leitern geerntet und eingeheimst sind, gewinnt es den Anschein, als wolle man, wenn auch nicht wie unter Friedrich Wilhelm dem Vierten aus persönlich leidenschaftlicher Neigung, so doch aus dem Gefühl einer gewissen Anstandsverpflichtung heraus jene großen Bauprojectc wieder aufnehmen und ins Leben rufen, weiche nach bekannter geschichtlicher Erfahrung den Regierungen der Staaten oft einen den Sinn der Menschen bestechenderen und in eine fernere Zukunft hineinleuchtendcren Glanz zu verleihen Pflegen, als noch so segensreiches vernünftiges Wirken oder augenblickliche politische Erfolge. Zu Anfang dieses Jahres erschien die königliche Cabinetsordre, welche der frommen Dankbarkeit gegen die gnädige Hilfe der „göttlichen Vorsehung" während des deutschen Krieges und zugleich dem neugewonnenen staatlichen Machtbewußtsein gleichsam einen groß- artigen künstlerisch-monumentalen Ausdruck zu geben verhieß durch die nun wirkliche Errichtung eines mächtigen protestantischen Doms auf der alten Stelle im Lustgarten, welche heut das jämmerliche Product der berliner Kirchenbau¬ kunst des letzten Jahrhunderts und jene moderne Ruine des angefangenen und verlassenen Camposantobaues trägt. Zunächst freilich hat diese Kundgebung keine seither vernehmlich gewordene Folge gehabt. Ueber den Modus der Aus¬ führung, über etwaige Wahl unter den bereits vorhandenen stülerschen und sonstigen Projecten, oder über die Ausschreibung einer vielleicht beabsichtigten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/106>, abgerufen am 15.01.2025.