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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Zucht, welche den Körper in ganz neuer Weise dem Geiste gehorsam macht,
welche die Willenskraft steigert und zu schweller Entschlossenheit hinleitet, bleibt
jedem, der gedient hat, ein unermeßlicher Segen für das ganze Leben. Sie
macht den Mann noch in späteren Jahren sicher und fest in seiner Umgebung,
in vielen Fällen seinen Berufsgenossen überlegen.

So ist das Dienstjahr reich an segensreichen Wirkungen für Körper und
Geist. Durch das Gefühl, selbst von der Pike auf gedient zu haben, wird
jene tüchtige Staatsgesinnung, die wir an den Völkern des Alterthums preisen,
großgezogen, und selten mag' ein Preuße es bereut haben, ein Jahr lang ein¬
mal einen Theil seiner Kräfte dem Vaterlands gewidmet zu haben -- selbst
wenn es ihm nicht vergönnt gewesen ist, im Kampfe für das Vaterland seine
Kräfte zu proben. Wem aber auch dies Glück zu Theil geworden ist, der wird
das als etwas Großes für immer empfinden, und wohl ist es für die Gebil¬
deten Preußens ein erhebendes Gefühl, daß die köstlichen Erfolge nicht von
einer Soldatenkaste, sondern von dem ganzen Volke im wahrsten Sinne des
Wortes errungen sind.

Unter den Kämpfern bei Königsgrätz haben junge Beamte, Kaufleute, Oeko-
nomen, Studirende, Gelehrte ebenso gut ihre Waffe geführt, wie der gemeine
Knecht, wie der Proletarier. Das ist etwas Großes, die Früchte sind nicht aus¬
geblieben und auch das mag man bedenken, daß, wo die Gebildeten so eminent
angekämpft haben für die Erhaltung und Erweiterung des Vaterlands, da haben
sie auch ein besonderes Recht erworben, an der Regierung des Staates theilzu-
nehmen; mit andern Worten: dort findet das verfassungsmäßige constitutionelle
Staatsleben einen gesunderen und berechtigteren Boden, als wo die Gebildeten,
die in und durch die Volksvertretung das Staatsschiff lenken wollen, auf ihren
Schätzen und in der warmen Häuslichkeit saßen, während draußen das arme
Volk auf den Schlachtfeldern Gut und Blut für sie opferte.

Wen also jetzt die Wendung der deutschen Geschicke, wenn auch noch
Wider seinen Willen, zwingt, aus dem bürgerlichen Leben in die Reihen der
preußischen Armee zu treten, der mag sich der hier in Kurzem entwickelten hohen
Bedeutung dieses Waffendienstes bewußt werden, und wen der patriotische Ge¬
sichtspunkt nicht tröstet, weil ihm sein Vaterland zu neu ist, der mag sich
der segensreichen praktischen Wirkungen freuen, die das Militärjahr für ihn
haben wird.

Zum Schluß mag den Neupreußen hier der Rath ertheilt werden, sich wo
möglich zur Ableistung der Dienstpflicht große Garnisonen, wie Berlin, oder
Universitätsgarnisonen zu wählen. Berlin bietet vor allen andern die größte
Freiheit außerhalb der Dienststunden, da eine Controle nicht möglich ist und
auch nicht geübt wird. In Universitätsstädten Pflegen stets auf die Freiwilligen, die


Zucht, welche den Körper in ganz neuer Weise dem Geiste gehorsam macht,
welche die Willenskraft steigert und zu schweller Entschlossenheit hinleitet, bleibt
jedem, der gedient hat, ein unermeßlicher Segen für das ganze Leben. Sie
macht den Mann noch in späteren Jahren sicher und fest in seiner Umgebung,
in vielen Fällen seinen Berufsgenossen überlegen.

So ist das Dienstjahr reich an segensreichen Wirkungen für Körper und
Geist. Durch das Gefühl, selbst von der Pike auf gedient zu haben, wird
jene tüchtige Staatsgesinnung, die wir an den Völkern des Alterthums preisen,
großgezogen, und selten mag' ein Preuße es bereut haben, ein Jahr lang ein¬
mal einen Theil seiner Kräfte dem Vaterlands gewidmet zu haben — selbst
wenn es ihm nicht vergönnt gewesen ist, im Kampfe für das Vaterland seine
Kräfte zu proben. Wem aber auch dies Glück zu Theil geworden ist, der wird
das als etwas Großes für immer empfinden, und wohl ist es für die Gebil¬
deten Preußens ein erhebendes Gefühl, daß die köstlichen Erfolge nicht von
einer Soldatenkaste, sondern von dem ganzen Volke im wahrsten Sinne des
Wortes errungen sind.

Unter den Kämpfern bei Königsgrätz haben junge Beamte, Kaufleute, Oeko-
nomen, Studirende, Gelehrte ebenso gut ihre Waffe geführt, wie der gemeine
Knecht, wie der Proletarier. Das ist etwas Großes, die Früchte sind nicht aus¬
geblieben und auch das mag man bedenken, daß, wo die Gebildeten so eminent
angekämpft haben für die Erhaltung und Erweiterung des Vaterlands, da haben
sie auch ein besonderes Recht erworben, an der Regierung des Staates theilzu-
nehmen; mit andern Worten: dort findet das verfassungsmäßige constitutionelle
Staatsleben einen gesunderen und berechtigteren Boden, als wo die Gebildeten,
die in und durch die Volksvertretung das Staatsschiff lenken wollen, auf ihren
Schätzen und in der warmen Häuslichkeit saßen, während draußen das arme
Volk auf den Schlachtfeldern Gut und Blut für sie opferte.

Wen also jetzt die Wendung der deutschen Geschicke, wenn auch noch
Wider seinen Willen, zwingt, aus dem bürgerlichen Leben in die Reihen der
preußischen Armee zu treten, der mag sich der hier in Kurzem entwickelten hohen
Bedeutung dieses Waffendienstes bewußt werden, und wen der patriotische Ge¬
sichtspunkt nicht tröstet, weil ihm sein Vaterland zu neu ist, der mag sich
der segensreichen praktischen Wirkungen freuen, die das Militärjahr für ihn
haben wird.

Zum Schluß mag den Neupreußen hier der Rath ertheilt werden, sich wo
möglich zur Ableistung der Dienstpflicht große Garnisonen, wie Berlin, oder
Universitätsgarnisonen zu wählen. Berlin bietet vor allen andern die größte
Freiheit außerhalb der Dienststunden, da eine Controle nicht möglich ist und
auch nicht geübt wird. In Universitätsstädten Pflegen stets auf die Freiwilligen, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/78>, abgerufen am 30.06.2024.