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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Und warum fehlt uns Deutschen so völlig die Kraft, Welsche, Slaven und
Magyaren mit uns zu verbinden? Es giebt nur eine Antwort darauf, die man
mit Achselzucken oder einem Fluch von jedem gebildeten Deutschöstreicher hören
kann: Uns ruinirt die Kirche und Schule, wie sie bei uns verkommen, verfallen,
verdorben sind. Die gute Art unseres Volkes ist unverwüstlich, aber es lebt
wie im Traume dahin, die Intelligenz fehlt, die Strebsamkeit und das frohe
Gefühl der Kraft, welches durch Wissen und Können in Ihre Norddeutschen
gekommen ist. Die Verfassung der alten Kirche liegt als ein Alp auf dem
Volke, der Eifer unserer deutschen Geistlichen geht nur dahin, die ketzerische
Bildung vom Lande fern zu halten, der Eifer unserer slavischen Geistlichen ist
aus demselben Grunde, die fremde Nationalität, der sie angehören, oder die sie
angenommen haben, vor deutscher Ketzerei zu schützen.

Wenn jetzt das Ministerium Beust-Belcredi ein neues Verfassungsexperiment
macht, so setzt es auf ein rissiges Haus, dessen Grund in unsichrem Moorgrunde
steht, wieder einmal ein neues Dach. Schon oft sind die Ziegel desselben um¬
gelegt und immer wieder ists von unten geborsten.

Für uns giebts nach menschlichem Ermessen nur zwei Wege der Rettung,
die wir beide zu finden zur Zeit nicht im Stande sind. Entweder ein eiserner
Reformator, der mit seinem Heere jeden Widerstand niederbricht, die Herrschaft
der Kirche zerschlägt und das Volk in die deutsche Schule treibt. Wo aber soll
uns eine solche gepanzerte Kraft herkommen, ein liberaler Tyrann, der zugleich
Kriegsherr und Schulmeister ist?

Und kommt er uns nicht, dann bleibt uns kein anderer Wunsch übrig, als
daß alles Land, was diesseits der Leitha liegt, gleichviel auf welche Weise, so
bald als möglich mit dem übrigen Deutschland zu einem Staat vereinigt werde.




Literatur.
Die deutschen Maler-Nadircr des neunzehnten Jahrhunderts. Bearbeitet
von Andreas Umdrehen. I. Band. Leipzig, Rudolph Weigel. 1866.

In dem Bewußtsein, daß wir es heut zu Tage namentlich in der Photographie
so herrlich weit gebracht, hat unser Kunstpublikum den Sinn für die strengen, künst¬
lerischen Neproductionswciscn in betrübenden Grade eingebüßt. Der blos illustrirende


Und warum fehlt uns Deutschen so völlig die Kraft, Welsche, Slaven und
Magyaren mit uns zu verbinden? Es giebt nur eine Antwort darauf, die man
mit Achselzucken oder einem Fluch von jedem gebildeten Deutschöstreicher hören
kann: Uns ruinirt die Kirche und Schule, wie sie bei uns verkommen, verfallen,
verdorben sind. Die gute Art unseres Volkes ist unverwüstlich, aber es lebt
wie im Traume dahin, die Intelligenz fehlt, die Strebsamkeit und das frohe
Gefühl der Kraft, welches durch Wissen und Können in Ihre Norddeutschen
gekommen ist. Die Verfassung der alten Kirche liegt als ein Alp auf dem
Volke, der Eifer unserer deutschen Geistlichen geht nur dahin, die ketzerische
Bildung vom Lande fern zu halten, der Eifer unserer slavischen Geistlichen ist
aus demselben Grunde, die fremde Nationalität, der sie angehören, oder die sie
angenommen haben, vor deutscher Ketzerei zu schützen.

Wenn jetzt das Ministerium Beust-Belcredi ein neues Verfassungsexperiment
macht, so setzt es auf ein rissiges Haus, dessen Grund in unsichrem Moorgrunde
steht, wieder einmal ein neues Dach. Schon oft sind die Ziegel desselben um¬
gelegt und immer wieder ists von unten geborsten.

Für uns giebts nach menschlichem Ermessen nur zwei Wege der Rettung,
die wir beide zu finden zur Zeit nicht im Stande sind. Entweder ein eiserner
Reformator, der mit seinem Heere jeden Widerstand niederbricht, die Herrschaft
der Kirche zerschlägt und das Volk in die deutsche Schule treibt. Wo aber soll
uns eine solche gepanzerte Kraft herkommen, ein liberaler Tyrann, der zugleich
Kriegsherr und Schulmeister ist?

Und kommt er uns nicht, dann bleibt uns kein anderer Wunsch übrig, als
daß alles Land, was diesseits der Leitha liegt, gleichviel auf welche Weise, so
bald als möglich mit dem übrigen Deutschland zu einem Staat vereinigt werde.




Literatur.
Die deutschen Maler-Nadircr des neunzehnten Jahrhunderts. Bearbeitet
von Andreas Umdrehen. I. Band. Leipzig, Rudolph Weigel. 1866.

In dem Bewußtsein, daß wir es heut zu Tage namentlich in der Photographie
so herrlich weit gebracht, hat unser Kunstpublikum den Sinn für die strengen, künst¬
lerischen Neproductionswciscn in betrübenden Grade eingebüßt. Der blos illustrirende


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[0089] Und warum fehlt uns Deutschen so völlig die Kraft, Welsche, Slaven und Magyaren mit uns zu verbinden? Es giebt nur eine Antwort darauf, die man mit Achselzucken oder einem Fluch von jedem gebildeten Deutschöstreicher hören kann: Uns ruinirt die Kirche und Schule, wie sie bei uns verkommen, verfallen, verdorben sind. Die gute Art unseres Volkes ist unverwüstlich, aber es lebt wie im Traume dahin, die Intelligenz fehlt, die Strebsamkeit und das frohe Gefühl der Kraft, welches durch Wissen und Können in Ihre Norddeutschen gekommen ist. Die Verfassung der alten Kirche liegt als ein Alp auf dem Volke, der Eifer unserer deutschen Geistlichen geht nur dahin, die ketzerische Bildung vom Lande fern zu halten, der Eifer unserer slavischen Geistlichen ist aus demselben Grunde, die fremde Nationalität, der sie angehören, oder die sie angenommen haben, vor deutscher Ketzerei zu schützen. Wenn jetzt das Ministerium Beust-Belcredi ein neues Verfassungsexperiment macht, so setzt es auf ein rissiges Haus, dessen Grund in unsichrem Moorgrunde steht, wieder einmal ein neues Dach. Schon oft sind die Ziegel desselben um¬ gelegt und immer wieder ists von unten geborsten. Für uns giebts nach menschlichem Ermessen nur zwei Wege der Rettung, die wir beide zu finden zur Zeit nicht im Stande sind. Entweder ein eiserner Reformator, der mit seinem Heere jeden Widerstand niederbricht, die Herrschaft der Kirche zerschlägt und das Volk in die deutsche Schule treibt. Wo aber soll uns eine solche gepanzerte Kraft herkommen, ein liberaler Tyrann, der zugleich Kriegsherr und Schulmeister ist? Und kommt er uns nicht, dann bleibt uns kein anderer Wunsch übrig, als daß alles Land, was diesseits der Leitha liegt, gleichviel auf welche Weise, so bald als möglich mit dem übrigen Deutschland zu einem Staat vereinigt werde. Literatur. Die deutschen Maler-Nadircr des neunzehnten Jahrhunderts. Bearbeitet von Andreas Umdrehen. I. Band. Leipzig, Rudolph Weigel. 1866. In dem Bewußtsein, daß wir es heut zu Tage namentlich in der Photographie so herrlich weit gebracht, hat unser Kunstpublikum den Sinn für die strengen, künst¬ lerischen Neproductionswciscn in betrübenden Grade eingebüßt. Der blos illustrirende

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/89>, abgerufen am 03.07.2024.