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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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selbe Cigarre zu rauchen, denselben meist humoristischen Ton des Gesprächs
anzuschlagen -- denn es giebt unter den Soldaten einen esxrit as earxs, gegen
den niemand ungestraft ankämpft, und dieser ist doppelt mächtig, weil hier
einer auf des andern Hilfe angewiesen, mit ihm Freuden und Leiden des
Dienstes zu theilen gezwungen ist. Wer den Kameraden seiner Compagnie ein
offenes frohes Antlitz, einige Kraft und guten Willen zeigt, mit ihnen zu ver¬
kehren, der wird bald erkennen, wie gutherzig sie sind, und wie bereitwillig und
vertrauend sie grade die geistige Ueberlegenheit des Freiwilligen anerkennen. Gute
Kameradschaft auch mit dem Gemeinen zu halten ist aber auch ein dringen¬
des Gebot, wenn man nicht dem Spott und dem Haß der Kameraden preis¬
gegeben sein will, und in diesem Fall sind sie auch nicht grade heilet in
der Wahl ihrer Mittel, wenn es gilt ihren Gefühlen Ausdruck zu geben.

Es giebt aber zwei Arten gute Kameradschaft zu halten, wie es zwei Arten
gesellig zu verkehren giebt -- man kann zu den Leuten herabsteigen und sie
zu sich hinaufziehen. Wie das Letztere zu machen ist. läßt sich natürlich rictu
beschreiben, das muß dem Tacte des Einzelnen überlassen bleiben; das aber ist
sicher, daß. wenn es für den Gebildeten zu den höchsten geistigen Genüssen
gehört, von seiner Bildung anderen etwas mitzutheilen, kaum jemand dazu so
herzerfreuende Gelegenheit findet als der preußische Freiwillige. Und darin
liegt die hohe sittliche Bedeutung dieser Staatseinrichtung für die Volksbildung.
Durch die Zahl der Freiwilligen, deren sich durchschnittlich etwa vier auf hundert-
undfunfzig Gemeine finden, wird, wenn auch im Einzelnen unmerklich, doch sicher
der Bildungsgrad des Heeres gehoben, und dem Gemeinen manches Korn fei¬
nerer Bildung eingepflanzt. Wer nach dem diesjährigen Krieg den Urtheilen
der Ausländer gefolgt ist, wird auch bemerkt haben, daß man namentlich in
England grade diese Bedeutung des Freiwilligenthums sehr richtig gewürdigt
hat. so sehr, daß man diesem Momente einen Theil der wunderbaren Erfolge
des preußischen Heeres im vergangenen Sommer vindicirt hat.

Endlich muß hier noch darauf hingewiesen werden, welch eine unübertreff¬
liche Vorschule das Dienstjahr für das künftige praktische Leben ist. Wer nicht
schon früher sich an Pünktlichkeit, Ordnungsliebe und peinliche Sauberkeit ge-
wöhnt hat, der wird es dort thun. Auch männliche Tugenden, Entschlossenheit
und Geistesgegenwart werden geübt. Denn der Dienst erfordert oft die An¬
spannung aller geistigen Kräfte, um in jedem Augenblicke sich bewußt zu sein,
was man zu thun, zu sagen, wie man sich zu verhalten hat. Eine Unzahl von
Kleinigkeiten müssen so gelernt werden, daß man jeden Moment danach zu
handeln im Stande ist. Das militärische Commando erfordert augenblickliches
Nachkommen -- die lässige Befolgung gegebener Anweisungen, wie sie im
bürgerlichen Leben gewöhnlich ist. wird nicht gelitten. Das eben vernommene
Commando muß den Körper schon zur Ausführung bereit finden. Und diese
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selbe Cigarre zu rauchen, denselben meist humoristischen Ton des Gesprächs
anzuschlagen — denn es giebt unter den Soldaten einen esxrit as earxs, gegen
den niemand ungestraft ankämpft, und dieser ist doppelt mächtig, weil hier
einer auf des andern Hilfe angewiesen, mit ihm Freuden und Leiden des
Dienstes zu theilen gezwungen ist. Wer den Kameraden seiner Compagnie ein
offenes frohes Antlitz, einige Kraft und guten Willen zeigt, mit ihnen zu ver¬
kehren, der wird bald erkennen, wie gutherzig sie sind, und wie bereitwillig und
vertrauend sie grade die geistige Ueberlegenheit des Freiwilligen anerkennen. Gute
Kameradschaft auch mit dem Gemeinen zu halten ist aber auch ein dringen¬
des Gebot, wenn man nicht dem Spott und dem Haß der Kameraden preis¬
gegeben sein will, und in diesem Fall sind sie auch nicht grade heilet in
der Wahl ihrer Mittel, wenn es gilt ihren Gefühlen Ausdruck zu geben.

Es giebt aber zwei Arten gute Kameradschaft zu halten, wie es zwei Arten
gesellig zu verkehren giebt — man kann zu den Leuten herabsteigen und sie
zu sich hinaufziehen. Wie das Letztere zu machen ist. läßt sich natürlich rictu
beschreiben, das muß dem Tacte des Einzelnen überlassen bleiben; das aber ist
sicher, daß. wenn es für den Gebildeten zu den höchsten geistigen Genüssen
gehört, von seiner Bildung anderen etwas mitzutheilen, kaum jemand dazu so
herzerfreuende Gelegenheit findet als der preußische Freiwillige. Und darin
liegt die hohe sittliche Bedeutung dieser Staatseinrichtung für die Volksbildung.
Durch die Zahl der Freiwilligen, deren sich durchschnittlich etwa vier auf hundert-
undfunfzig Gemeine finden, wird, wenn auch im Einzelnen unmerklich, doch sicher
der Bildungsgrad des Heeres gehoben, und dem Gemeinen manches Korn fei¬
nerer Bildung eingepflanzt. Wer nach dem diesjährigen Krieg den Urtheilen
der Ausländer gefolgt ist, wird auch bemerkt haben, daß man namentlich in
England grade diese Bedeutung des Freiwilligenthums sehr richtig gewürdigt
hat. so sehr, daß man diesem Momente einen Theil der wunderbaren Erfolge
des preußischen Heeres im vergangenen Sommer vindicirt hat.

Endlich muß hier noch darauf hingewiesen werden, welch eine unübertreff¬
liche Vorschule das Dienstjahr für das künftige praktische Leben ist. Wer nicht
schon früher sich an Pünktlichkeit, Ordnungsliebe und peinliche Sauberkeit ge-
wöhnt hat, der wird es dort thun. Auch männliche Tugenden, Entschlossenheit
und Geistesgegenwart werden geübt. Denn der Dienst erfordert oft die An¬
spannung aller geistigen Kräfte, um in jedem Augenblicke sich bewußt zu sein,
was man zu thun, zu sagen, wie man sich zu verhalten hat. Eine Unzahl von
Kleinigkeiten müssen so gelernt werden, daß man jeden Moment danach zu
handeln im Stande ist. Das militärische Commando erfordert augenblickliches
Nachkommen — die lässige Befolgung gegebener Anweisungen, wie sie im
bürgerlichen Leben gewöhnlich ist. wird nicht gelitten. Das eben vernommene
Commando muß den Körper schon zur Ausführung bereit finden. Und diese
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/77>, abgerufen am 02.07.2024.