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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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neuen Concurrenz verlautet nichts. In eingeweihten Kreisen flüstert man sich
vorläufig nur zu, daß die Sache in den "besten Handen", und zwar in Frauen¬
händen wohl aufgehoben sei. Die Frau Kronprinzessin, deren edler Ehrgeiz
sie auf allen idealen wie auf allen praktischen Gebieten, auf denen sich eine
schöne und gute weibliche Natur bethätigen kann, ihrem ganzen Geschlecht
voranzuleuchten treibt, sott selbst an einem Dombauproject arbeiten, und
in diesem edlen Thun eine hochgestellte Concurrentin an der geistvollen und
begabten Gattin unsres Cultusministers gefunden haben. Doch "es kommt die
Zeit, der Falter ringt sich los" und wir wollen ihr nicht vorgreifen, sondern
erst in der Zukunft berichten, was die Zukunft gebracht haben wird.

Aber noch eines andern großen Prachtbaues umfassendes Project ist in
Berlin augenblicklich von Staatswegen glücklich über dies Stadium hinausge¬
fördert und hat angefangen Körper, Form und Gestalt zu gewinnen. Das ist
das Gebäude der Nationalgallerie, welches bereits im vorigen Frühjahr be¬
gonnen, durch die Kriegsereignisse von neuem in Frage gestellt wurde und seit
ihrem glücklichen Abschluß wieder mit großer Energie und Nachdrücklichkeit in
Angriff genommen ist. Das Gebäude sowie das Institut, dem es zum Hause
dienen soll, haben gewissermaßen schon vor ihrer Geburt eine nicht uninteressante
Geschichte, aus der ich die wichtigsten Punkte hier recapituliren muß. Ich glaube
mich nicht zu irren, wenn ich der Meinung bin, das Wort "Nationalgallerie"
wurde bei uns in Berlin zuerst um das Jahr 48 oder 49 ins Publikum geworfen
durch den damaligen Kunstreferenten der VosstschenZeitung. or.Richard Fischer. Er
machte bei jeder sich irgend bietenden Gelegenheit, die er auch häusig gradezu vom
Zaun brach, eifrige Agitation für diese seine Lieblingsidee: der Staat müsse ein
Museum der modernen deutschen Kunst gründen, welches die jetzt in königlichem
Besitz befindlichen, in Schlössern verstreuten oder noch zu erwerbenden hervor
ragenden Werke unsrer vaterländischen zeitgenössischen Sculptur. Malerei und
zeichnenden Künste vereinigt mit den künstlerischen Verherrlichungen des natio¬
nalen Ruhms, den Bildern der nationalen Geschichte aufzunehmen bestimmt wäre.
Der Plan war ziemlich unklar und für seine Verwirklichung schien damals trotz
der mir wohl erinnerlichen lebhaften Bemühungen seines Urhebers bei den Be¬
hörden und der spätern Volksvertretung nur geringe Hoffnung. Ein Akt gro߬
artiger Liberalität und schönen Gemeinsinns seitens eines alten Privatmanns
rückte plötzlich, nachdem die ganze Angelegenheit ziemlich eingeschlummert und
zu den Acten gelegt schien, diese Nationalgalleriesache wieder ganz in den Vor¬
dergrund und fachte das Interesse für sie mit ehedem nicht vorhandener Stärke
an. Der bekannte Kunstfreund und Gemäldesammler Consul Wagner, der wäh¬
rend seines Lebens eine ziemlich reiche Gallerie von Gemälden aller modernen
Schulen, vorwiegend der deutschen, zusammengebracht hatte, welche in seinen Pri-
vatzimmern aufgestellt, aber an bestimmten Wochentagen dem Besuch des Publi-


Grenzboten III. 1867. 13

neuen Concurrenz verlautet nichts. In eingeweihten Kreisen flüstert man sich
vorläufig nur zu, daß die Sache in den „besten Handen", und zwar in Frauen¬
händen wohl aufgehoben sei. Die Frau Kronprinzessin, deren edler Ehrgeiz
sie auf allen idealen wie auf allen praktischen Gebieten, auf denen sich eine
schöne und gute weibliche Natur bethätigen kann, ihrem ganzen Geschlecht
voranzuleuchten treibt, sott selbst an einem Dombauproject arbeiten, und
in diesem edlen Thun eine hochgestellte Concurrentin an der geistvollen und
begabten Gattin unsres Cultusministers gefunden haben. Doch „es kommt die
Zeit, der Falter ringt sich los" und wir wollen ihr nicht vorgreifen, sondern
erst in der Zukunft berichten, was die Zukunft gebracht haben wird.

Aber noch eines andern großen Prachtbaues umfassendes Project ist in
Berlin augenblicklich von Staatswegen glücklich über dies Stadium hinausge¬
fördert und hat angefangen Körper, Form und Gestalt zu gewinnen. Das ist
das Gebäude der Nationalgallerie, welches bereits im vorigen Frühjahr be¬
gonnen, durch die Kriegsereignisse von neuem in Frage gestellt wurde und seit
ihrem glücklichen Abschluß wieder mit großer Energie und Nachdrücklichkeit in
Angriff genommen ist. Das Gebäude sowie das Institut, dem es zum Hause
dienen soll, haben gewissermaßen schon vor ihrer Geburt eine nicht uninteressante
Geschichte, aus der ich die wichtigsten Punkte hier recapituliren muß. Ich glaube
mich nicht zu irren, wenn ich der Meinung bin, das Wort „Nationalgallerie"
wurde bei uns in Berlin zuerst um das Jahr 48 oder 49 ins Publikum geworfen
durch den damaligen Kunstreferenten der VosstschenZeitung. or.Richard Fischer. Er
machte bei jeder sich irgend bietenden Gelegenheit, die er auch häusig gradezu vom
Zaun brach, eifrige Agitation für diese seine Lieblingsidee: der Staat müsse ein
Museum der modernen deutschen Kunst gründen, welches die jetzt in königlichem
Besitz befindlichen, in Schlössern verstreuten oder noch zu erwerbenden hervor
ragenden Werke unsrer vaterländischen zeitgenössischen Sculptur. Malerei und
zeichnenden Künste vereinigt mit den künstlerischen Verherrlichungen des natio¬
nalen Ruhms, den Bildern der nationalen Geschichte aufzunehmen bestimmt wäre.
Der Plan war ziemlich unklar und für seine Verwirklichung schien damals trotz
der mir wohl erinnerlichen lebhaften Bemühungen seines Urhebers bei den Be¬
hörden und der spätern Volksvertretung nur geringe Hoffnung. Ein Akt gro߬
artiger Liberalität und schönen Gemeinsinns seitens eines alten Privatmanns
rückte plötzlich, nachdem die ganze Angelegenheit ziemlich eingeschlummert und
zu den Acten gelegt schien, diese Nationalgalleriesache wieder ganz in den Vor¬
dergrund und fachte das Interesse für sie mit ehedem nicht vorhandener Stärke
an. Der bekannte Kunstfreund und Gemäldesammler Consul Wagner, der wäh¬
rend seines Lebens eine ziemlich reiche Gallerie von Gemälden aller modernen
Schulen, vorwiegend der deutschen, zusammengebracht hatte, welche in seinen Pri-
vatzimmern aufgestellt, aber an bestimmten Wochentagen dem Besuch des Publi-


Grenzboten III. 1867. 13
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/107>, abgerufen am 15.01.2025.