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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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des Prachtbaues bildete auch den Abschluß einer langen fruchtbaren Periode
solcher architektonischer Staatsunternehmungen, welche bald nach den Freiheits¬
kriegen unter Schinkels ruhmvoller Leitung beginnend sich ohne Unterbrechung
bis zu den letzten Lebensjahren Friedrich Wilhelms des Vierten fortsetzt. Es
ist bekannt, mit welchen großartigen, phantasievollen und freilich auch oft genug
phantastischen Plänen zu baulicher Neugestaltungen, zu bauenden, in seinen bei-
den Residenzen zu errichtenden Monumenten preußischer Königsmacht und fürst¬
licher Frömmigkeit dieser geistreiche Monarch sich seit seiner Thronbesteigung
trug; bekannt freilich auch, wie sehr sich grade an ihm und seinen Projecten
die Wahrheit und Allgemeingiltigkeit des Satzes erwies: es ist dafür gesorgt,
daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Seiner leidenschaftlichen Liebt
für die Architektur dankt Potsdam und Berlin manches bedeutende zur wirk¬
lichen Ausführung gelangte Werk des Jdealbaues; wenige aber, in welche nicht
der Eigensinn und die Laune des bauhcrrlichen königlichen Dilettantismus ihren
unverwischten Stempel geprägt hätte, welcher, sie des Charakters einfacher mo¬
numentaler Größe und geschlossener Harmonie fast durchweg beraubt. Weit
mehr indeß von all seinen Plänen ist direct an der harten Realität der Dinge zer¬
scheitert und zerschellt. "Eng ist die Welt und das Gehirn ist weit", und die
Wirklichkeit, die er vorfand, die sich ihm brutal und unbequem überall ent-
gegenstemmte. wollte sich so wenig wie nach den politischen auch nach den archi¬
tektonischen Träumen des Monarchen formen lassen. Das gewaltigste Werk,
das er projectirte, der neue Dom mit dem Camposanto, blieb --schlimmer als
nur Project -- moderne Ruine der allertraurigsten Art. Das Jahr achtund-
vierzig machte die Grenze der staatlichen Mittel zur Verwirklichung königlicher
Wünsche in der empfindlichsten Weise fühlbar. Der begonnene Bau blieb lie¬
gen und auch der vollkommene Sieg der monarchischen Gewalt über die revo¬
lutionäre Bewegung gab jener weder das Vertrauen in sich selbst, noch auch die
Verfügung über Geldmittel von einem Umfang zurück, dessen es bedurft hätte, um
das Werk seinem ursprünglichen Plane entsprechend weiter und zu Ende zu führen.
Die Spree war dort hinter dem Lustgarten vergeblich bis zur Hälfte ihrer Breite
zugedämmt, vergeblich ungefähr zwei Millionen Thaler in die Fundamente ver-
senkt: nur die stellenweis über dieselben hinausgeführten Seitenmauern des
Camposanto und alte Bauzäune waren schließlich die traurigen, den schönen
Platz arg verunzierenden, vorläufig sichtbar bleibenden Resultate all jener
kostbaren jahrelangen Thätigkeit. Die neue Regierung, geneigt, alle künstlerischen
Dinge sehr nüchternen Auges einzusehn. gab sich auch in Bezug auf dieses
Vermächtniß der eben abgetretenen keinen Illusionen hin. Von einer Wieder-
aufnahme des Werks war keine Rede mehr. Man schien sich zu resigniren
und in die fernere Dauer dieses, eines großen Staats und einer sonst präch¬
tigen Residenz kaum würdigen Zustands und Anblicks eben schicken zu wollen.


des Prachtbaues bildete auch den Abschluß einer langen fruchtbaren Periode
solcher architektonischer Staatsunternehmungen, welche bald nach den Freiheits¬
kriegen unter Schinkels ruhmvoller Leitung beginnend sich ohne Unterbrechung
bis zu den letzten Lebensjahren Friedrich Wilhelms des Vierten fortsetzt. Es
ist bekannt, mit welchen großartigen, phantasievollen und freilich auch oft genug
phantastischen Plänen zu baulicher Neugestaltungen, zu bauenden, in seinen bei-
den Residenzen zu errichtenden Monumenten preußischer Königsmacht und fürst¬
licher Frömmigkeit dieser geistreiche Monarch sich seit seiner Thronbesteigung
trug; bekannt freilich auch, wie sehr sich grade an ihm und seinen Projecten
die Wahrheit und Allgemeingiltigkeit des Satzes erwies: es ist dafür gesorgt,
daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Seiner leidenschaftlichen Liebt
für die Architektur dankt Potsdam und Berlin manches bedeutende zur wirk¬
lichen Ausführung gelangte Werk des Jdealbaues; wenige aber, in welche nicht
der Eigensinn und die Laune des bauhcrrlichen königlichen Dilettantismus ihren
unverwischten Stempel geprägt hätte, welcher, sie des Charakters einfacher mo¬
numentaler Größe und geschlossener Harmonie fast durchweg beraubt. Weit
mehr indeß von all seinen Plänen ist direct an der harten Realität der Dinge zer¬
scheitert und zerschellt. „Eng ist die Welt und das Gehirn ist weit", und die
Wirklichkeit, die er vorfand, die sich ihm brutal und unbequem überall ent-
gegenstemmte. wollte sich so wenig wie nach den politischen auch nach den archi¬
tektonischen Träumen des Monarchen formen lassen. Das gewaltigste Werk,
das er projectirte, der neue Dom mit dem Camposanto, blieb —schlimmer als
nur Project — moderne Ruine der allertraurigsten Art. Das Jahr achtund-
vierzig machte die Grenze der staatlichen Mittel zur Verwirklichung königlicher
Wünsche in der empfindlichsten Weise fühlbar. Der begonnene Bau blieb lie¬
gen und auch der vollkommene Sieg der monarchischen Gewalt über die revo¬
lutionäre Bewegung gab jener weder das Vertrauen in sich selbst, noch auch die
Verfügung über Geldmittel von einem Umfang zurück, dessen es bedurft hätte, um
das Werk seinem ursprünglichen Plane entsprechend weiter und zu Ende zu führen.
Die Spree war dort hinter dem Lustgarten vergeblich bis zur Hälfte ihrer Breite
zugedämmt, vergeblich ungefähr zwei Millionen Thaler in die Fundamente ver-
senkt: nur die stellenweis über dieselben hinausgeführten Seitenmauern des
Camposanto und alte Bauzäune waren schließlich die traurigen, den schönen
Platz arg verunzierenden, vorläufig sichtbar bleibenden Resultate all jener
kostbaren jahrelangen Thätigkeit. Die neue Regierung, geneigt, alle künstlerischen
Dinge sehr nüchternen Auges einzusehn. gab sich auch in Bezug auf dieses
Vermächtniß der eben abgetretenen keinen Illusionen hin. Von einer Wieder-
aufnahme des Werks war keine Rede mehr. Man schien sich zu resigniren
und in die fernere Dauer dieses, eines großen Staats und einer sonst präch¬
tigen Residenz kaum würdigen Zustands und Anblicks eben schicken zu wollen.


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[0105] des Prachtbaues bildete auch den Abschluß einer langen fruchtbaren Periode solcher architektonischer Staatsunternehmungen, welche bald nach den Freiheits¬ kriegen unter Schinkels ruhmvoller Leitung beginnend sich ohne Unterbrechung bis zu den letzten Lebensjahren Friedrich Wilhelms des Vierten fortsetzt. Es ist bekannt, mit welchen großartigen, phantasievollen und freilich auch oft genug phantastischen Plänen zu baulicher Neugestaltungen, zu bauenden, in seinen bei- den Residenzen zu errichtenden Monumenten preußischer Königsmacht und fürst¬ licher Frömmigkeit dieser geistreiche Monarch sich seit seiner Thronbesteigung trug; bekannt freilich auch, wie sehr sich grade an ihm und seinen Projecten die Wahrheit und Allgemeingiltigkeit des Satzes erwies: es ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Seiner leidenschaftlichen Liebt für die Architektur dankt Potsdam und Berlin manches bedeutende zur wirk¬ lichen Ausführung gelangte Werk des Jdealbaues; wenige aber, in welche nicht der Eigensinn und die Laune des bauhcrrlichen königlichen Dilettantismus ihren unverwischten Stempel geprägt hätte, welcher, sie des Charakters einfacher mo¬ numentaler Größe und geschlossener Harmonie fast durchweg beraubt. Weit mehr indeß von all seinen Plänen ist direct an der harten Realität der Dinge zer¬ scheitert und zerschellt. „Eng ist die Welt und das Gehirn ist weit", und die Wirklichkeit, die er vorfand, die sich ihm brutal und unbequem überall ent- gegenstemmte. wollte sich so wenig wie nach den politischen auch nach den archi¬ tektonischen Träumen des Monarchen formen lassen. Das gewaltigste Werk, das er projectirte, der neue Dom mit dem Camposanto, blieb —schlimmer als nur Project — moderne Ruine der allertraurigsten Art. Das Jahr achtund- vierzig machte die Grenze der staatlichen Mittel zur Verwirklichung königlicher Wünsche in der empfindlichsten Weise fühlbar. Der begonnene Bau blieb lie¬ gen und auch der vollkommene Sieg der monarchischen Gewalt über die revo¬ lutionäre Bewegung gab jener weder das Vertrauen in sich selbst, noch auch die Verfügung über Geldmittel von einem Umfang zurück, dessen es bedurft hätte, um das Werk seinem ursprünglichen Plane entsprechend weiter und zu Ende zu führen. Die Spree war dort hinter dem Lustgarten vergeblich bis zur Hälfte ihrer Breite zugedämmt, vergeblich ungefähr zwei Millionen Thaler in die Fundamente ver- senkt: nur die stellenweis über dieselben hinausgeführten Seitenmauern des Camposanto und alte Bauzäune waren schließlich die traurigen, den schönen Platz arg verunzierenden, vorläufig sichtbar bleibenden Resultate all jener kostbaren jahrelangen Thätigkeit. Die neue Regierung, geneigt, alle künstlerischen Dinge sehr nüchternen Auges einzusehn. gab sich auch in Bezug auf dieses Vermächtniß der eben abgetretenen keinen Illusionen hin. Von einer Wieder- aufnahme des Werks war keine Rede mehr. Man schien sich zu resigniren und in die fernere Dauer dieses, eines großen Staats und einer sonst präch¬ tigen Residenz kaum würdigen Zustands und Anblicks eben schicken zu wollen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/105>, abgerufen am 15.01.2025.