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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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1--2 Thlr. erhält, besorgen zu lassen. Der Feldwebel weist dafür ordentliche
Leute zu.

Der Sonntag ist dienstfrei, höchstens wird man alle vier Wochen zur Kirche
commandirt, öfters findet wohl auch Sonntags einmal Appell statt.

Im Laufe des Jahres hat der Freiwillige außerdem auf 14 Tage Urlaub
Anspruch, und Dispens von einzelnen Dienststunden wird bei besonderen Ver¬
anlassungen und sonstiger guter Führung regelmäßig ertheilt.

Man wird aus dieser Schilderung der durch den militärischen Dienst in
Anspruch genommenen Zeit ersehen, daß es recht gut möglich ist, noch nebenbei
sich für seine bürgerliche Laufbahn auszubilden. Freilich einen regelmäßigen
Erwerbszweig wird man nebenbei nicht betreiben können; aber wer, wie dies
bei einer sehr großen Zahl der Freiwilligen der Fall ist, studirt, und zumal
in den ersten Semestern studirt, verliert für seine Carriöre nicht eine Stunde,
wenn er wirklich seine Zeit benutzen will. Durch ausdrückliches Ministerial-
rescript soll in den Universitätsgarnisonen von Seiten der Militärbehörde darauf
Rücksicht genommen werden, daß den Freiwilligen der Besuch der Collegien er¬
möglicht wird. Wer als junger Beamter dient, kann die Bureaustunden von
10--1 und von 4--6 ziemlich regelmäßig einhalten, wer Kaufmann oder Oekonom
ist. hat hinreichende Zeit, um in dem Dienstjahre seine bürgerlichen Kenntnisse
in einer für seine Laufbahn förderlichen Weise zu erweitern, z. B. Buchführung,
Französisch und Englisch zu lernen.

Es ist eine oft ausgesprochene Behauptung, daß der Dienst körperlich so
anstrenge, daß eine ernste geistige Beschäftigung nebenbei nicht möglich sei.
Diese Behauptung kann nur von solchen ausgesprochen werden, die zu ernster
geistiger Beschäftigung keinen Trieb habe". Während der ganzen sechs Monate
von November bis April besteht der Dienst, mit Ausnahme der wenigen Wachen,
fast nur im täglichen Exerciren, allenfalls einigen Schießübungen. Letztere sind
körperlich gar nicht anstrengend, erstere geben eine gesunde körperliche Motion,
die nicht mehr ermüdet, als durch einen nächtlichen achtstündigen Schlaf voll¬
kommen ausgeglichen werden kann. In den heißen Sommermonaten freilich ist
die körperliche Anstrengung, besonders bei dem Exerciren in größeren Massen
und bei den Felddienstübungen, oft groß, so daß der Körper auch in den Tages¬
stunden der Ruhe bedarf. Aber diese Monate gehen auch im bürgerlichen Leben
für ernste geistige Beschäftigung fast gänzlich verloren.

Die vom Schreiber dieses während seiner Dienstzeit gewonnene Ueber¬
zeugung ist, daß bei einigermaßen milder Handhabung des Dienstes von Seiten
des Compagniechefs es dem Freiwilligen sehr wohl möglich ist. das Jahr, welches
seinem Körper so äußerst wohlthätig ist und manche geistige Eigenschaften,
Pünktlichkeit, Ordnungsliebe. Geistesgegenwart, Selbstbeherrschung in hohem
Grade entwickelt, auch für seine bürgerliche Stellung sehr nutzbar zu machen.


1—2 Thlr. erhält, besorgen zu lassen. Der Feldwebel weist dafür ordentliche
Leute zu.

Der Sonntag ist dienstfrei, höchstens wird man alle vier Wochen zur Kirche
commandirt, öfters findet wohl auch Sonntags einmal Appell statt.

Im Laufe des Jahres hat der Freiwillige außerdem auf 14 Tage Urlaub
Anspruch, und Dispens von einzelnen Dienststunden wird bei besonderen Ver¬
anlassungen und sonstiger guter Führung regelmäßig ertheilt.

Man wird aus dieser Schilderung der durch den militärischen Dienst in
Anspruch genommenen Zeit ersehen, daß es recht gut möglich ist, noch nebenbei
sich für seine bürgerliche Laufbahn auszubilden. Freilich einen regelmäßigen
Erwerbszweig wird man nebenbei nicht betreiben können; aber wer, wie dies
bei einer sehr großen Zahl der Freiwilligen der Fall ist, studirt, und zumal
in den ersten Semestern studirt, verliert für seine Carriöre nicht eine Stunde,
wenn er wirklich seine Zeit benutzen will. Durch ausdrückliches Ministerial-
rescript soll in den Universitätsgarnisonen von Seiten der Militärbehörde darauf
Rücksicht genommen werden, daß den Freiwilligen der Besuch der Collegien er¬
möglicht wird. Wer als junger Beamter dient, kann die Bureaustunden von
10—1 und von 4—6 ziemlich regelmäßig einhalten, wer Kaufmann oder Oekonom
ist. hat hinreichende Zeit, um in dem Dienstjahre seine bürgerlichen Kenntnisse
in einer für seine Laufbahn förderlichen Weise zu erweitern, z. B. Buchführung,
Französisch und Englisch zu lernen.

Es ist eine oft ausgesprochene Behauptung, daß der Dienst körperlich so
anstrenge, daß eine ernste geistige Beschäftigung nebenbei nicht möglich sei.
Diese Behauptung kann nur von solchen ausgesprochen werden, die zu ernster
geistiger Beschäftigung keinen Trieb habe». Während der ganzen sechs Monate
von November bis April besteht der Dienst, mit Ausnahme der wenigen Wachen,
fast nur im täglichen Exerciren, allenfalls einigen Schießübungen. Letztere sind
körperlich gar nicht anstrengend, erstere geben eine gesunde körperliche Motion,
die nicht mehr ermüdet, als durch einen nächtlichen achtstündigen Schlaf voll¬
kommen ausgeglichen werden kann. In den heißen Sommermonaten freilich ist
die körperliche Anstrengung, besonders bei dem Exerciren in größeren Massen
und bei den Felddienstübungen, oft groß, so daß der Körper auch in den Tages¬
stunden der Ruhe bedarf. Aber diese Monate gehen auch im bürgerlichen Leben
für ernste geistige Beschäftigung fast gänzlich verloren.

Die vom Schreiber dieses während seiner Dienstzeit gewonnene Ueber¬
zeugung ist, daß bei einigermaßen milder Handhabung des Dienstes von Seiten
des Compagniechefs es dem Freiwilligen sehr wohl möglich ist. das Jahr, welches
seinem Körper so äußerst wohlthätig ist und manche geistige Eigenschaften,
Pünktlichkeit, Ordnungsliebe. Geistesgegenwart, Selbstbeherrschung in hohem
Grade entwickelt, auch für seine bürgerliche Stellung sehr nutzbar zu machen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/73>, abgerufen am 24.07.2024.