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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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stattet, bis 11 Uhr Abends seine Wohnung zu verlassen, während sonst jeder
Gemeine vom Zapfenstreich bis zur Reveille, d. h. von 9 Uhr Abends bis Tages¬
anbruch in seinem Quartier bleiben muß. In großen Garnisonen, wie in Ber¬
lin, ist es dem Freiwilligen sogar gestattet, außerhalb des Dienstes in Civil zu
gehen. Die Zeit, die durch den militärischen Dienst täglich in Anspruch ge¬
nommen wird, ist sehr verschieden. Während der Recrutenzeit -- d.h. regel¬
mäßig die ersten sechs Wochen -- wird täglich 4--5 Stunden exercirt, im
Winter gewöhnlich von 9--11 und von 3--5, im Sommer von 7--10 und
von 3--5, außerdem wird wöchentlich mehrmals, gewöhnlich Abends von 6--7,
eine sogenannte Unterrichtsstunde abgehalten, in welcher der Recrut mit den
militärischen Einrichtungen und den dienstlichen Pflichten durch einen Unter-
offizier bekannt gemacht wird. Eine immerhin lehrreiche Stunde, oft eine ergötz¬
liche Erinnerung.

Nach Beendigung dieser Lehrwochen wird man in die Compagnie eingestellt,
und muß nun den ganzen Waffendienst der ausgebildeten Leute mitmachen. Es
wird in der Regel im Sommer von 7--9. Nachmittags von 3--4, im Winter
von 9--10 und von 3--4 exercirt. Doch Pflegen einige Nachmittage ganz
dienstfrei zu sein. Den Unterricht erhält der Freiwillige nun von gebildeten
Offizieren, es werden dazu zwei Stunden der Woche bestimmt.

Außerdem werden nun ganze Tage durch den Wachdienst in Anspruch ge¬
nommen. Der Freiwillige muß als Gemeiner mindestens drei Wachen thun.
Er hat sich dabei 24 Stunden hindurch im Wachlocal aufzuhalten und davon
8 Stunden -- immer 2 Stunden hinter einander, mit Zwischenräumen von je
4 Stunden -- Posten zu stehen.

Im Sommer und namentlich im Herbst sind die Schieß- und Felddienst¬
übungen sehr zeitraubend; die Schießübungen nehmen in der Regel einen Vor¬
mittag bis 11. die Felddienstübungen einen Nachmittag in Anspruch.

Bei einigen Truppentheilen existirt die leidige zeitraubende Einrichtung des
Appells, für den die höchst charakteristische Definition lautet: "Wenn man warten
muß". Er dauert Vs--1 Stunde, oft auch noch länger, und wird um die
Mittagszeit abgehalten; es werden dort die Befehle ausgegeben. Von dem Er¬
scheinen hierzu sind jedoch die Freiwilligen meist dispensirt, sie können sich die
Befehle durch einen Dritten überbringen lassen, sind aber natürlich selbst für die
gehörige Bestellung verantwortlich.

Für die Instandhaltung der Sachen, das Putzen der Knöpfe, Gewehre und
sonstigen Montirungsstücke ist der Freiwillige ebenfalls selbst verantworlich und
die minutiöse peinliche Sorgfalt, welche in Bezug hierauf in der preußischen
Armee herrscht, ist eine der unbequemsten Seiten des militärischen Dienstes.
Doch Pflegt man diese Bedientendienste nicht selber zu besorgen, sondern durch
einen Gemeinen, den sog. Burschen, der dafür eine monatliche Vergütung von


stattet, bis 11 Uhr Abends seine Wohnung zu verlassen, während sonst jeder
Gemeine vom Zapfenstreich bis zur Reveille, d. h. von 9 Uhr Abends bis Tages¬
anbruch in seinem Quartier bleiben muß. In großen Garnisonen, wie in Ber¬
lin, ist es dem Freiwilligen sogar gestattet, außerhalb des Dienstes in Civil zu
gehen. Die Zeit, die durch den militärischen Dienst täglich in Anspruch ge¬
nommen wird, ist sehr verschieden. Während der Recrutenzeit — d.h. regel¬
mäßig die ersten sechs Wochen — wird täglich 4—5 Stunden exercirt, im
Winter gewöhnlich von 9—11 und von 3—5, im Sommer von 7—10 und
von 3—5, außerdem wird wöchentlich mehrmals, gewöhnlich Abends von 6—7,
eine sogenannte Unterrichtsstunde abgehalten, in welcher der Recrut mit den
militärischen Einrichtungen und den dienstlichen Pflichten durch einen Unter-
offizier bekannt gemacht wird. Eine immerhin lehrreiche Stunde, oft eine ergötz¬
liche Erinnerung.

Nach Beendigung dieser Lehrwochen wird man in die Compagnie eingestellt,
und muß nun den ganzen Waffendienst der ausgebildeten Leute mitmachen. Es
wird in der Regel im Sommer von 7—9. Nachmittags von 3—4, im Winter
von 9—10 und von 3—4 exercirt. Doch Pflegen einige Nachmittage ganz
dienstfrei zu sein. Den Unterricht erhält der Freiwillige nun von gebildeten
Offizieren, es werden dazu zwei Stunden der Woche bestimmt.

Außerdem werden nun ganze Tage durch den Wachdienst in Anspruch ge¬
nommen. Der Freiwillige muß als Gemeiner mindestens drei Wachen thun.
Er hat sich dabei 24 Stunden hindurch im Wachlocal aufzuhalten und davon
8 Stunden — immer 2 Stunden hinter einander, mit Zwischenräumen von je
4 Stunden — Posten zu stehen.

Im Sommer und namentlich im Herbst sind die Schieß- und Felddienst¬
übungen sehr zeitraubend; die Schießübungen nehmen in der Regel einen Vor¬
mittag bis 11. die Felddienstübungen einen Nachmittag in Anspruch.

Bei einigen Truppentheilen existirt die leidige zeitraubende Einrichtung des
Appells, für den die höchst charakteristische Definition lautet: „Wenn man warten
muß". Er dauert Vs--1 Stunde, oft auch noch länger, und wird um die
Mittagszeit abgehalten; es werden dort die Befehle ausgegeben. Von dem Er¬
scheinen hierzu sind jedoch die Freiwilligen meist dispensirt, sie können sich die
Befehle durch einen Dritten überbringen lassen, sind aber natürlich selbst für die
gehörige Bestellung verantwortlich.

Für die Instandhaltung der Sachen, das Putzen der Knöpfe, Gewehre und
sonstigen Montirungsstücke ist der Freiwillige ebenfalls selbst verantworlich und
die minutiöse peinliche Sorgfalt, welche in Bezug hierauf in der preußischen
Armee herrscht, ist eine der unbequemsten Seiten des militärischen Dienstes.
Doch Pflegt man diese Bedientendienste nicht selber zu besorgen, sondern durch
einen Gemeinen, den sog. Burschen, der dafür eine monatliche Vergütung von


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[0072] stattet, bis 11 Uhr Abends seine Wohnung zu verlassen, während sonst jeder Gemeine vom Zapfenstreich bis zur Reveille, d. h. von 9 Uhr Abends bis Tages¬ anbruch in seinem Quartier bleiben muß. In großen Garnisonen, wie in Ber¬ lin, ist es dem Freiwilligen sogar gestattet, außerhalb des Dienstes in Civil zu gehen. Die Zeit, die durch den militärischen Dienst täglich in Anspruch ge¬ nommen wird, ist sehr verschieden. Während der Recrutenzeit — d.h. regel¬ mäßig die ersten sechs Wochen — wird täglich 4—5 Stunden exercirt, im Winter gewöhnlich von 9—11 und von 3—5, im Sommer von 7—10 und von 3—5, außerdem wird wöchentlich mehrmals, gewöhnlich Abends von 6—7, eine sogenannte Unterrichtsstunde abgehalten, in welcher der Recrut mit den militärischen Einrichtungen und den dienstlichen Pflichten durch einen Unter- offizier bekannt gemacht wird. Eine immerhin lehrreiche Stunde, oft eine ergötz¬ liche Erinnerung. Nach Beendigung dieser Lehrwochen wird man in die Compagnie eingestellt, und muß nun den ganzen Waffendienst der ausgebildeten Leute mitmachen. Es wird in der Regel im Sommer von 7—9. Nachmittags von 3—4, im Winter von 9—10 und von 3—4 exercirt. Doch Pflegen einige Nachmittage ganz dienstfrei zu sein. Den Unterricht erhält der Freiwillige nun von gebildeten Offizieren, es werden dazu zwei Stunden der Woche bestimmt. Außerdem werden nun ganze Tage durch den Wachdienst in Anspruch ge¬ nommen. Der Freiwillige muß als Gemeiner mindestens drei Wachen thun. Er hat sich dabei 24 Stunden hindurch im Wachlocal aufzuhalten und davon 8 Stunden — immer 2 Stunden hinter einander, mit Zwischenräumen von je 4 Stunden — Posten zu stehen. Im Sommer und namentlich im Herbst sind die Schieß- und Felddienst¬ übungen sehr zeitraubend; die Schießübungen nehmen in der Regel einen Vor¬ mittag bis 11. die Felddienstübungen einen Nachmittag in Anspruch. Bei einigen Truppentheilen existirt die leidige zeitraubende Einrichtung des Appells, für den die höchst charakteristische Definition lautet: „Wenn man warten muß". Er dauert Vs--1 Stunde, oft auch noch länger, und wird um die Mittagszeit abgehalten; es werden dort die Befehle ausgegeben. Von dem Er¬ scheinen hierzu sind jedoch die Freiwilligen meist dispensirt, sie können sich die Befehle durch einen Dritten überbringen lassen, sind aber natürlich selbst für die gehörige Bestellung verantwortlich. Für die Instandhaltung der Sachen, das Putzen der Knöpfe, Gewehre und sonstigen Montirungsstücke ist der Freiwillige ebenfalls selbst verantworlich und die minutiöse peinliche Sorgfalt, welche in Bezug hierauf in der preußischen Armee herrscht, ist eine der unbequemsten Seiten des militärischen Dienstes. Doch Pflegt man diese Bedientendienste nicht selber zu besorgen, sondern durch einen Gemeinen, den sog. Burschen, der dafür eine monatliche Vergütung von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/72>, abgerufen am 22.12.2024.