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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Holzschnitt, der neuerdings auf bestem Wege ist, sich zum Spottvogel aller verviel¬
fältigenden Künste zu degradiren, indem er sie sämmtlich nachahmt, uneingedenk
feines herrlichen Berufs, bei dem er leider nur selten angetroffen wird, ferner die
seicht gewordene Lithographie, welche den Ernst, dessen sie gar wohl fähig ist, fast
ganz hinzugeben scheint für den kümmerlichen Ehrgeiz, banalsten Anforderungen zu
genügen, haben die selbständige Vervielfältigungstechint in Mißcrcdit gebracht. Aber wo
wir eine Gelegenheit erhalten, uns wieder auf sie zu besinnen, da wird Segen gestiftet;
denn es ist eine große Sache um echtes Künstlcrbemühn, das auf populäre Wirkung aus¬
geht. Daß wir auch nach dieser Richtung wieder in aufsteigender Entwicklung sind,
dafür bürgt neben dem Sammlerflciße, der keineswegs ausgestorben ist, vorzüglich das
Erscheinen solcher Werke wie das vorliegende. Der Verfasser, der sich bereits durch seinen
deutschen temere-Oraveur einen guten Namen gemacht hat, unternimmt es, auch
von den künstlerischen Originalarbeiten der neuesten Zeit Rechenschaft zu geben.
Indem er mit Hilfe seiner ausgebreiteten Kenntnisse und Erfahrungen an die stille
Arbeit der Aetzkunst erinnert und ihre Meister charakterisiert, weist er zunächst die
Künstler auf eine langversäumtc edle Pflicht zurück, giebt dem Forscher die reichsten
Hilfsmittel und wird auf diese Weise beitragen, daß unsrem Publikum mit dem
Stolz aus das, was wir besitzen, auch der Geschmack und die Liebe zur echten Re-
productionskunst wiederkehre. Der erste Abschnitt des vorliegenden Bandes, der sich
zeitlich an den einstigen Abschluß des deutschen l?Ljntre-Kravöür anschließt, umfaßt
die älteren Namen I. A. Koch, I. M. v. Wagner, Haach, Berthold, Dahl. Sprosse,
Wilh. v. Kobell, Heinel; der zweite das umfangreiche Werk I. C. Reinharts. Kein
derartiges Werk kann ganz vollständig sein, aber was es als Grundlage und durch
seine Anregung wirkt, ist schon dankenswerth genug; hier haben wir überdies eine
Leistung, die alle Garantien der Trefflichkeit giebt und für welche dem Autor und dem
Verleger warmer Dank der echten Kunstfreunde gebührt. --


Lieder und Sprüche. Aus dem lyrischen Nachlasse von Friedrich Rückert.
Frankfurt a./M. Sauerländer.

Eines der lieblichsten Angebinde für feine Gemüther. Daß sich unter den mehren
Hunderten kleiner poetischer Gaben, die hier vorliegen, sehr viele unbedeutende und
alltägliche Gedanken finden; daß der Greis nicht mehr mit dem Schwunge des
Jünglings dichtet, wird niemanden Wunder nehmen. Aber die unwiderstehliche An¬
muth des rückertschcn Verses, die knappe, sinnige, zierliche Form ist geblieben, und
das zarte Gefühl, mit dem der liebenswürdige Alte bis zum letzten Herzschlag aus
jedem blühenden Strauch, aus jedes Vogels Lied die Harmonie der Welt heraus-
empfunden, die edle Ergebung, mit der er von dem allen Abschied nimmt, hat etwas
innig Rührendes. Keiner, der von Rückert ein volles Gcistesbild zu haben wünscht,
kann des Büchleins entbehren, keiner, der ihn einmal lieb gewonnen, wird es ohne
Dank aus der Hand legen.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von Hiithcl Segler in Leipzig.

Holzschnitt, der neuerdings auf bestem Wege ist, sich zum Spottvogel aller verviel¬
fältigenden Künste zu degradiren, indem er sie sämmtlich nachahmt, uneingedenk
feines herrlichen Berufs, bei dem er leider nur selten angetroffen wird, ferner die
seicht gewordene Lithographie, welche den Ernst, dessen sie gar wohl fähig ist, fast
ganz hinzugeben scheint für den kümmerlichen Ehrgeiz, banalsten Anforderungen zu
genügen, haben die selbständige Vervielfältigungstechint in Mißcrcdit gebracht. Aber wo
wir eine Gelegenheit erhalten, uns wieder auf sie zu besinnen, da wird Segen gestiftet;
denn es ist eine große Sache um echtes Künstlcrbemühn, das auf populäre Wirkung aus¬
geht. Daß wir auch nach dieser Richtung wieder in aufsteigender Entwicklung sind,
dafür bürgt neben dem Sammlerflciße, der keineswegs ausgestorben ist, vorzüglich das
Erscheinen solcher Werke wie das vorliegende. Der Verfasser, der sich bereits durch seinen
deutschen temere-Oraveur einen guten Namen gemacht hat, unternimmt es, auch
von den künstlerischen Originalarbeiten der neuesten Zeit Rechenschaft zu geben.
Indem er mit Hilfe seiner ausgebreiteten Kenntnisse und Erfahrungen an die stille
Arbeit der Aetzkunst erinnert und ihre Meister charakterisiert, weist er zunächst die
Künstler auf eine langversäumtc edle Pflicht zurück, giebt dem Forscher die reichsten
Hilfsmittel und wird auf diese Weise beitragen, daß unsrem Publikum mit dem
Stolz aus das, was wir besitzen, auch der Geschmack und die Liebe zur echten Re-
productionskunst wiederkehre. Der erste Abschnitt des vorliegenden Bandes, der sich
zeitlich an den einstigen Abschluß des deutschen l?Ljntre-Kravöür anschließt, umfaßt
die älteren Namen I. A. Koch, I. M. v. Wagner, Haach, Berthold, Dahl. Sprosse,
Wilh. v. Kobell, Heinel; der zweite das umfangreiche Werk I. C. Reinharts. Kein
derartiges Werk kann ganz vollständig sein, aber was es als Grundlage und durch
seine Anregung wirkt, ist schon dankenswerth genug; hier haben wir überdies eine
Leistung, die alle Garantien der Trefflichkeit giebt und für welche dem Autor und dem
Verleger warmer Dank der echten Kunstfreunde gebührt. —


Lieder und Sprüche. Aus dem lyrischen Nachlasse von Friedrich Rückert.
Frankfurt a./M. Sauerländer.

Eines der lieblichsten Angebinde für feine Gemüther. Daß sich unter den mehren
Hunderten kleiner poetischer Gaben, die hier vorliegen, sehr viele unbedeutende und
alltägliche Gedanken finden; daß der Greis nicht mehr mit dem Schwunge des
Jünglings dichtet, wird niemanden Wunder nehmen. Aber die unwiderstehliche An¬
muth des rückertschcn Verses, die knappe, sinnige, zierliche Form ist geblieben, und
das zarte Gefühl, mit dem der liebenswürdige Alte bis zum letzten Herzschlag aus
jedem blühenden Strauch, aus jedes Vogels Lied die Harmonie der Welt heraus-
empfunden, die edle Ergebung, mit der er von dem allen Abschied nimmt, hat etwas
innig Rührendes. Keiner, der von Rückert ein volles Gcistesbild zu haben wünscht,
kann des Büchleins entbehren, keiner, der ihn einmal lieb gewonnen, wird es ohne
Dank aus der Hand legen.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hiithcl Segler in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/90>, abgerufen am 22.07.2024.