Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Eintritt in das Heer bis zur Vollendung des dreiundzwanzigsten Lebensjahres
hinauszuschieben. Im Fall einer Mobilmachung geht aber das Recht dieses
Aufschubs verloren.

Der einjährig Freiwillige tritt in das Heer als Gemeiner ein, er darf
sich die Waffengattung (ob er als Infanterist, Artillerist, Cavalerist oder Pionier
dienen will) und den Truppentheil sowie die Garnison selbst wählen. Er leistet
gleich nach seinem Eintritt den Fahneneid und untersteht selbstverständlich der
Militärgerichtsbarkeit, er muß alle Dienste des Gemeinen thun, hat jeden Char-
girten der ganzen Armee, also auch jeden Unteroffizier, als seinen Vorgesetzten
zu betrachten, muß die Uniform tragen und ist zu unbedingtem Gehorsam gegen
die Befehle der Vorgesetzten, zur Subordination verpflichtet. Er wird mit dem
gemeinsten Proletarier, ja mit solchen, die die Ehrenrechte verloren haben, in
Reih und Glied gestellt, und hat im Princip nichts vor ihm voraus, auf keine
mildere Behandlung als dieser Anspruch. Der Weg der Beschwerde steht ihm,
wie jenem in gewissen sehr beschränkten Formen offen, doch darf er sich bei Ver¬
meidung der strengsten Strafe erst nach Erfüllung desjenigen Befehles, durch
den er sich verletzt fühlt, beschweren.

Das ist denn freilich hart genug, und oft genug mag sich der gebildete
junge Mann innerlich empören über die rauhen und sehr derben Zurechtwei¬
sungen der meist an Bildung tief unter ihm stehenden Unteroffiziere, noch mehr
aber über die Ueberhebung, mit der zuweilen blutjunge und oft nur sehr ober¬
flächlich gebildete Offiziere die Freiwilligen behandeln.

In der That könnte bei der unbedingten Gewalt, die den Vorgesetzten über
die Untergebenen gegeben ist, die Lage des Freiwilligen eine unerträgliche wer¬
den. Aber hier tritt die Praxis mildernd ein: der Dienst wird nicht durch
die unmittelbaren Vorgesetzten, die Unteroffiziere, sondern durch die höhern
Offiziere bestimmt und controlirt, die durchweg der gebildeten Classe angehören.
Auch Pflegen die Unteroffiziere bei allem Diensteifer sich gern mit ihren Frei¬
willigen gut zu stellen.

Die wichtigste Person für den Freiwilligen ist der Hauptmann seiner Com¬
pagnie, resp, der Rittmeister seiner Schwadron und der Feldwebel, resp, der
Wachtmeister. Von deren Persönlichkeit hängt die Lage des Freiwilligen ab.
Da zu Feldwebeln nur langbewährte tüchtige und geschickte Unteroffiziere ge¬
nommen werden, so Pflegen diese von vornherein einige Rücksicht auf die Frei¬
willigen zu nehmen.

Einige Erleichterungen sind außerdem durch die Praxis durchweg eingeführt.
Da der Freiwillige keine Löhnung erhält, so wird er auch nicht zu eigentlichen
Arbeiten verwendet, sondern sein Dienst beschränkt sich auf Uebung in den
Waffen und in körperlicher Gewandtheit. Er kann essen und wohnen, wo er
will, erhält auch bald nach seinem Eintritt eine Urlaubskarte, welche ihm ge-


Eintritt in das Heer bis zur Vollendung des dreiundzwanzigsten Lebensjahres
hinauszuschieben. Im Fall einer Mobilmachung geht aber das Recht dieses
Aufschubs verloren.

Der einjährig Freiwillige tritt in das Heer als Gemeiner ein, er darf
sich die Waffengattung (ob er als Infanterist, Artillerist, Cavalerist oder Pionier
dienen will) und den Truppentheil sowie die Garnison selbst wählen. Er leistet
gleich nach seinem Eintritt den Fahneneid und untersteht selbstverständlich der
Militärgerichtsbarkeit, er muß alle Dienste des Gemeinen thun, hat jeden Char-
girten der ganzen Armee, also auch jeden Unteroffizier, als seinen Vorgesetzten
zu betrachten, muß die Uniform tragen und ist zu unbedingtem Gehorsam gegen
die Befehle der Vorgesetzten, zur Subordination verpflichtet. Er wird mit dem
gemeinsten Proletarier, ja mit solchen, die die Ehrenrechte verloren haben, in
Reih und Glied gestellt, und hat im Princip nichts vor ihm voraus, auf keine
mildere Behandlung als dieser Anspruch. Der Weg der Beschwerde steht ihm,
wie jenem in gewissen sehr beschränkten Formen offen, doch darf er sich bei Ver¬
meidung der strengsten Strafe erst nach Erfüllung desjenigen Befehles, durch
den er sich verletzt fühlt, beschweren.

Das ist denn freilich hart genug, und oft genug mag sich der gebildete
junge Mann innerlich empören über die rauhen und sehr derben Zurechtwei¬
sungen der meist an Bildung tief unter ihm stehenden Unteroffiziere, noch mehr
aber über die Ueberhebung, mit der zuweilen blutjunge und oft nur sehr ober¬
flächlich gebildete Offiziere die Freiwilligen behandeln.

In der That könnte bei der unbedingten Gewalt, die den Vorgesetzten über
die Untergebenen gegeben ist, die Lage des Freiwilligen eine unerträgliche wer¬
den. Aber hier tritt die Praxis mildernd ein: der Dienst wird nicht durch
die unmittelbaren Vorgesetzten, die Unteroffiziere, sondern durch die höhern
Offiziere bestimmt und controlirt, die durchweg der gebildeten Classe angehören.
Auch Pflegen die Unteroffiziere bei allem Diensteifer sich gern mit ihren Frei¬
willigen gut zu stellen.

Die wichtigste Person für den Freiwilligen ist der Hauptmann seiner Com¬
pagnie, resp, der Rittmeister seiner Schwadron und der Feldwebel, resp, der
Wachtmeister. Von deren Persönlichkeit hängt die Lage des Freiwilligen ab.
Da zu Feldwebeln nur langbewährte tüchtige und geschickte Unteroffiziere ge¬
nommen werden, so Pflegen diese von vornherein einige Rücksicht auf die Frei¬
willigen zu nehmen.

Einige Erleichterungen sind außerdem durch die Praxis durchweg eingeführt.
Da der Freiwillige keine Löhnung erhält, so wird er auch nicht zu eigentlichen
Arbeiten verwendet, sondern sein Dienst beschränkt sich auf Uebung in den
Waffen und in körperlicher Gewandtheit. Er kann essen und wohnen, wo er
will, erhält auch bald nach seinem Eintritt eine Urlaubskarte, welche ihm ge-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0071" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190230"/>
          <p xml:id="ID_192" prev="#ID_191"> Eintritt in das Heer bis zur Vollendung des dreiundzwanzigsten Lebensjahres<lb/>
hinauszuschieben. Im Fall einer Mobilmachung geht aber das Recht dieses<lb/>
Aufschubs verloren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_193"> Der einjährig Freiwillige tritt in das Heer als Gemeiner ein, er darf<lb/>
sich die Waffengattung (ob er als Infanterist, Artillerist, Cavalerist oder Pionier<lb/>
dienen will) und den Truppentheil sowie die Garnison selbst wählen. Er leistet<lb/>
gleich nach seinem Eintritt den Fahneneid und untersteht selbstverständlich der<lb/>
Militärgerichtsbarkeit, er muß alle Dienste des Gemeinen thun, hat jeden Char-<lb/>
girten der ganzen Armee, also auch jeden Unteroffizier, als seinen Vorgesetzten<lb/>
zu betrachten, muß die Uniform tragen und ist zu unbedingtem Gehorsam gegen<lb/>
die Befehle der Vorgesetzten, zur Subordination verpflichtet. Er wird mit dem<lb/>
gemeinsten Proletarier, ja mit solchen, die die Ehrenrechte verloren haben, in<lb/>
Reih und Glied gestellt, und hat im Princip nichts vor ihm voraus, auf keine<lb/>
mildere Behandlung als dieser Anspruch. Der Weg der Beschwerde steht ihm,<lb/>
wie jenem in gewissen sehr beschränkten Formen offen, doch darf er sich bei Ver¬<lb/>
meidung der strengsten Strafe erst nach Erfüllung desjenigen Befehles, durch<lb/>
den er sich verletzt fühlt, beschweren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_194"> Das ist denn freilich hart genug, und oft genug mag sich der gebildete<lb/>
junge Mann innerlich empören über die rauhen und sehr derben Zurechtwei¬<lb/>
sungen der meist an Bildung tief unter ihm stehenden Unteroffiziere, noch mehr<lb/>
aber über die Ueberhebung, mit der zuweilen blutjunge und oft nur sehr ober¬<lb/>
flächlich gebildete Offiziere die Freiwilligen behandeln.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_195"> In der That könnte bei der unbedingten Gewalt, die den Vorgesetzten über<lb/>
die Untergebenen gegeben ist, die Lage des Freiwilligen eine unerträgliche wer¬<lb/>
den. Aber hier tritt die Praxis mildernd ein: der Dienst wird nicht durch<lb/>
die unmittelbaren Vorgesetzten, die Unteroffiziere, sondern durch die höhern<lb/>
Offiziere bestimmt und controlirt, die durchweg der gebildeten Classe angehören.<lb/>
Auch Pflegen die Unteroffiziere bei allem Diensteifer sich gern mit ihren Frei¬<lb/>
willigen gut zu stellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_196"> Die wichtigste Person für den Freiwilligen ist der Hauptmann seiner Com¬<lb/>
pagnie, resp, der Rittmeister seiner Schwadron und der Feldwebel, resp, der<lb/>
Wachtmeister. Von deren Persönlichkeit hängt die Lage des Freiwilligen ab.<lb/>
Da zu Feldwebeln nur langbewährte tüchtige und geschickte Unteroffiziere ge¬<lb/>
nommen werden, so Pflegen diese von vornherein einige Rücksicht auf die Frei¬<lb/>
willigen zu nehmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_197" next="#ID_198"> Einige Erleichterungen sind außerdem durch die Praxis durchweg eingeführt.<lb/>
Da der Freiwillige keine Löhnung erhält, so wird er auch nicht zu eigentlichen<lb/>
Arbeiten verwendet, sondern sein Dienst beschränkt sich auf Uebung in den<lb/>
Waffen und in körperlicher Gewandtheit. Er kann essen und wohnen, wo er<lb/>
will, erhält auch bald nach seinem Eintritt eine Urlaubskarte, welche ihm ge-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0071] Eintritt in das Heer bis zur Vollendung des dreiundzwanzigsten Lebensjahres hinauszuschieben. Im Fall einer Mobilmachung geht aber das Recht dieses Aufschubs verloren. Der einjährig Freiwillige tritt in das Heer als Gemeiner ein, er darf sich die Waffengattung (ob er als Infanterist, Artillerist, Cavalerist oder Pionier dienen will) und den Truppentheil sowie die Garnison selbst wählen. Er leistet gleich nach seinem Eintritt den Fahneneid und untersteht selbstverständlich der Militärgerichtsbarkeit, er muß alle Dienste des Gemeinen thun, hat jeden Char- girten der ganzen Armee, also auch jeden Unteroffizier, als seinen Vorgesetzten zu betrachten, muß die Uniform tragen und ist zu unbedingtem Gehorsam gegen die Befehle der Vorgesetzten, zur Subordination verpflichtet. Er wird mit dem gemeinsten Proletarier, ja mit solchen, die die Ehrenrechte verloren haben, in Reih und Glied gestellt, und hat im Princip nichts vor ihm voraus, auf keine mildere Behandlung als dieser Anspruch. Der Weg der Beschwerde steht ihm, wie jenem in gewissen sehr beschränkten Formen offen, doch darf er sich bei Ver¬ meidung der strengsten Strafe erst nach Erfüllung desjenigen Befehles, durch den er sich verletzt fühlt, beschweren. Das ist denn freilich hart genug, und oft genug mag sich der gebildete junge Mann innerlich empören über die rauhen und sehr derben Zurechtwei¬ sungen der meist an Bildung tief unter ihm stehenden Unteroffiziere, noch mehr aber über die Ueberhebung, mit der zuweilen blutjunge und oft nur sehr ober¬ flächlich gebildete Offiziere die Freiwilligen behandeln. In der That könnte bei der unbedingten Gewalt, die den Vorgesetzten über die Untergebenen gegeben ist, die Lage des Freiwilligen eine unerträgliche wer¬ den. Aber hier tritt die Praxis mildernd ein: der Dienst wird nicht durch die unmittelbaren Vorgesetzten, die Unteroffiziere, sondern durch die höhern Offiziere bestimmt und controlirt, die durchweg der gebildeten Classe angehören. Auch Pflegen die Unteroffiziere bei allem Diensteifer sich gern mit ihren Frei¬ willigen gut zu stellen. Die wichtigste Person für den Freiwilligen ist der Hauptmann seiner Com¬ pagnie, resp, der Rittmeister seiner Schwadron und der Feldwebel, resp, der Wachtmeister. Von deren Persönlichkeit hängt die Lage des Freiwilligen ab. Da zu Feldwebeln nur langbewährte tüchtige und geschickte Unteroffiziere ge¬ nommen werden, so Pflegen diese von vornherein einige Rücksicht auf die Frei¬ willigen zu nehmen. Einige Erleichterungen sind außerdem durch die Praxis durchweg eingeführt. Da der Freiwillige keine Löhnung erhält, so wird er auch nicht zu eigentlichen Arbeiten verwendet, sondern sein Dienst beschränkt sich auf Uebung in den Waffen und in körperlicher Gewandtheit. Er kann essen und wohnen, wo er will, erhält auch bald nach seinem Eintritt eine Urlaubskarte, welche ihm ge-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/71
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/71>, abgerufen am 24.07.2024.