Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.Es ist nicht nöthig, darauf aufmerksam zu machen, daß nicht alle polnischen Ihre Agitationen haben jetzt zunächst zwei Ziele: sie wollen eine polnische Was die polnischen Abgeordneten zum norddeutschen Parlament betrifft, so 10'
Es ist nicht nöthig, darauf aufmerksam zu machen, daß nicht alle polnischen Ihre Agitationen haben jetzt zunächst zwei Ziele: sie wollen eine polnische Was die polnischen Abgeordneten zum norddeutschen Parlament betrifft, so 10'
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190244"/> <p xml:id="ID_247"> Es ist nicht nöthig, darauf aufmerksam zu machen, daß nicht alle polnischen<lb/> Adeligen und Priester mit der Agitationspartei in ein Horn stoßen; aber es<lb/> sind deren immer nur wenige; denn es gehört ein fester Charakter dazu, wenn<lb/> man sich von allen Standesgenossen trennen und sich ihren Anfeindungen aus¬<lb/> setzen will. In dieser Lage befinden sich unter anderen Graf Taczanowski, auf<lb/> dem letzten posener Provinziallandtage Vicelandtagsmarschall, Erzbischof Graf<lb/> Ledochowski und Bischof von der Marwitz von Kulm. Der letztere ist zwar von<lb/> deutscher Abkunft, aber seine Muttersprache ist die polnische. Er hält treu zu<lb/> Preußen. Als man in seinem Sprengel während des letzten Krieges so keck<lb/> war, für die östreichischen „Glaubensbrüder" Geld zu sammeln und es ihm im<lb/> Vertrauen auf seine Gcsinnungsübereinstimmung zur Beförderung einschickte,<lb/> lieferte er den Betrag zur Kasse für preußische Verwundete ab. Dennoch hat er<lb/> es nicht hindern können, daß einige Pfäfflein seiner Diöcese die polnischen<lb/> Landwehrmänner aufforderten, nicht auf die „katholischen Brüder" in der weißen<lb/> Uniform zu schießen. Einer dieser Fanatiker hat zur Strafe gezogen werden<lb/> können.</p><lb/> <p xml:id="ID_248"> Ihre Agitationen haben jetzt zunächst zwei Ziele: sie wollen eine polnische<lb/> Universität in der Provinz Posen, natürlich durch preußische Staatsgelder, zu<lb/> Stande bringen und die Wahlen zum norddeutschen Parlament möglichst auf<lb/> Mitglieder ihrer Nationalpartei lenken. Wenn die Universität zu Stande käme,<lb/> woran freilich nicht zu denken ist. würden sie wohl die meisten Lehrstühle an<lb/> die Jesuiten, die alten Erzieher ihres Volkes, vergeben wissen wollen. Außer¬<lb/> dem besitzen die Polen auch nach ihrer eigenen Versicherung eine ganze Reihe<lb/> von Philosophen, welche eigene Systeme „auf slawischer Grundlage" aufgebaut<lb/> haben.. Diese großen, bisher in der Republik der Gelehrten unbeachtet geblie¬<lb/> benen Geister finden Platz genug in Lemberg oder Krakau, wo das deutsche<lb/> Wort nicht mehr Träger der Wissenschaft ist und polnische Logik sogar der<lb/> praktischen Politik zu Grunde zu liegen scheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_249" next="#ID_250"> Was die polnischen Abgeordneten zum norddeutschen Parlament betrifft, so<lb/> sollen sie selbstverständlich den billigen Coup der Tschechen von 1849 durch<lb/> feierlichen Protest gegen ihre eigene Einberufung noch einmal wiederholen, um<lb/> so mehr, da man über den Protest von Libell und Genossen auf dem preußi¬<lb/> schen Landtage im vergangenen September zur Tagesordnung übergegangen ist.<lb/> Sie erwarten zwar ebenso wenig, daß sich Graf Bismarck dadurch wankend<lb/> machen lassen werde, als sich ihre eigenen Vorfahren auf dem Reichstage zu<lb/> Ludim durch den Protest der westpreußischen Stände gegen die Einverleibung<lb/> in Polen, sowie durch die Thränen und den Kniefall der Lithauer aus der¬<lb/> selben Veranlassung erschüttern ließen; sie erreichen aber doch so viel dadurch,<lb/> daß das Ausland, sei es Frankreich oder Oestreich oder Rußland, gelegentlich<lb/> daraus zurückkommt und solche Erklärungen als Handhabe benutzt. Indeß die</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 10'</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
Es ist nicht nöthig, darauf aufmerksam zu machen, daß nicht alle polnischen
Adeligen und Priester mit der Agitationspartei in ein Horn stoßen; aber es
sind deren immer nur wenige; denn es gehört ein fester Charakter dazu, wenn
man sich von allen Standesgenossen trennen und sich ihren Anfeindungen aus¬
setzen will. In dieser Lage befinden sich unter anderen Graf Taczanowski, auf
dem letzten posener Provinziallandtage Vicelandtagsmarschall, Erzbischof Graf
Ledochowski und Bischof von der Marwitz von Kulm. Der letztere ist zwar von
deutscher Abkunft, aber seine Muttersprache ist die polnische. Er hält treu zu
Preußen. Als man in seinem Sprengel während des letzten Krieges so keck
war, für die östreichischen „Glaubensbrüder" Geld zu sammeln und es ihm im
Vertrauen auf seine Gcsinnungsübereinstimmung zur Beförderung einschickte,
lieferte er den Betrag zur Kasse für preußische Verwundete ab. Dennoch hat er
es nicht hindern können, daß einige Pfäfflein seiner Diöcese die polnischen
Landwehrmänner aufforderten, nicht auf die „katholischen Brüder" in der weißen
Uniform zu schießen. Einer dieser Fanatiker hat zur Strafe gezogen werden
können.
Ihre Agitationen haben jetzt zunächst zwei Ziele: sie wollen eine polnische
Universität in der Provinz Posen, natürlich durch preußische Staatsgelder, zu
Stande bringen und die Wahlen zum norddeutschen Parlament möglichst auf
Mitglieder ihrer Nationalpartei lenken. Wenn die Universität zu Stande käme,
woran freilich nicht zu denken ist. würden sie wohl die meisten Lehrstühle an
die Jesuiten, die alten Erzieher ihres Volkes, vergeben wissen wollen. Außer¬
dem besitzen die Polen auch nach ihrer eigenen Versicherung eine ganze Reihe
von Philosophen, welche eigene Systeme „auf slawischer Grundlage" aufgebaut
haben.. Diese großen, bisher in der Republik der Gelehrten unbeachtet geblie¬
benen Geister finden Platz genug in Lemberg oder Krakau, wo das deutsche
Wort nicht mehr Träger der Wissenschaft ist und polnische Logik sogar der
praktischen Politik zu Grunde zu liegen scheint.
Was die polnischen Abgeordneten zum norddeutschen Parlament betrifft, so
sollen sie selbstverständlich den billigen Coup der Tschechen von 1849 durch
feierlichen Protest gegen ihre eigene Einberufung noch einmal wiederholen, um
so mehr, da man über den Protest von Libell und Genossen auf dem preußi¬
schen Landtage im vergangenen September zur Tagesordnung übergegangen ist.
Sie erwarten zwar ebenso wenig, daß sich Graf Bismarck dadurch wankend
machen lassen werde, als sich ihre eigenen Vorfahren auf dem Reichstage zu
Ludim durch den Protest der westpreußischen Stände gegen die Einverleibung
in Polen, sowie durch die Thränen und den Kniefall der Lithauer aus der¬
selben Veranlassung erschüttern ließen; sie erreichen aber doch so viel dadurch,
daß das Ausland, sei es Frankreich oder Oestreich oder Rußland, gelegentlich
daraus zurückkommt und solche Erklärungen als Handhabe benutzt. Indeß die
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