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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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drückt, wenn sie an die Länder jenseits der böhmischen Berge gedenken. Möchte
man auch bei Ihnen nicht vergessen, wie groß die Zahl gebildeter und fein-
fühlender Menschen bei uns ist, welche die Liebe zu Deutschland bewahren, und
wie gut und tüchtig trotz aller Unbildung das Wesen unserer Bevölkerung
zumal auf dem Lande blieb.

Harte Ereignisse haben uns die Erkenntniß unserer sehr gefährdeten Lage
gebracht. Noch schmerzen unsere Augen von den Blitzstrahlen dieses Sommers.
Aber wir begreifen vollständig die Gefahr, in welcher wir schweben. Unläug-
bar ist das deutsche Element seit dem Jahre 1844 in beständigem Rückschritt
in Böhmen, Mähren, Kärnthen, Krain, Jstrien, in Galizien und in Ungarn.
Dauern die Fortschritte der Fremden in derselben Weise noch durch ein halbes
Menschenalter, so sind diese Landschaften dem Deutschthum ganz entfremdet.
Auch für Deutschland liegt' darin eine große Gefahr. Die Czechen saßen seit
vielen hundert Jahren wie eine Insel von Deutschen umgeben, und waren in
früheren Jahrhunderten auf dem besten Wege selbst deutsch zu werden, wird
jetzt Mähren ganz slavisch, so streckt die Slava ein zusammenhängendes Länder-
gebiet bis in das Herz Deutschlands und eine neue Form des Panslavismus
macht den weisen Czaren zum Schutzherrn des Landgebietes bis an die bay¬
rischen Berge. Ebenso frißt das welsche Wesen in Tirol und dem Littorale
weiter und unsere Alpen werden zur Zeit der Enkel im Besitz von slavischen
und welschen Stämmen sein.

Wir Deutsche sind zu schwach, durch eigene Kraft dieses moderne Etabliren
fremder Nationalitäten in unsern Grenzen zu verhindern. Und die Scham
darüber wird unter uns um so größer, weil wir die Willkür und Hohlheit die¬
ser Eiferer übersehen, welche mitten unter uns fremde, schwache Nationalitäten,
die bereits halb germanisirt waren, unserer Bildung entfremden. Die Art und
Weise, in welcher die fremden Sprachen und Literatur jetzt gemacht werden,
ist so abgeschmackt als möglich, aber wir haben das Recht verloren, darüber
zu spotten, denn wir haben keine genügende Widerstandskraft. Diese Fremden
sitzen unter uns als Professoren in der Universität, als Beamte der Regierung,
ja sie sind, man erröthet es zu schreiben, zum Theil abtrünnige Deutsche, jeden¬
falls Männer, die ihre ganze Bildung der deutschen Literatur verdanken. Un¬
serer Regierung fehlt jedes Verständniß für diese Gefahr. Mit vornehmer
Gleichgiltigkeit sieht sie über die Maulwurfsarbeit weg, welche im Staate die
Wurzel deutscher Cultur untergräbt. Gelehrte, Czechen und Slovenen, czechische
Beamte, polnische und magyarische Edelleute sind der Reihe nach die Begün¬
stigten. Wir Deutsche gelten der Regierung noch als Theilhaber und Mit¬
schuldige an ihrer wankenden Herrschaft über die Fremden. Ist doch Wien
groß geworden durch das Geld, welches fremde Grundbesitzer bei uns ver¬
zehren. Welches Recht haben wir also zu murren?


drückt, wenn sie an die Länder jenseits der böhmischen Berge gedenken. Möchte
man auch bei Ihnen nicht vergessen, wie groß die Zahl gebildeter und fein-
fühlender Menschen bei uns ist, welche die Liebe zu Deutschland bewahren, und
wie gut und tüchtig trotz aller Unbildung das Wesen unserer Bevölkerung
zumal auf dem Lande blieb.

Harte Ereignisse haben uns die Erkenntniß unserer sehr gefährdeten Lage
gebracht. Noch schmerzen unsere Augen von den Blitzstrahlen dieses Sommers.
Aber wir begreifen vollständig die Gefahr, in welcher wir schweben. Unläug-
bar ist das deutsche Element seit dem Jahre 1844 in beständigem Rückschritt
in Böhmen, Mähren, Kärnthen, Krain, Jstrien, in Galizien und in Ungarn.
Dauern die Fortschritte der Fremden in derselben Weise noch durch ein halbes
Menschenalter, so sind diese Landschaften dem Deutschthum ganz entfremdet.
Auch für Deutschland liegt' darin eine große Gefahr. Die Czechen saßen seit
vielen hundert Jahren wie eine Insel von Deutschen umgeben, und waren in
früheren Jahrhunderten auf dem besten Wege selbst deutsch zu werden, wird
jetzt Mähren ganz slavisch, so streckt die Slava ein zusammenhängendes Länder-
gebiet bis in das Herz Deutschlands und eine neue Form des Panslavismus
macht den weisen Czaren zum Schutzherrn des Landgebietes bis an die bay¬
rischen Berge. Ebenso frißt das welsche Wesen in Tirol und dem Littorale
weiter und unsere Alpen werden zur Zeit der Enkel im Besitz von slavischen
und welschen Stämmen sein.

Wir Deutsche sind zu schwach, durch eigene Kraft dieses moderne Etabliren
fremder Nationalitäten in unsern Grenzen zu verhindern. Und die Scham
darüber wird unter uns um so größer, weil wir die Willkür und Hohlheit die¬
ser Eiferer übersehen, welche mitten unter uns fremde, schwache Nationalitäten,
die bereits halb germanisirt waren, unserer Bildung entfremden. Die Art und
Weise, in welcher die fremden Sprachen und Literatur jetzt gemacht werden,
ist so abgeschmackt als möglich, aber wir haben das Recht verloren, darüber
zu spotten, denn wir haben keine genügende Widerstandskraft. Diese Fremden
sitzen unter uns als Professoren in der Universität, als Beamte der Regierung,
ja sie sind, man erröthet es zu schreiben, zum Theil abtrünnige Deutsche, jeden¬
falls Männer, die ihre ganze Bildung der deutschen Literatur verdanken. Un¬
serer Regierung fehlt jedes Verständniß für diese Gefahr. Mit vornehmer
Gleichgiltigkeit sieht sie über die Maulwurfsarbeit weg, welche im Staate die
Wurzel deutscher Cultur untergräbt. Gelehrte, Czechen und Slovenen, czechische
Beamte, polnische und magyarische Edelleute sind der Reihe nach die Begün¬
stigten. Wir Deutsche gelten der Regierung noch als Theilhaber und Mit¬
schuldige an ihrer wankenden Herrschaft über die Fremden. Ist doch Wien
groß geworden durch das Geld, welches fremde Grundbesitzer bei uns ver¬
zehren. Welches Recht haben wir also zu murren?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/88>, abgerufen am 01.07.2024.